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Radiolexikon: Gelbwurzel - Curcuma longa

Die Gelbwurzel hat erstaunliche Heilkräfte: Sie kann Tumorwachstum stoppen, freie Radikale abfangen und Wunden besser heilen lassen - zumindest bei Versuchen im Labor. In der ayurvedischen Medizin wird sie bereits seit fast 3000 Jahren als Heilpflanze genutzt. Forscher versuchen nun, sie auch für die moderne Medizin nutzbar zu machen.

Von Mirko Smiljanic | 30.04.2013
    Hätten Sie’s gewusst? Die Currywurst hat zu Unrecht ein schlechtes Image, tatsächlich ist sie therapeutisch höchst wertvoll: Sie erleichtert die Verdauung von Fetten, sie lindert Blähungen und Völlegefühl, außerdem gibt es Hinweise, dass sie Freie Radikale abfängt und so vor Krebs schützt.
    Klingt gut, ist aber leider nur die halbe Wahrheit: Nicht die Wurst hat diese positiven Eigenschaften, sondern das Curry, genauer: die Curcuma – botanisch Curcuma longa – bei uns bekannt als Gelbwurzel, einem wichtigen Bestandteil des Currypulvers. Gelbwurzel ist der heutige Eintrag im Radiolexikon Gesundheit, geschrieben hat ihn Mirko Smiljanic:

    Berlin-Kreuzberg, "Curry 36", der Kultimbiss in Deutschlands Hauptstadt. Tag und Nacht treffen sich hier Einheimische und Touristen, um über Würste (Mit Darm? Ohne Darm?) zu debattieren: Wie scharf die Soße sein soll, ob Majo oder Ketchup oder beides auf die Pommes gehören. Und natürlich sprechen sie über das Curry, dieses indische Gewürz, das schlichte Bratwürste zu einer Delikatesse macht – sagen zumindest überzeugte Curry-36-Fans: Das Pulver ist gelb, schmeckt unnachahmlich gut und heilt auch noch viele Krankheiten. Warum ist das so?

    "Wir befinden uns jetzt hier im Tropenhaus des Botanischen Gartens und wir haben hier in der Abteilung zurzeit 24 bis 28 Grad und eine Luftfeuchte von Minimum 85 Prozent, ..."

    ... Claudia Mahr, Gartenbaumeisterin an der Universität Düsseldorf, ...

    "... jetzt haben wir hier zum Beispiel den Curcuma im Topf, richtig ausgepflanzt im Topf, die Exemplare habe ich heute Morgen aus dem Topf rausgenommen."

    Etwas unscheinbar liegen die Pflanzen auf dem Metalltisch, einige Blätter sind schon vertrocknet. Doch dieser Teil von Curcuma longa, so der vollständige botanische Name, interessiert nicht, weit wichtiger ist das, was sich in der Erde befindet, das Rhizom.

    "Wir sehen hier Rhizome der Curcuma longa, der Gelbwurzel, aus der Familie der Zingiberaceaen, zu Deutsch Ingwergewächse, und wie man hier gut erkennen kann, ist das unterirdische Rhizom nicht unbedingt eine Wurzelanlage, sondern ein Spross, es dient auch gleichzeitig als Überwinterungsorgan für die Pflanze, und man kann hier sehr schön die Fingerrhizome erkennen, das sind Tochterrhizome des großen Rhizoms, und daraus treibt die Pflanze im Frühjahr aus und zieht sich im Herbst zurück."

    Die Ursprünge der Gelbwurzel liegen in Indien, Sri Lanka und dem tropischen Südostasien. Wer das Rhizom zerbricht, sieht sofort, warum die Pflanze "Gelbwurzel" heißt: An den Bruchstellen zeigen sich gelben Flecken, das Curcumin, eine Substanz, die Menschen seit Jahrtausenden medizinisch nutzen – sagt Thorsten Trapp, Leiter der Arbeitsgruppe "Regenerative Medizin" am Institut für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapeutika der Universitätsklinik Düsseldorf.

    "Die Wurzel wird in der Form gewonnen, dass die Wurzel überbrüht wird mit heißem Wasser und dann getrocknet wird, und dann ist sie gelb, die wird dann zerrieben und findet in der ayurvedischen Medizin schon seit 3.000 Jahren Verwendung, und zwar wird sie eingesetzt bei Oberbauchbeschwerden, sie wird eingesetzt traditionell in der Wundheilung oder auch bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wir Arthritis, ..."
    ... wobei dies nur ein bescheidener Teil möglicher Einsatzfelder ist. In den vergangenen zwölf Jahren wurden weltweit rund 3.000 pharmakologische Publikationen veröffentlicht, die sich mit der Wirkung von Curcuma longa beschäftigen.

    "Wenn man sich diese Publikationen anschaut, dann kann man tatsächlich den Eindruck gewinnen, als sei es ein Wundermittel. Es werden positive Effekte in der Tumorforschung publiziert, in der Alzheimerforschung, in der Parkinsonforschung, da scheint also wirklich einiges dran zu sein."

    Curcumin hemmt Entzündungen und es verhindert, dass sich gesunde Zellen zu Krebszellen entwickeln, in dem es Freie Radikale abfängt.

    "Freie Radikale werden abgefangen, das ist richtig, auch das spielt im Entzündungsgeschehen eine große Rolle, und auch im Tumorgeschehen, denn zur Entstehung von Mutationen, die also den ersten Schritt in der Krebsentstehung darstellen, spielen Freie Radikale eine Rolle, und die werden durch Curcumin abgefangen. Das ist aber nicht die einzige Wirkung des Curcumins auf das Krebsgeschehen, man hat auch zeigen können, sehr eindrucksvoll zeigen können, dass auch die Zellproliferation vermindert wird, ..."

    ...also die Teilung von Krebszellen, außerdem haben Biochemiker der Uniklinik Düsseldorf herausgefunden, dass Curcumin die Wanderung von Krebszellen verlangsamt. Zusätzlich wirkt die Gelbwurzel gegen Viren,...

    "...und im Hinblick auf HIV hat man herausgefunden, dass Curcumin direkt mit einem Eiweiß des HI-Virus interagiert, nämlich mit der Integrase. Diese Integrase sorgt dafür, dass die Erbsubstanz der HI-Viren in unsere Erbsubstanz eingeschleust wird, und dieses Enzym wird durch Curcumin inhibiert, in seiner Aktivität gestört, was es den HI-Viren schwerer macht, sich in unsere Erbsubstanz zu integrieren."
    Das klingt märchenhaft, fast zu schön, um wahr zu sein, irgendwo muss es einen Haken geben. Es gibt ihn auch: Viele positive Wirkungen des Curcumin lassen sich nur in Zellkulturen nachweisen. Ein Manko sei das, sagt Thorsten Trapp.

    "Dieses Kurkumin, dieser Hauptwirkbestandteil, hat eine sehr schlechte Bioverfügbarkeit, das heißt, wenn man es aufnimmt, kommt nur ein kleiner Teil dorthin, wo man gerne eine Wirkung verzeichnen würde. Solche Nachteile hat man natürlich in der Zellkultur nicht. Da gibt man die Substanz drauf und dann wirkt sie an den Zellen, und das ist bei Patienten leider nicht so."

    Etwas ausgleichen lässt sich dieser Nachteil durch eine höhere Dosierung. Immerhin, sagt Trapp, sei das möglich. Curcumin zeige auch bei der Einnahme größerer Mengen nur unbedeutende Nebenwirkungen. Allerdings beobachten Pharmazeuten einen anderen Effekt: Wenn der Hauptwirkstoff Curcumin isoliert eingenommen wird – also ohne die restlichen Inhaltstoffe der Pflanze – verändert sich seine Gesamtwirkung. Ein Beispiel: Curcumin regt zwar auf der einen Seite die Produktion von Gallenflüssigkeit an, was die Verdauung fettiger Speisen erleichtert,...

    "...aber zusätzlich kommt eine Wirkung von verschiedenen ätherischen Ölen, die also auch in Curcuma vorhanden sind, die dann zusätzlich noch eine spasmolytische Wirkung haben, die zum Beispiel auf die Peristaltik des Darms wirkt. Hier ist es also so, dass ich eine synergistische Wirkung verschiedener Bestandteile habe, es ist also so, was wir bei Heilpflanzen häufig sehen, das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile."

    Medizinisch verabreicht wird Curcuma in Dragees und Kapseln, nur sie garantieren eine entsprechend hohe und vor allem vergleichbare Dosierung des Wirkstoffes. Natürlich gibt es die Gelbwurzel auch in Pulverform, aber wer möchte schon täglich zwei Teelöffel Curcumapulver einnehmen, mal abgesehen davon, dass der Magen dabei rebelliert. Wer es lockerer möchte, der kann die Gelbwurzel aber auch zum Würzen nutzen, womit wir wieder bei der Currywurst wären,...

    "In Deutschland ist Curry bekannt geworden so seit 1949, als die erste Currywurst auf den Weg gebracht worden ist, und zwar kam eine
    Wurstbudenbesitzerin aus Berlin auf die Idee, ihre Rostbratwürstchen etwas zu verfeinern mit einer Soße, der sie eben Curry beimischte,..."

    ...zu glauben, "Currywurst mit Pommes rot-weiß" sei deshalb ein Medikament, ist aber dann doch etwas weit hergeholt,...

    "Nein, ich würde die Currywurst nicht als Therapeutikum empfehlen, aber es ist sicher so, dass die Currywurst durch ein gutes Currypulver verträglicher wird."

    Außerdem – Currywurst-Fans wissen das – schmeckt es einfach besser!