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Radiolexikon Insulin

Insulin ist ein Hormon und wird als Medikament heute zumeist künstlich hergestellt: Humaninsulin ist dem Menschlichen am nächsten. Analoginsuline wirken spezieller. Doch was genau bewirkt Insulin in unserem Körper?

Von Barbara Weber | 17.08.2010
    Oktober 1923. Frederick Grant Banting erhält den Nobelpreis für Medizin. Er hat gemeinsam mit seinem Schüler Charles Best eine Entdeckung gemacht, die Millionen Menschen das Leben retten wird: Insulin.

    Schon im 18. und 19. Jahrhundert war bekannt, dass die Bauchspeicheldrüse in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit der Zuckerkrankheit steht.
    Aber erst den beiden Forschern aus Kanada glückte der Nachweis, welcher Stoff aus der Bauchspeicheldrüse für die Erkrankung verantwortlich ist.

    Banting und Best entnahmen aus dem Organ von Hunden und Kälbern Insulin, mischten einen Extrakt mit Alkohol und spritzten die Tinktur einem diabeteskranken Hund. Dessen Blutzuckerspiegel sank. Ein Jahr später injizierten sie das Heilmittel dem 14-jährigen zuckerkranken Leonard Thompson. Dank der Therapie überlebte der Junge.

    Die Sensation war perfekt.

    "Über die nächsten Jahrzehnte ist es zuerst geglückt diese Isolationsmethoden für Insulin zu verbessern und letztlich auch, Insulin biosynthetisch herzustellen, das heißt, das Insulin, das heute zur Verfügung steht, wird in Labors nachsynthetisiert."

    Prof. Michael Roden ist Direktor des Deutschen Diabetes Zentrums Düsseldorf. Wie der Körper Insulin herstellt und welche Funktion der Stoff hat, ist heute längst bekannt:

    "Insulin ist ein Hormon, das heißt ein Botenstoff und wird in einem speziellen Gewebe des Körpers in der Bauchspeicheldrüse, dem Pankreas, und zwar dort in ganz speziellen Zellen, den sogenannten Betazellen, produziert."

    Diese Betazellen sind ein Teil von "Zell – Inseln", die vereinzelt in der Bauchspeicheldrüse vorkommen. Die Hauptaufgabe der Bauchspeicheldrüse ist die Produktion von Verdauungssaft.
    Das Insulin wird zwar in der Bauchspeicheldrüse produziert,

    "...gelangt aber auch über den Blutweg zuerst in die Leber und von dort in den gesamten Körper. Überall im Körper gibt es Bindungsstellen, sogenannte Rezeptoren, an die das Insulin andockt, und danach in jeder Zelle, die solche Andockstellen besitzt, eine Reihe von Stoffwechselprozessen auslöst. Die Hauptzielorgane sind die Leber selbst, wo das Insulin auch abgebaut werden kann, dann das Fettgewebe und die Skelettmuskulatur. Darüber hinaus gibt es auch andere Gewebe und Organe, auch das Gehirn, und dort wirkt dann Insulin auf den Stoffwechsel."

    Was löst die Produktion von Insulin aus?

    "Die Betazelle, die das Insulin produziert, ist ein sehr exakt geregeltes Kraftwerk, indem es zum einen auf ein Signal anspricht, das ist der Blutzucker, die Glukose, in erster Linie, zum Teil auch auf andere Nahrungsbestandteile, nämlich auf Fettsäuren und auf Aminosäuren, also auf die Bestandteile von Eiweiß zum Teil auch auf andere Hormone, die wiederum die Insulinfreisetzung steuern, die im Darm produziert werden und gleichzeitig mit den Nahrungsbestandteilen zu dieser Betazelle gelangen. "

    Wie das funktioniert? Ein Beispiel: Abendessen in einem Seniorenstift. Neben Tomaten und Paprika werden Käse und Wurstbrote angeboten. Wurstbrote sind der heimliche Renner für die Bewohner des Heimes.
    Für den Körper sind Wurstbrote eine echte Herausforderung, ...

    "Denn das Wurstbrot besteht aus dem Brot, das sind Kohlehydrate, die im Darm in Zucker, in Glukose, Fruktose und andere Zuckerbestandteile zerlegt werden, aber die Wurst enthält auch Fett und Eiweiß, also es ist eine komplexe Ansammlung von Nahrungsstoffen, die in den Darm gelangen. Die werden schon im Darm umgebaut, in die einzelnen Bestandteile zerlegt, und gelangen dort dann letztlich ins Pankreas."

    Also in die Bauchspeicheldrüse.

    "Und die Inselzelle setzt daraufhin das Insulin frei, aber nicht nur das, gleichzeitig werden auch andere Hormone freigesetzt, und es werden im Darm bereits Darmhormone freigesetzt, die zum einen wiederum auf die Inselzelle wirken oder ganz weit weg ins Gehirn gehen und dort den Appetit steuern, sodass schon vor und unmittelbar während der Nahrungsaufnahme eine komplexe Reaktion eingeleitet wird, die den Stoffwechsel reguliert aber auch das Sattheitsgefühl und den Appetit."

    Nach dem Essen kann der Insulinspiegel schon mal auf 140 – 180 mg/dl ansteigen. Normalerweise liegt der Spiegel unter 100 mg/dl.
    Bei Diabetikern liegt er darüber und muss regelmäßig kontrolliert werden:

    Frühstückszeit bei Familie Horn. Marion Horn ist zuckerkrank.

    "Ich mess’ jetzt meinen Zucker, weil ich jetzt gleich frühstücke, muss ich vorher messen. ... Mit einer Stechhilfe piekse ich mir jetzt in den Finger, habe vorher den Teststreifen in das Gerät getan, und der saugt jetzt das Blut auf. Und dieses Gerät misst jetzt, wie hoch der ist. Das ist 150, das ist ein bisschen hoch."

    150 ist der gemessene Blutzuckerwert. Marion Horn möchte zum Frühstück ein Brötchen essen. Das, was der Körper beim gesunden Menschen automatisch reguliert, muss sie berechnen.

    "Ich sag’ immer, Diabetes ist eine Rechenkrankheit, wer gut rechnen kann, hat das auch immer im Griff. So. und jetzt werde ich spritzen. ... Das sieht aus wie ein Kuli. Zieh dann dort die acht Einheiten auf und stech’ mir die in den Bauch rein und zähle dann bis zehn, weil, ja, wie soll ich das jetzt erklären - dass auch alles in die Bauchdecke reingeht von dem Insulin."

    Die Patientin leidet an Diabetes Typ 2. Diabetes Typ 2 und Diabetes Typ 1 haben unterschiedliche Ursachen:
    Diabetes Typ1 ist eine Autoimmunerkrankung. Der Körper glaubt fälschlicherweise, die Betazellen sind ein Fremdkörper und zerstört sie.
    Das Ergebnis: Die Insulinproduktion fällt aus.
    Beim Typ2 Diabetes produzieren die Betazellen zunächst ganz normal Insulin aber die Andockstellen zum Beispiel in den Fettzellen funktionieren nicht. Eine Ursache ist das Übergewicht. Der Körper produziert immer weiter Insulin, weil der Blutzucker hoch bleibt. Das geht eine Zeit lang gut, aber irgendwann sind die Betazellen so erschöpft, dass sie kein Insulin mehr produzieren können.

    "Beim Typ 1 Diabetes werden ja die Insulin – freisetzenden Zellen zerstört, es fehlt also Insulin, ein absoluter Insulinmangel. Die einzige Therapie ist der Ersatz durch Insulin. Beim Typ 2 Diabetes ist der Defekt ja nicht primär die Insulinfreisetzung sondern die Insulinwirkung im Muskel- und Fettgewebe, das heißt, dort versucht man primär die Insulinwirkung zu verbessern, und dafür gibt es eine Reihe von Medikamenten, die man entweder als Medikament einnehmen kann, schlucken kann oder auch hormonartige Substanzen, die man wiederum ins Unterhautfettgewebe spritzt, die wirken dann ebenso im Sinne einer Insulinfreisetzung. "

    Vorbeugen ist besser als heilen - Diese Volksweisheit gilt mehr denn je beim Diabetes Typ 2. Denn sofern es sich nicht um den sehr seltenen Gendefekt handelt, der die Krankheit auch hervorrufen kann, heißt die Devise: Abnehmen und Sport.