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Radiolexikon: Myome

Myome sind gutartige Geschwulste der Gebärmuttermuskulatur, die bei fast allen Frauen vorkommen, die sich im gebärfähigen Alter befinden. Während die meisten nicht behandlungsbedürftig sind, können manche Myome massive Beschwerden verursachen.

Von Justin Westhoff | 06.03.2012
    Fortpflanzungsorgane: Gebärmuttermyom
    Fortpflanzungsorgane: Gebärmuttermyom (picture alliance / dpa / Wissen Media Verlag)
    Sie sind manchmal nur ein paar Millimeter groß, andere erreichen aber auch die Größe einer Honigmelone. Bei einigen Frauen verursachen sie erhebliche Schmerzen und Beschwerden, sehr viele aber wissen gar nicht, dass sie so etwas haben: Myome.

    "Myome sind gutartige Geschwulste der Gebärmuttermuskulatur, die ja bei fast allen Frauen – wir sprechen von 50 bis 70 Prozent – vorkommen, die sich im gebärfähigen Alter befinden, also zwischen 20 bis 50 Jahren."

    Myome sind zwar das häufigste Frauenleiden, aber die meisten sind nicht behandlungsbedürftig, betont Professor Matthias David, Leiter der interdisziplinären Myomsprechstunde an der Berliner Charité. Das hängt von den Beschwerden ab und die wiederum davon, wo das gutartige Geschwulst sitzt:

    "Myome, die außen auf der Gebärmutter sitzen, die machen eigentlich keine Beschwerden, ganz, ganz selten, wenn sie sehr groß sind, dann können sie mal auf die Blase drücken. Dann gibt es die intramuralen Gebärmuttermyome, die sitzen also in der Gebärmutterwand. Die können die typischen Myombeschwerden machen wie eben Blutungsbeschwerden, auch manchmal Schmerzen beim Verkehr; Und dann gibt es die dritte Gruppe, die zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Gebärmutterhöhle sich befinden so wie ein Polyp, sind auch nicht sehr groß, manchmal zwei, drei Zentimeter nur, trotzdem wirken sie sich auch dadurch aus, dass sie starke Monatsblutungen, eben auch schmerzhafte Blutungen hervorrufen."

    Über die Entstehung der Myome ist noch wenig bekannt. Man weiß, dass die Wucherungen hormonabhängig sind und dass auch genetische Faktoren eine Rolle spielen. Bei anderen, zeitweise recht populären Ursachen-Hypothesen winkt Matthias David ab:

    "Sowohl die Stresshypothese, als auch dass besondere Ernährung, beispielsweise Fleisch oder nicht-mediterrane Ernährung, Myome insbesondere verursachen oder mit verursachen könnten, das hat sich sowohl in der täglichen Erfahrung als auch in Studien nicht bestätigt."

    Als sicher gilt dagegen, dass Übergewicht Myome fördern, dass aber eine Schwangerschaft davor schützen kann. Wenn eine Schwangere jedoch bereits Myome hat, kann das zu Komplikationen führen, da die Wucherungen quasi mit dem Embryo um den Platz in der Gebärmutter "konkurrieren" können.

    Als Therapie der Wahl bei Myomen galt lange Zeit die radikale Gebärmutterentfernung. Längst gibt es schonendere Behandlungen:

    "Wünschenswert ist, dass man der Frau individualisierte Therapie anbietet, wir haben letztendlich drei Säulen: Erstens die Operation, da gibt es auch noch verschiedene Möglichkeiten, zweitens die Behandlung mit Medikamenten, die ist sehr eingeschränkt, und drittens gibt es eben die nicht-operativen Maßnahmen, die die Radiologen durchführen, also fokussierten Ultraschall und die Embolisation."

    Für die letztgenannten Behandlungsformen sind "interventionelle
    Radiologen" zuständig, an der Charité Dr. Thomas Kröncke. "Embolisieren" heißt: einen künstlichen Gefäßverschluss schaffen. Dazu wird eine Substanz über einen Katheter zu den Blutgefäßen der Myome geschickt:

    "Das sind in der Regel kleinste Plastikkügelchen, sandkorngroß, die mit dem Blutstrom eingespült werden in diese Blutgefäße der Myome und die dann steckenbleiben, einfach dadurch, dass sich die Blutgefäße immer mehr verjüngen, kleiner werden, und alles was dahinter liegt, das ist nicht mehr durchblutet, stirbt ab und wird vom Körper dann umgebaut. Und das ist das Ziel dieses Ganzen, dass wir die Blutversorgung kappen."

    Dadurch schrumpfen die Myome nach einigen Wochen von selbst: Ein wesentlicher Vorteil dieser Methode liegt auf der Hand: Keine OP heißt: keine Narkose, kein Schnitt, keine Narben.

    "Der zweite große Vorteil ist, dass Patientinnen sich sehr schnell wieder erholen nach diesem Eingriff, und der dritte ist, dass es Gebärmutter erhaltend ist. Nun kann man sagen, auch operative Gebärmutter erhaltende Verfahren sind möglich, das heißt Herausschälen von Myomen, das geht aber nur bei einer bestimmten Maximalzahl von Myomen. Und oft ist es so, dass die Gebärmutter mit vielen Myomen übersät ist, und die meisten Frauen kriegen deshalb auch als Empfehlung eine Gebärmutterentfernung. Und da schließt sich so ein bisschen der Kreis, denn die Patientinnen haben Beschwerden, wollen aber ungern, dass die Gebärmutter entfernt wird. Und wir bieten eben einen Gebärmutter erhaltenden Eingriff und das auch noch bei Patientinnen, egal welche Zahlen von Myomen vorliegen."

    Aber selbstverständlich ist auch die Myomembolisation nicht ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen. In den ersten Tagen nach der Behandlung treten häufig Schmerzen auf, und in seltenen Fällen kann es zu Entzündungen kommen. Ansonsten:

    "Dass wir während des Eingriffs irgendwas verletzen, ist nahezu ausgeschlossen. Andererseits, diese Embolisationsverschlussstoffe sind Kügelchen, und es kann theoretisch auch sein, dass solche Kügelchen mal einen anderen Weg nehmen. Die Gebärmutterarterie hat einen Abzweig, der geht Richtung Eierstock, da wollen wir keine Kügelchen hinhaben, man kann es aber nicht grundsätzlich ausschließen, dass das passiert, und so kann als Nebenwirkung auftreten – eine Komplikation ist es eigentlich nicht –, dass die Durchblutung des Eierstocks verschlechtert wird, und dass möglicherweise eine Patientin, die nahe die Wechseljahren ist, vorschnell in die Wechseljahre kommt. Das gilt eigentlich nicht für jüngere Patientinnen."

    Die Strahlenbelastung – immerhin wird ja unter Röntgensicht gearbeitet – ist bei den modernen Geräten kein Problem. Überhaupt keine Strahlenbelastung verursacht die zweite radiologische Therapie mit fokussiertem Ultraschall, bei der Myome durch einen gezielten Wärmestrahl zerstört werden. Das wird mittels Magnetresonanz kontrolliert, um kein gesundes Gewebe zu beschädigen. Doch obwohl sich die radiologischen Methoden schon viele Jahre bewährt haben, empfehlen viele Ärzte immer noch die Operation, meist eine Gebärmutterentfernung. Der Radiologe Dr. Thomas Kröncke von der Charité findet das bedauerlich.

    "Das ist weniger begründet durch die Literatur oder die Ergebnisse des Verfahrens, sondern mehr dadurch, dass wir darauf angewiesen sind, dass die Patientinnen informiert sind oder aber die Zuweiser. Das sind in der Regel die Frauenärzte, und die Frauenärzte haben zwar in die letzten Jahren auch Kenntnis genommen von diesem Verfahren, aber aus unserer Sicht noch zu wenig Anstrengung unternommen, um Patientinnen diese Möglichkeit auch darzulegen."

    Bei allen Behandlungsmethoden – außer bei der radikalen Gebärmutterentfernung – besteht die Gefahr, dass die Myome wieder kommen, korrekter gesagt: dass wieder neue entstehen. Erst nach dem Durchlaufen der Wechseljahre schrumpfen sie dann von alleine und verschwinden für immer. Deshalb ist das "kontrollierte Abwarten" ebenfalls eine Methode, damit umzugehen. Für Professor Matthias David von der Gynäkologischen Klinik der Charité gibt es ein oberstes Gebot:

    "Wenn man Myome findet, und die findet man bei genauerem Suchen eben doch in einer großen Häufigkeit, dann muss man zuerst immer fragen, haben diese für die einzelne Patientin einen Krankheitswert."