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Radiolexikon Gesundheit: Veganer

Vegetarier essen nichts, für das Tiere getötet werden: meistens das Fleisch. Veganer gehen noch einen Schritt weiter und meiden alle von Tieren stammenden Lebensmittel: also auch Milchprodukte, Eier und Honig. Ist das nun der Gesundheit förderlich oder eher schädlich?

Von Renate Rutta | 25.09.2012
    "Vegane Ernährung ist mir persönlich einen Ticken zu hart, da empfände ich für mich eine zu starke Einschränkung. Auf Milch könnte ich beispielsweise nicht verzichten oder würde ich ungern verzichten, sagen wir mal so."

    "Vegan ist nicht so ganz meins."

    "Würde ich nicht verurteilen, fände ich für mich viel zu kompliziert, ehrlich gesagt. Ich glaube, das ist auch eine Prinzipieneinstellung.
    Und ich finde, es gehört ein bisschen mit zum Kreis des Lebens, dass man auch von Tieren Dinge isst."

    "In meiner Bekanntschaft sind einige, die sich vegan ernähren. Das ist eine Sache, die sie für sich entschieden haben und die ich völlig in Ordnung finde."

    Die Passanten auf dem Wochenmarkt stehen einer veganen Ernährung eher skeptisch gegenüber, weil Veganer nicht nur Fleisch und Wurst, sondern auch alle vom Tier stammenden Lebensmittel, also zusätzlich beispielsweise Joghurt, Quark und Käse vermeiden. Professor Peter Stehle vom Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn:

    "Eine vegane Kost ist im Prinzip die Extremform eines Vegetarismus. Eine Person, die sich vegan ernährt, die verzichtet nicht nur auf klassische tierische Produkte wie Fleisch und Fisch, Wurstwaren und so weiter, sondern auch auf Produkte, die das lebende Tier produziert, zum Beispiel Milch, zum Beispiel Eier, das heißt, hier ist es eine reine Ernährung auf der Basis von Pflanzen. Selbst Honig, was ein Produkt der Biene ist, wird von Menschen, die sich vegan ernähren, abgelehnt."

    Doch vegan zu leben, bezieht sich längst nicht nur auf Lebensmittel. Oft verzichten Veganer auch auf Kleidung aus Wolle, Pelz oder Leder oder auf Daunenbetten und sie kritisieren die Massentierhaltung. Motive wie Gesundheit, Umweltschutz, Verteilungsgerechtigkeit und Tierethik spielen eine Rolle bei der Entscheidung, sich vegan zu ernähren.

    "Ich frage mich auch, warum ein Mensch sich vegan ernährt. Es kann ja prinzipiell nicht aus der Ernährungswissenschaft motiviert sein. Es muss ja aus der Religion, der Philosophie motiviert sein, das heißt wiederum, die Sache, ich töte kein Tier, ich möchte auch die Tiere, die sich fortpflanzen – zum Beispiel Eier werden ja zur Fortpflanzung produziert oder auch Milch wird ja zur Ernährung der Nachkömmlinge der Tiere produziert – darauf möchte ich verzichten. Kann man so sehen aber es hat nichts mit Ernährungswissenschaft begründet zu tun."

    Viele Restaurants bieten inzwischen neben Fleisch als Hauptbestandteil des Essens nicht nur Salatteller, sondern auch einzelne vegetarische Gerichte an. Ein Restaurant in der Kölner Südstadt geht noch weiter und hat regelmäßig mehrere vegane Gerichte auf der Speisekarte.

    "Ich habe deshalb eine vegane Zusatzkarte, weil ich glaube, dass eine vegane Lebensweise noch nicht in Köln, in Deutschland so weit aktuell ist und soweit akzeptiert wird, um ein Restaurant rein vegan zu führen, sonst würde ich das tun."

    Nicole Löhnert ist die Geschäftsführerin des Lokals in der Kölner Südstadt.

    "Ich bin sehr erstaunt, wie gut es angenommen wird. Es ist damals aus einer dumpfsinnigen Idee entstanden und zwar hat ein veganer Gast bemängelt, dass auf dem Brunch keine veganen Zutaten stehen. Ja, das hat mich so gefuchst, dass ich mich mit der veganen Lebensweise beschäftigt habe und gesagt habe, es muss ja möglich sein. Ja, und es ist möglich. Und mittlerweile freuen wir uns über etwa 35 Prozent bis 40 Prozent aller Gerichte auf veganer Weise."

    Einmal im Monat gibt es dort beispielsweise ein veganes Buffet. Es ist nicht nur für Veganer und Vegetarier gedacht, sondern für alle, die sich am vegetarischen und veganen Essen freuen.

    "Viele denken ja, dass eine vegane Lebensweise bedeutet, man lässt das Fleisch weg, also sprich, man isst nur Beilagen. Dem ist nicht so. Wer sich damit ein bisschen beschäftigt, der weiß, dass er mit ganz anderen Produkten, mit einer großen Produktauswahl zu tun hat. Das fängt an, ich sag ein Beispiel, Couscous, das kann Quinoa sein, ein Eiweißprodukt, das sind auf einmal Produkte, deren Handhabung du erst lernen musst. Aber es macht sehr viel Spaß."

    Zum Frühstück gibt es dann beispielsweise Sojajoghurt, Quinoa-Tomatenaufschnitt oder Bohnen mit Tomate. Zum Mittagessen kann man Grünkernburger mit Gemüsegarnitur und Beilagensalat bestellen, Sojasteak im Kartoffelmantel auf Wirsingbett und warmer grüner Soße oder Flammkuchen "vediterran":

    "Ein Flammkuchen vom Ursprung ist natürlich auf einer double-cream-Basis, sprich Eiweiß aber auf tierischer Basis. Wir ersetzen die tierischen Komponenten mit einem Pesto aus Tomaten und Basilikum, würzen es mit geräuchertem Tofu, belegen es weiter mit Tomaten und Basilikum, ja, sehr lecker."

    Doch wie lecker die Gerichte auch immer schmecken, wie sieht das aus ernährungswissenschaftlicher Sicht aus? Professor Stehle:

    "Ernährungsphysiologisch ist es ein bisschen kritisch zu betrachten, weil es fehlen wichtige Quellen für Eiweiß zum Beispiel, für bestimmte Vitamine, Mineralstoffe und eine vegane Kost so zu machen, dass sie nicht zu Mangelerscheinungen führt, da muss man schon einiges von Lebensmitteln wissen und vor allem die Vielfalt beachten. Also dann müssen wirklich zehn Schüsselchen auf dem Tisch stehen mit verschiedenen pflanzlichen Produkten, verschiedenen Gemüsesorten, verschiedenes Obst, damit da hinterher wirklich kein Mangel entsteht."

    Für viele tierische Produkte gibt es Ersatzstoffe. Tiermilch kann man ersetzen durch Hafermilch, Kokosmilch, Mandelmilch, Sojadrink. Veganer Käse besteht aus Soja, Seidentofu oder Hefeschmelz. Doch durch den Verzicht auf tierische Nahrungsquellen kann ein Mangel an Calcium auftreten.

    "Dann gibt es natürlich noch so Inhaltsstoffe wie Calcium, ein Mineral, das für den Knochenaufbau benötigt wird, das liefere ich natürlich auch nicht, weil ich ja keine Milchprodukte drin habe bei der veganen Kost. Also muss ich auf andere Quellen übergehen, das wäre zum Beispiel Wasser, also Mineralwasser, das wäre auch Gemüse. Brokkoli oder grüne Gemüse haben eine gewisse Menge an Calcium aber verhältnismäßig wenig aber immerhin es ist drin. Da muss ich zumindest auf die Getränke achten, Mineralwasser, das bestimmte Mengen Calcium enthält, 200 / 300 mg pro Liter wäre sicher angesagt."

    Ähnlich sieht das beim Eisen aus. Da kann leicht ein Eisenmangel entstehen, wenn man nicht darauf achtet.

    "Wobei Eisen ja auch in pflanzlichen Produkten drin ist also in Gemüse, grünem Gemüse, allerdings für den Menschen nicht verfügbar. Und da muss darauf geachtet werden, dass zusätzlich Vitamin C konsumiert wird, das heißt dass der Mensch in der Lage ist, dieses Eisen aus den pflanzlichen Produkten aufzunehmen."

    Wer komplett auf tierische Lebensmittel verzichtet, kann einen möglicherweise bedenklichen Mangel an Vitamin B 12 haben, das durch Mikroorganismen gebildet wird. Es kommt in Fleisch, Fisch und Eiern vor aber auch in fermentiertem Sauerkraut. Eine Studie zeigte, dass Vegetarier und besonders Veganer einen niedrigen Vitamin-B12-Spiegel haben. Veganer können also durch die Auswahl der Lebensmittel oder durch Hefepräparate durchaus eine bestimmte Menge Vitamin B 12 zuführen.

    "Mangelerscheinungen bei Vitamin B 12 gibt es allerdings erst nach einigen Jahren, weil unser Körper hat ein gutes Reservoir an diesem Vitamin. Dort gibt es allgemeine Ausfallerscheinungen also Hautveränderungen vor allen Dingen, das lässt sich schon nachweisen."

    Wie bei allen vegetarischen Ernährungsformen ist es auch für Veganer sinnvoll, Vollkornbrot statt Weißbrot zu essen, um genügend Mineralstoffe und Vitamine aufzunehmen. Ernährungswissenschaftler empfehlen, in der Schwangerschaft, während des Stillens und im Kleinkindalter sich lieber vegetarisch als vegan zu ernähren. Dann ist das Risiko für Mangelerscheinungen geringer. Und dann kann man sich auch den veganen Schokoladenkuchen von Koch John Campana aus dem Restaurant in der Kölner Südstadt schmecken lassen.

    "Das einzige, was anders ist, ist dass die Schokolade ohne Milch ist, ist dunkle Schokolade und es sind keine Eier drin und keine Milchprodukte. Stattdessen Sojamehl und ein Eiersatzprodukt. Und davon kriegt man viel mehr Schokoladengeschmack raus. Es schmeckt fantastisch, besser als normaler Schokokuchen."

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