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Radiolexikon Kater

Was war das wieder für ein schönes Geburtstagsfest! Nette Leute, gute Musik, lecker Essen und Trinken. Na gut, das Trinken gewann im Laufe des Abends Oberhand, wie viel Gläser Bier und Wein es waren, hat niemand gezählt. Wäre vielleicht aber sinnvoll gewesen, denn die Quittung kam nur Stunden später: Kopfschmerzen, flauer Magen, zittrige Hände - der nächste Morgen meldete sich mit einem ausgewachsenen Kater.

Von Mirko Smiljanic | 11.11.2008
    Köln, ein Brauhaus im Februar. Der Straßenkarneval tobt, das Bier fließt in Strömen, die Stimmung ist prächtig. Noch! Der Eine oder die Andere erreicht zwischen Schunkeln und Flirten mit Sicherheit aber einen Punkt, an dem er oder sie eines unbedingt tun sollte: keinen Alkohol mehr trinken! Aber wer achtet schon auf solche Spaßbremsen ...

    ... bei so viel freundlicher Aufforderung. Leider nur fällt für viele die Alkoholdosis zu hoch aus. Mancher liegt zu vorgerückter Stunde mit glasigen Augen in der Ecke, und wer es bis nach Hause schafft, erlebt am nächsten Morgen ein böses Erwachen: Der Schädel brummt!

    "Ja, das ist eines der Symptome, aber es gibt ja noch mehr, manche Leute fühlen sich zittrig, andere müssen sich erbrechen, man fühlt sich nicht so leistungsfähig, und fühlt sich einfach malad, es gibt eine Reihe von Symptomen, die sind bei jedem anders ausgeprägt, aber sie haben eindeutig was mit zu viel Trinken zu tun, ... ."

    ... sagt der Kölner Internist Dr. Ralf Fischbach und diagnostiziert messerscharf einen Kater. Der - um das gleich gerade zu rücken - hat nicht mit Katzen zu tun. Der Begriff "Kater" stammt aus der studentischen Umgangssprache des frühen 19. Jahrhunderts. Nach alkoholgeschwängerten Feiern litten die damaligen Studis - wie sie glaubten - an einem "Katarrh", also einer Entzündung der Atemwege. Die typischen Kater-Symptome haben zwar nichts mit Katarrh-Symptomen zu tun, trotzdem heißt alkoholbedingtes Unwohlsein seither Kater. Bis der eintritt, passiert aber eine Menge im Körper des Zechers. Zunächst wird viel Alkohol getrunken, ...

    " ... der wird abgebaut in der Leber von einem Enzym, das heißt Alkoholdehydrogenase, und beim Abbau des Alkohols entstehen Zwischenprodukte, das sind zum Teil toxische Stoffe, zum Beispiel das Acetaldehyd oder auch Formaldehyd, und Formaldehyd kennt jeder, ein bekanntermaßen toxischer Stoff, die entstehen beim Abbau des Alkohols, und diese Stoffe lassen uns am nächsten Tag insbesondere im Kopf sehr schlecht fühlen. "

    Entscheidend ist dabei die Menge des konsumierten Alkohols. Wer wenig trinkt, ein Glas Wein zum Essen etwa, baut ihn schon im Magen ab. Auch dort kommt das Enzym Alkoholdehydrogenase vor. Wer aber viel trinkt, lässt den Körper Schwerstarbeit leisten. Zunächst einmal gelangt der Alkohol in den Dünndarm, dessen große Resorptionsfläche für eine vollständige Aufnahme sorgt. Folge: Der Alkoholspiegel im Blut steigt rasant an. Das wiederum ruft die Leber auf den Plan, die den gesamten Stoffwechsel reguliert und unter anderem für den Abbau des Zellgiftes "Alkohol" zuständig ist. Weil die Abbauprodukte zumindest in größerer Konzentration ebenfalls giftig sind, meldet sich Stunden später der Kater. Dabei ist übrigens die Reihenfolge der Getränke unerheblich: Wein auf Bier, das rat ich Dir - Bier auf Wein, das lass sein, solche Weisheiten lassen sich zumindest biochemisch nicht beweisen.

    "Es ist insofern etwas dran, als wenn wir Sachen durcheinander trinken, haben wir schneller Kontrollverlust, wir wissen nicht mehr genau, wie viel habe ich eigentlich getrunken, ach, da war ja noch ein Cocktail dabei. Wenn man bei einer Sache bleibt, hat man einen relativ klaren Überblick über das, was man getrunken hat, ansonsten ist es eigentlich ziemlich egal, was man trinkt und in welcher Reihenfolge."

    Mit einer kleinen aber wichtigen Ausnahme. Es spielt zwar keine Rolle, in welcher Reihenfolge Wein und Bier getrunken werden, es spielt aber durchaus eine Rolle, ob Bier und Wein sauberen Alkohol enthalten. Es kommt immer wieder vor, ...

    " ... dass es beim Alkohol Verunreinigungen gibt, das hat man bei schlechten Weinen oder schlechten Schnäpsen, das sind diese sogenannten Fuselalkohole, die da drin sind, das machen natürlich per se schlechtes Empfinden und Kopfschmerzen, das heißt gute Sachen trinken ist besser als schlechte!"

    Fuselalkohole - manchmal wird auch von Fuselölen gesprochen - entstehen bei der alkoholischen Gärung als Nebenprodukt des Hefestoffwechsels und dienen als Träger von Aromastoffen. Fuselalkohole werden in der Leber zu Giftstoffen umgewandelt, die eine verminderte Herzleistung und eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff zur Folge haben. Bei sehr hohen Konzentrationen können Fuselalkohole zur Erblindung führen. Zu glauben, Getränke mit sauberem Alkohol schützen vor einem Kater, ist allerdings falsch. Die Menge macht's, viel sauberer Wodka kann auch zum Dröhnschädel führen. Allerdings lässt er sich mit ein paar Tricks zumindest abmildern. Da ist zunächst die volkstümliche These, fetthaltiges Essen vor dem Gelage mildere den Kater ab. Die These stimmt!

    "Wenn wir Alkohol trinken und vorher gut gegessen haben und eine fetthaltige Nahrung zu uns genommen haben, dann wird der Alkohol langsamer resorbiert im Darm, was zur Folge hat, dass wir in der Leber schon wieder einen Teil abbauen können. Das heißt, wir haben nicht so eine schnelle Anflutung und nicht so einen hohen Spiegel im Blut, insofern ist an dieser Weisheit etwas dran. Aber dann gibt es noch andere Maßnahmen, die viel wichtiger sind, dass wir ausreichend Wasser trinken, also freie Flüssigkeit. Die Hauptsymptomatik beim Kater kommt durch eine Flüssigkeitsverarmung im Körper zustande. Der Alkohol holt nämlich mehr Flüssigkeit aus dem Körper raus, als wir damit zuführen. Und dass es eigentlich das Hauptsymptom, mit dem die Ärzte dann zu tun haben."

    Ob sich ein Kater einstellt oder nicht, hängt aber auch davon ab, wie viel Alkohol jemand verträgt. Und da spielt die Leber eine entscheidende Rolle: Je mehr Alkohol sie über die Jahre abbaut, desto besser ist ihre Leistung, desto geringer ist das Risiko eines Katers. Der Arzt und Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen bringt es in seinem gleichnamigen Buch so auf den Punkt" "Die Leber wächst mit ihren Aufgaben". Diese Trainierbarkeit der Leber, erinnert sich der Internist Dr. Ralf Fischbach, haben russische Mediziner in früheren Zeiten brachial ausgenutzt.

    "Man hat früher in Russland, das ist eine ziemlich archaische Methode, ich hab das Studium gelernt, das es jetzt möglicherweise nicht mehr aktuell, es gibt so eine Gelbsucht der Kinder, der Neugeborenen, die dadurch zustande kommt, dass die Leber nicht in der Lage ist, bestimmte Stoffe im Blut abzubauen, und das haben die Ärzte in Russland damals mit Alkohol behandelt, das heißt, man hat den Neugeborenen Alkohol gegeben, weil dadurch der Abbauweg in der Leber trainiert wurde, damit auch der Abbau dieser Stoffe schneller geht, ich denke, dies ist kein etabliertes Verfahren, aber es erklärt recht gut, das, was Sie gesagt haben, man kann es trainieren, das ist in der Tat so!"

    Wobei die Trainingseffekte bei Männern und Frauen sehr unterschiedlich sind, weil sie Alkohol in unterschiedlichem Maße verarbeiten. Zunächst einmal haben Frauen einen höheren Anteil von Fett- im Vergleich zum Muskelgewebe. Weil Fettgewebe Alkohol speichert, wird das Zellgift auch kontinuierlich ins Blut abgegeben. Weiterhin ist bei Frauen das im Magen vorhandene Enzym Alkoholdehydrogenase weniger aktiv, als bei Männern. Weitaus dramatischer ist aber diese Zahl.

    "Frauen haben exakt fast nur die Hälfte des verantwortlichen Enzyms in der Leber, nämlich die Alkoholdehydrogenase, und dieses Enzym ist hauptsächlich verantwortlich für den Abbau des Alkohols, zu 90 Prozent, das heißt, Frauen vertragen per se weniger Alkohol, auch wenn es denen nicht gefällt, aber es ist einfach so!"

    Bleibt zum Schluss die Frage, was denn zu tun ist, wenn der Kater sich doch einstellt - trotz aller Vorsichtsmaßnahmen oder weil die Vorsichtsmaßnahmen schlicht ignoriert wurden.

    "In der Medizin ist immer die Prophylaxe das beste, wenn man aber einen Kater hat und diese Maßnahmen nicht zustande kam, würde ich empfehlen, viel freie Flüssigkeit, also Tee oder Mineralwasser, zu sich zu nehmen, ich würde empfehlen ein Elektrolytpräparat einzunehmen, das Kalium und Magnesium enthält, die gibt es in jeder Apotheke und in jedem Supermarkt. Diese Stoffe, diese Elektrolyte, werden mit der vermehrten Flüssigkeitsausscheidung aus dem Körper ausgeschieden und sind auch für einen Teil der Symptome verantwortlich. "

    Ein bis drei Tage kann der Kater bleiben, ärztliche Behandlung benötigt er in aller Regel nicht.

    "Zum Arzt gehen muss man nur, wenn man ein unstillbares Erbrechen hat oder irgendwelche Symptome, wie ernsthaft sind, bei einem möglichen Kater nicht."

    Und wer mal einen katerlosen Karneval erleben will, sollte einfach nach drei Kölsch auf alkoholfreies Bier umsteigen - das schmeckt mittlerweile ganz gut!