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Radiolexikon Dupuytren-Erkrankung

Dupuytren betrifft die Hände: Es bilden sich in der Handinnenfläche Knoten, mit der Zeit werden eine oder mehrere Finger immer mehr nach innen gekrümmt. Meist sind es der kleine Finger oder Ringfinger, doch auch die übrigen können betroffen sein.

Von Thomas Liesen | 26.06.2012
    Fro Kuckelkorn hat bereits das weiße OP-Hemd angezogen und wartet in seinem Zimmer darauf, abgeholt zu werden. Der 72 jährige möchte sich in der Kölner PAN-Klinik an der rechten Hand operieren lassen. Denn sein kleiner Finger ist stark nach innen gekrümmt und selbst mit großer Kraft läßt er sich nicht mehr strecken. Vor etwa drei Jahren fing es an:

    "Erst mal hat sich so eine Verhärtung, ein Knubbel gebildet, den man erst mal nicht beachtet, ich bin an der rechten Hand auch schon mal in der Richtung operiert worden, da eben an einem anderen Verlauf der Sehne und jetzt hat sich das an einer anderen Stelle wieder neu gebildet und das wird jetzt entfernt und dann hoffe ich, dass dann wieder Ruhe ist."

    Die Diagnose lautet auf Dupuytren´sche Erkrankung. Es ist im Prinzip ein gutartiger, nicht schmerzender Tumor des Bindegewebes in der Handinnenfläche. Dieses Bindegewebe soll dort eigentlich die darunter liegende Nerven und Blutgefäße schützen. Aus noch völlig unbekannten Gründen fängt es bei einigen Menschen aber an zu wuchern. Es bildet sich zunächst ein harter Strang, der als Knoten in der Handfläche spürbar und sichtbar wird. Dieser Strang besteht vor allem aus Kollagen, ähnlich wie Narbengewebe. Und wie Narbengewebe beginnt dieser Strang mit der Zeit ebenfalls, sich zu verkürzen. Er zieht dabei gleichzeitig den am nächsten gelegenen Finger immer mehr in Richtung Handfläche, meist den Ringfinger oder -wie bei Flo Kuckelkorn - den kleinen Finger. Und das stört:

    "Wenn sie jemandem die Hand geben oder sie greifen nach einer Türklinke, dann bleiben sie da hängen, sie können den Finger einfach nicht mehr gerade ausstrecken. Er bleibt also im angewinkelten Zustand und der Finger wird immer enger, die Sehne wird kürzer."

    Eine halbe Stunde später liegt der 72-jährige bereits im OP. Er hat ausdrücklich eine Vollnarkose gewünscht, meist wird die Operation eines Dupuytren aber nur unter örtlicher Betäubung durchgeführt. Handchirurg Dr. Paul Altmann wird die Operation durchführen.

    "Wir haben hier ein sogenanntes Rezidiv, das heißt, wir haben diesen Finger schon mal operiert, die Dupuytren´sche Kontraktur hat die Eigenschaft, dass sie doch nicht selten wieder kommt. Das ist auch wichtig für die Entscheidungsfindung zur Operation, dass man also nicht zu früh operiert, weil dieses Risiko immer im Raum steht."

    Paul Altmann macht nun einen langen Schnitt, der von der Handinnenfläche bis zur Mitte des gekrümmten kleinen Fingers reicht. Unter der Haut wird die weißliche Bindegewebswucherung sichtbar. Und zusätzlich Narbengewebe von der früheren Operation.

    "Hier ist es sehr narbig, wir müssen gucken, dass wir auch wirklich den Ausgangspunkt finden, das heißt, wir machen den Schnitt ein bisschen länger, um möglichst im narbenfreien Gebiet zu beginnen."

    Die Operation ist zwar reine Routine für einen Handchirurgen, denn Dupuytren ist sehr häufig, fast zehn Prozent aller Männer sind irgendwann betroffen. Dennoch ist sie nicht unkompliziert. Denn Nerven und Blutgefäße müssen geschont werden und das ist leichter gesagt als getan.

    "Jetzt habe ich hier diesen derben Strang, das ist das sogenannte Dupuytren-Gewebe, manchmal ist das wie eine Krake mit ganz vielen Armen und da muss man immer schauen, ob einer der Arme nicht zufällig doch ein Gefäß ist oder ein Nerv."

    Wenn eine Hand schon mal operiert worden ist, wie bei diesem Patienten, wird die Operation noch deutlich anspruchsvoller. Daher warnt auch ein Kollege von Paul Altmann, der Handchirurg Prof. Michael Schädel-Höpfner von der Universität Düsseldorf, ausdrücklich vor einer zu frühen ersten Operation.

    "Man hat beim zweiten Mal dann nicht nur mit den Narben durch die Erkrankung selbst, also dem geschrumpften Bindegewebe zu kämpfen, sondern auch (..) mit der erheblichen Vernarbung des sehr dünnen oder gar nicht mehr vorhandenen Unterhautgewebes, in dem Nerven und Blutgefäße liegen und das macht es dann technisch durchaus noch mal anspruchsvoller, diese Strukturen zu schonen."

    In letzter Zeit haben sich neben der Operation auch zwei weitere Verfahren etabliert, um eine Dupuytren-Erkrankung zu therapieren. Michael Schädel-Höpfner:

    "Das eine Verfahren ist die reine Zerstörung des Narbenstranges durch eine Stichelung mit einer geeigneten, kleinen Kanüle. Dies hinterlässt eine ganz kleine Wunde nur und wird vom Operateur so lange gemacht, bis der Narbenstrang zermürbt ist und aufgerissen werden kann."

    Das Ganze geschieht unter örtlicher Betäubung und funktioniert gut, wenn die Krümmung eines Fingers noch nicht allzu weit fortgeschritten ist.
    Die zweite, noch recht neue Methode, ist die Behandlung mit der sogenannten Kollagenase. Die Kollagenase ist dabei ein Enzym, das Bindegewebe regelrecht auflösen kann. Die Kollagenase-Behandlung erfolgt dabei in zwei Schritten: Zuerst wird das Enzym in die Bindegewebswucherung gespritzt. Dann, nach etwa 24 Stunden, ist die Wucherung so weit angelöst, dass der Arzt Schritt zwei angehen kann: Er streckt den gekrümmten Finger bis der Gewebestrang, der die Fingerkrümmung verursacht, durchreißt. Insgesamt ist diese Methode aber umstritten, denn es fehlen Daten über Langzeitergebnisse oder mögliche Komplikationen.

    "Bei einer breiten Öffnung des Verfahrens für praktisch alle Anwender, denn es ist ja gar nicht vorgeschrieben, dass es eine Handchirurg macht, denn es muss nur ein Arzt machen, steht durchaus zu befürchten, dass mehr Komplikationen auftreten, deswegen erleben wir derzeit eine kritische Diskussion um die Anwendung dieses Medikaments, die durchaus berechtigt ist."

    Zurück zur Dupuytren-Operation in der Kölner PAN-Klinik. Handchirurg Dr. Paul Altmann entfernt äußerst vorsichtig krankhaftes Bindegewebe aus der Hand.

    "Hier sieht man also ganz, ganz fein Fingernerv und Fingerarterie, sehr dünn in dem narbigen Gewebe. Nehmen wir jetzt eine ganz feine Schere, noch feiner als das, was der Laie häufig als ein Hautscherchen bezeichnet, muss man halt mikroskopische Instrumente nehmen."

    Auch fast 200 Jahre nach der ersten Beschreibung der Erkrankung ist die Operation immer noch die Methode der Wahl zur Behandlung. Das Übel an den Wurzeln packen, also die Krankheit gar nicht erst entstehen lassen, das gelingt bis heute nicht. Denn die Ursache ist nach wie vor völlig unbekannt. Man weiß lediglich, dass die Vererbung eine Rolle spielt, oft sind mehrere Familienmitglieder betroffen. Klar ist auch: Dupuytren-Patienten sind zu 80 Prozent Männer, meist schon fortgeschritten Alters.

    "So, jetzt haben wir wirklich diesen großen Knubbel raus, Nervengefäß noch erhalten, ( ... )
    So, jetzt gucken wir noch mal, was die Streckung macht. Eigentlich ganz gut.
    Ja, jetzt hätten wir das raus, jetzt spülen wir das Ganze noch mal gut durch, legen eine Drainage rein und nähen die Haut zu."

    Fast 90 Minuten hat der Eingriff gedauert, etwas länger als gewöhnlich und vor allem war sehr viel chirurgische Feinarbeit nötig.

    "Ja, schwierig. Zeitaufwendig, volle Konzentration, rezidiv, schwieriges Rezidiv und da ist man immer ein bisschen erschöpft hinterher. Aber ich hoffe, es ist gut und der Patient wird zufrieden, das ist immer das Wichtigste."