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Radiolexikon Gesundheit: Muskelkater

" Der Begriff Muskelkater ist gar nicht ganz ohne Kontroverse zu definieren.

Von Barbara Weber |
    Man könnte sagen, man hat sportlich was falsch gemacht... und hat am nächsten Tag darauf die Quittung.

    Das sagt man ja auch, wenn man zuviel trinkt. Dann spricht man ja auch von 'nem Kater.

    Letztendlich kann das sein, dass dieser Wortstamm auch so entstanden ist.

    Der berühmte allgemeine Konsens sagt, dass hierin der Wortstamm Katarrh steckt. Katarr kommt aus dem griechischen und heißt Schleimhautentzündung.

    Der Grundbegriff Katarr ist natürlich logischer.

    Ich würde mich auf diesen Katarrhbegriff festlegen."

    Meist beginnt der Muskelkatarrh einige Stunden nach dem Training. Die Muskeln schwellen, sind steif, hart, kraftlos und druckempfindlich. Die Schmerzen erreichen nach ein bis drei Tagen ihren Höhepunkt, dauern - je nach Intensität - dann eine Woche an und verschwinden ohne spürbare Folgen wieder.

    Bei der Suche nach den Ursachen des Muskelkaters gibt es inzwischen neue Erkenntnisse. Prof. Hans Georg Predel, Leiter des Instituts für Sportmedizin und Kreislaufforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln:


    " Unser klassisches Modell einer Laktat-, also Milchsäureanhäufung im Muskel im Anschluss an intensive oder eben zu intensive Belastungen ist revidiert worden. Wir gehen heute davon aus, dass es sich bei dem Muskelkater um so genannte Mikrotraumata handelt, also Einrisse in die Textur der Muskelfibrillen, und dass als Folge dieser Mikrotraumata ein Entzündungsvorgang in Gang gesetzt wird, der nicht mit einer klassischen Entzündung, bakteriell oder viral, verwechselt werden darf, sondern eine so genannte aseptische Entzündung, die aber alle klassischen Merkmale einer Entzündung aufweist, also Schwellung, Überwärmung und Schmerz. Und das betrifft im Grunde ja auch das Beschwerdebild des Muskelkaters sehr gut. "

    Durch den Muskelkater werden eine Reihe von Reparaturmechanismen im Muskel in Gang gesetzt. Die Reparatur erfolgt so, dass das zugrunde gegangene Gewebe abgeräumt und dann durch neues Gewebe ersetzt wird. Der Muskelkater regt also Stoffwechselvorgänge an - so die Ärzte an der Deutschen Sporthochschule - die die kleinen Einrisse heilen.

    Auf der Wiese zwischen dem Stadion des 1 FC und der Sporthochschule trainiert eine Gruppe Freizeitsportler. Die meisten wollen ihr Gewicht reduzieren. Muskelkater hatte hier fast jeder schon mal:

    " Ja, hatte ich schon mal gehabt. Wenn wir hier in unserem Programm so Dauertraining gemacht haben, dann hatte ich am nächsten Tag Muskelkater.

    Kam natürlich durch falsches Training.

    Hab ich viel mit zu tun. ... Aber ich muss auch sagen hier durch dieses Training hat es sich etwas gegeben. "

    Die Beobachtung der Freuzeitsportler deckt sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Entstehung von Muskelkater. Dr. Joachim Latsch, Arzt am Institut für Sportmedizin und Kreislaufforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln:

    " Im Grunde kann man sagen, dass der Sportler, der ungewohnte Bewegungen oder in ihrer Ausprägung oder Intensität ungewohnte Bewegungen ausübt, vom Muskelkater bedroht ist. Also jemand, der drei Mal die Woche Joggen geht und zehn Prozent schneller läuft als sonst, wird sicherlich keinen massiven Muskelkater bekommen. Klassisches Beispiel ist Bergrunterlaufen. Jemand, der im Gebirge nicht geübt ist, und sagt sich, na gut, Berg runter ist ja kein Thema, läuft zwei Stunden bergab und hat am nächsten Tag höllischen Muskelkater, weil die Muskulatur für ein solche Belastung, also das immer wieder Auffedern des eigenen Körpergewichts, überhaupt gar nicht trainiert ist. So kann man durch verhältnismäßig oder leicht erscheinende muskuläre Belastung sich einen Höllenmuskelkater einhandeln."

    Bei bekannten Bewegungen organisiert das Gehirn die Kraft, die vom Körper dafür eingesetzt wird. Ist die Bewegung neu oder in der Intensität, in der sie ausgeführt wird, noch unbekannt, reagieren viele Muskeln mit hohem Kraftaufwand. Die Koordination zwischen Gehirn und Muskulatur muss für bestimmte Übungen erst erlernt werden. Letztendlich kann also jede ungewohnte, auch noch so geringe Belastung, beim Ungeübten zu Muskelkater führen.

    Das gilt übrigens auch für Trainierte, die neue Übungen oder eine neue Sportart mit ungewohnter Intensität ausführen.

    " Eine weitere häufige Entstehungsquelle für Muskelkater ist natürlich auch das Krafttraining, vor allem, wenn es neu aufgenommen wird, in dem so genannte exzentrische Belastungen häufig vorkommen. Typisches Beispiel einer exzentrischen Belastung: Es wird ein Gewicht hochgestemmt und dann langsam, gegen den muskulären Widerstand, wieder nach unten gelassen. Das sind Belastungsprofile, auf die der Muskel analog eben dem bergab gehen sehr wenig vorbereitet ist und die sehr schnell auch aufgrund ihrer Biomechanik zu solchen Mikrotraumata führen können. Also ganz wichtig die Belastungsform, dynamisch, konzentrisch versus exzentrisch zu unterscheiden."

    Diplom Sportlehrerin Ute Haas versucht Muskelkater in ihren Sportgruppen weitgehend zu vermeiden. Es sei eine Frage des Trainingsaufbaus, meint sie. Darüber hinaus plädiert sie für ein angemessenes Aufwärmprogramm.

    " Es ist sehr wichtig, das Training sehr progressiv aufzubauen, also schrittweise, nicht zuviel am Anfang zu machen, also sich gut aufzuwärmen, nachher die Muskulatur zu dehnen, ja, und dann auch angepasst zu trainieren. Also nicht, wenn man lange nichts gemacht hat, zu viel zu machen usw."

    Gründliches Aufwärmen vor dem eigentlichen Training reduziert erwiesenermaßen die Gefahr eines Muskelkaters. Andere Formen der Vorbeugung sind zwar wissenschaftlich durch Studien nicht belegt, schaden aber auch nicht. Prof. Hans Georg Predel:

    " Auch hier gibt es natürlich ganz unterschiedliche Ansichten, aber generell kann man sagen, dass eine ausreichende Vordehnung der Muskulatur von großer Bedeutung ist, um eben solche Einrisse möglichst zu vermeiden. Dann aber auch das Aufwärmen der Muskulatur, das heißt die Vorbereitung in dem Sinne, dass eine Durchblutung und Erwärmung des Muskels durch ein gezieltes Vortraining gewährleistet ist. Das sind sicherlich einfache Strategien, um über physikalisch, therapeutische Maßnahmen dem Muskelkater vorzubeugen. Anschließend natürlich auch um in Hinblick auf die nächsten Trainingseinheiten einen Muskelkater zu vermeiden, sollte nach jeder länger dauernden, vor allem intensiveren Belastung, gerade nach Kraftsportbelastungen, ein wirklich ausreichendes Dehnprogramm, und das sollte zunächst mal unter Anleitung durchgeführt werden, da kann man sehr viel falsch machen. Also man sollte sich das zeigen lassen. Ein solches Dehnprogramm sollte unbedingt durchgeführt werden, weil der Muskel dazu neigt nach längeren Belastungen ohne entsprechende abschließende Dehnung zu verkürzen, und damit ist im Grunde schon der Muskelkater und vielleicht sogar ernstere Verletzungen vorprogrammiert."

    Auch wenn Dehnübungen zur Vermeidung von Muskelkater unter Sportmedizinern umstritten sind, herrscht in einem Punkt Konsens: Muskelkater verursacht keine bleibenden Schäden an der Muskulatur. Zwar werden die kleinsten Strukturen der Muskeln geschädigt, doch diese Schädigung löst einen Reparaturreiz aus. Dadurch könnte der Trainingseffekt unterstützt werden. Manche Wissenschaftler behaupten sogar, Muskelkater sei die beste Vorbeugung gegen einen erneuten Muskelkater. Allerdings ist die Schlussfolgerung, am Besten einen Muskelkater herbeizuführen um einen hohen Trainingseffekt zu erzielen, unhaltbar.

    Wer trotz eines maßvollen Trainingsprogramms einen Muskelkater erleidet, dem empfehlen die Experten, alles zu tun, was das Wohlgefühl bessert:
    Joachim Latsch:


    " Generell kann man sagen, leichte Bewegung ist immer gut. Das kann auf jeden Fall den Entzündungsprozess in der Muskulatur abbauen helfen, genauso ist Wärme von außen, ob es jetzt Sauna ist, ob es jetzt Tiefenwärme ist, ob es eine Massage ist, die das Gewebe auch aufwärmt, mechanische Belastungen, die von außen zum Abtransport der schädigenden Substanzen aus den Muskeln über das Blut führt, positiv zu sehen. Es wird sicherlich zu einer Verkürzung der Schmerzzeit und verbesserten Regeneration kommen. All das ist sicherlich gut geeignet...Linderung zu erwirken. "

    ....und Hans Georg Predel ergänzt:

    " Völliges Ruhigstellen ist sicher ganz falsch. Vorsichtige Mobilisierung fördert die Durchblutung und damit den Regenerationsvorgang. ... Was die Massage angeht, auch wieder so eine Kontroverse, Sie sehen, wir bewegen uns auf wissenschaftlich sehr umstrittenen Acker. Aber es ist ganz klar, dass die Massage einerseits zwar die Durchblutung fördert, und das ist positiv, andererseits mechanische Reize induziert. Auch hier kann man wieder sybillinisch antworten, es kommt wahrscheinlich auf die Ausführung der Massage an. Eine hochaggressive Massage mit grobschlächtiger Hand durchgeführt, wäre sicherlich eher kontraproduktiv. Aber eine einfühlsame Aktivierung der muskulären Strukturen, die mehr den durchblutungsfördernden Aspekt in den Vordergrund stellt, ist mit Sicherheit fördernd dann auch. "