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Radiolexikon: Meniskusriss

Keine Bundesligasaison, in der nicht Spieler mit einem Meniskusriss vom Mannschaftsarzt in die Zwangspause geschickt werden. Eine typisches Fußballerleiden ist der Meniskusriss allerdings nicht - beim Skifahren kommt er immer wieder vor, aber auch beim Handball. Es ist eine sogenannte Dreh-Sturzverletzung, die zwar schmerzhaft ist, mittlerweile aber recht gut behandelt werden kann.

Von Mirko Smiljanic | 05.05.2009
    Handball ist ein schneller Sport, und ein harter sowieso. Bei schlechten Hallenböden steigt das Risiko von Blessuren und Prellungen, Sportmediziner und Physiotherapeuten können ein Lied davon singen. In einigen Vereinen liegt Handball in der Verletztenstatistik mittlerweile vor Fußball. Besonders kritisch ist es für untrainierte Freizeitsportler.

    "Eigentlich bin ich Schwimmerin von Haus aus, habe mich aber durchgerungen, noch ein klein wenig Handball zu spielen."

    Das hätte sie sich gut überlegen sollen. Bei einem Freundschaftsspiel ging es in der 20. Minute etwas hektisch zur Sache - dann passierte es.

    "Ich bin dann mit dem Rücken zum Tor, will mich umdrehen und bin dann irgendwie mit dem Fuß am Boden hängen geblieben, und da habe ich mir bei diesem Wurf das Knie verdreht."

    Das hört sich nicht gut an und sah nach wenigen Minuten auch gar nicht gut aus.

    "Es ist auch geschwollen, wie Sie sehen, ziemlich dick, ... "

    ... mit schmerzverzerrtem Gesicht sitzt die Freizeithandballerin auf einer Liege, während Dr. Thorsten Schiffer, Leiter der Sporttraumatologischen Ambulanz der Deutschen Sporthochschule Köln vorsichtig das linke Knie abtastet.

    "Konnten Sie denn unmittelbar danach sich bewegen oder waren Sie raus aus dem Sport?

    Es tat am Anfang ein bisschen weh, ich habe dann noch versucht, weiterzumachen, aber ich hatte den Eindruck, dass es ein bisschen wackelig ist, also nicht so ganz stabil.

    Haben Sie sich dann versorgt, haben Sie ein Schmerzmedikament genommen oder einen Verband dran gemacht?

    Ja, ich habe gleich mit Eis gekühlt, aber habe dann festgestellt, dass es doch besser ist, wenn ich nicht mehr weiter spiele."

    Eine richtige Entscheidung. Jede weitere Bewegung hätte große Schmerzen verursacht, die Schwellung angeheizt und den verletzten Meniskus möglicherweise weiter geschädigt. Als erfahrener Sporttraumatologe vermutet Schiffer genau dort das Problem. Der Meniskus ist gerissen!

    "Der Meniskus ist ein Hilfsgebilde im Kniegelenk. Er hat viele Funktionen, aber eine wichtige ist, er hat eine Stoßdämpferfunktion zwischen dem Oberschenkel und dem Unterschenkel, er hilft das Kniegelenk zu stabilisieren und auch über die Lage des Gelenks im Raum eine Information zu geben."

    Die Menisken sind halbelastische, gebogene Scheiben aus Knorpel, die neben der Stabilisierung des Kniegelenks für eine optimale Druckverteilung zwischen den Gelenkflächen sorgen. Außerdem verteilen sie die Kniegelenksflüssigkeit gleichmäßig, sind also für eine reibungslose Bewegung verantwortlich. Menisken können bei Sport-, Berufs- oder Verkehrsunfällen reißen, wobei Scherkräfte - also heftiges Drehen des Kniegelenks bei gleichzeitig fixiertem Unterschenkel - Auslöser für die Verletzung sind. Unabhängig davon reißen Menisken immer wieder durch altersbedingten Verschleiß. Sind die Verletzungen des Meniskus klein, treten die Beeinträchtigung mitunter erst Jahre später auf.

    "Grob kann man sagen, es gibt vertikale und horizontale Risse, radiäre Risse, wobei noch wichtiger ist für die spätere Therapie, ob die basisnah liegen in einem gut durchbluteten Areal oder eben in einem nicht gut durchbluteten Areal, weil das Ziel der Therapie ist es eigentlich, den Meniskus zu erhalten."

    Vor 20, 30 Jahren sah das noch ganz anders aus. Gerissene Menisken wurden in offenen Operationen entfernt mit der Folge, dass die Puffer- und Stützfunktion wegfiel. Das wiederum führte wenige Jahre später regelmäßig zu einer Arthrose des Kniegelenks, also zu einer chronischen und schmerzhaften Abnutzung des Gelenkknorpels. Kein Wunder, dass das Magazin "Kicker" in den 70er-Jahren vom Meniskusriss als Schrecken aller Fußballer schrieb. Mittlerweile haben Sportmediziner und Chirurgen umgedacht. Es hat sich ...

    " ... in den letzten Jahren eigentlich etabliert, dass man versucht, jeden Meniskus zu retten. Also, wenn es irgendwie möglich ist, wenn es irgendwie Sinn macht, versucht man einen Meniskus zu nähen, wenn das nicht möglich ist, würde man sparsam den Riss entfernen, damit er nicht weiter einreißen kann und den Meniskus nicht weiter schädigen kann. Wenn ein Meniskus nicht zu erhalten ist, weil er traumatisch so stark geschädigt ist, gibt es natürlich noch weitere Möglichkeiten, wie man die Therapie noch weiter fortführen kann, man kann ein Kunststoff-Collagenflies, das muss man sich wie ein Schwämmchen vorstellen, an die Stelle des alten Meniskus einnähen, und man erhofft sich, dass dann körpereigene Zellen in dieses Schwämmchen einwachsen und einen Ersatzmeniskus herstellen. Das funktioniert auch, ist aber sehr teuer und wird auch von keiner Kasse im Moment übernommen."

    Weiterhin lassen sich Menisken von Verstorbenen transplantieren. Das Infektions- und Abstoßungsrisiko ist dabei vergleichsweise gering, allerdings muss die Knorpelscheibe perfekt passen, schon aus diesem Grund wird diese Behandlung eher selten angewandt.

    "Legen Sie sich einfach mal auf die Liege, ich werde das jetzt mal zusammendrücken, ja, und hier haben wir so eine Tanzende Patella, an dieser Stelle hier, tut Ihnen das weh?

    Genau da, ja!

    Das ist der innere Kniegelenkspalt, das ist relativ häufig, hier ist es okay?
    Das geht."

    Meniskusrisse sind äußerst unangenehm und ziehen den Patienten je nach Schwere der Verletzung für Wochen aus dem Verkehr - oder vom Sportplatz. Das Verletzungsrisiko sinkt übrigens erheblich durch eine ausreichend lange Aufwärmphase vor der sportlichen Belastung.

    "Ich werde jetzt mal einige Stabilitätstests machen, dafür muss ich ein wenig drücken. Ich mach das jetzt erst mal an der Außenseite, ja, das ist stabil, dann machen wir genau das Gleiche auf der Gegenseite."

    Thorsten Schiffer, Leiter der Sporttraumatologischen Ambulanz der Deutschen Sporthochschule Köln, führt noch einige Untersuchungen am Knie seiner Patientin durch, dann muss sie in einen anderen Raum humpeln.

    "Wir werden jetzt auf jeden Fall ein MRT veranlassen, um festzustellen, ist es jetzt tatsächlich der prognostizierte Meniskusriss, und wenn er es ist, müssen wir eine Zuweisung zu einem versierten Kniechirurgen machen, der dann seine Therapien, wie wir sie gerade besprochen haben, durchführen kann."

    Und was sagt die Freizeitsportlerin? Was man in einer solchen Situation immer sagt: Nie wieder Handball!

    "Das hat man davon, wenn man einmal Handball spielt ..."