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Radiolexikon Pseudokrupp

Pseudokrupp ist eine "echte" Kinderkrankheit und keine "Erfindung" allzu besorgter Eltern, wenn die erkälteten Kleinen mal etwas heftiger husten

Von Andrea Westhoff | 07.12.2010
    "Unsere Tochter hatte den ersten Anfall mit drei Jahren, und angefangen hat es mit Heiserkeit, dann bellender Husten, am zweiten Abend kam auch noch die Atemnot dazu. Sie wurde blau und ich geriet echt in Panik. Wir sind dann ins Kinderspital gefahren und mussten auch dort bleiben. In dieser Nacht hatte die Kleine noch drei weitere Anfälle."

    Schreibt eine Mutter in einem Internetforum für Eltern. Und eine andere:

    "Mein Sohn, 13 Monate, hatte seit einer Woche immer wieder mal Fieberschübe und diesen trockenen Husten. Der Kinderarzt sagte, das sei Pseudokrupp und verschrieb mir zusätzlich ein Cortisonzäpfchen für den Notfall bei Atemnot. Das hat auch geholfen, aber nach zwei Tagen ging es schon wieder los. Ist das ein normaler Krankheitsverlauf? Wie lange dauert so was? Kommt das jetzt immer wieder? Und wie bekommt man überhaupt Pseudokrupp?"

    "Es ist eine Erkrankung, die überwiegend Säuglinge, Kleinkinder betrifft, es ist eine entzündliche Erkrankung, die oberhalb des Kehlkopfes liegt, die typischen Symptome treten typischerweise nachts auf: das ganz Klassische ist, die Kinder wachen aus dem Schlaf auf, haben trockenen bellenden Husten, Atemnot, können ein bisschen Fieber dabei haben, müssen sie aber nicht."

    Erklärt Dr. Stephan Henning von der Kindernotfallambulanz der Berliner Charité. Pseudokrupp ist eine "echte" Kinderkrankheit und keine "Erfindung" allzu besorgter Eltern, wenn die erkälteten Kleinen mal etwas heftiger husten:

    "Also das ist sicher jetzt nicht eine hysterische oder übertriebene Schilderung von Eltern, und jeder Kinderarzt, der in einer Kinderrettungsstelle gearbeitet hat, kann davon ein Lied singen. Weil diese Kinder im Winter an der Tagesordnung sind, also als Krankheitsbild existieren tut es mit Sicherheit."

    Ärzte sprechen auch lieber vom "Krupp-Syndrom", worunter verschiedene Krankheitsbilder mit ähnlichen Symptomen verstanden werden. "Krupp" kommt übrigens von dem schottischen Wort croup, was "Heiserkeit" bedeutet. So hatte der Arzt Francis Home aus Edinburgh im 18. Jahrhundert die Diphtherie bezeichnet.

    Pseudokrupp tritt vor allem in der Erkältungssaison, im Herbst und Winter auf und kann manchmal mit einem grippalen Infekt verwechselt werden.

    "Der Übergang ist fließend. Also es gibt sicherlich Kinder, die sehr sehr empfindlich auf Irritationen in den oberen Atemwegen reagieren und bei einem banalen Infekt der oberen Luftwege auch mit Hustenattacken reagieren, aber die typischen Symptome von so einem Kruppsyndrom, die sind eigentlich kaum zu übersehen."

    Als Ursache vermutete man in den 1980er-Jahren des vorigen Jahrhunderts die zunehmende Umweltverschmutzung durch Industrieabgase.

    "Die ganz genauen Auslöser kennt man nicht, verwunderlich, weil es eine häufige Erkrankung ist, aber diskutiert werden sowohl virale Infektionen, das erklärt ein bisschen, warum kleinere Kinder davon häufiger betroffen sind, einfach weil deren Immunsystem sich noch ausbilden muss und sie auch vielen Keimen ausgesetzt sind, neben einer infektiösen Genese werden aber auch Umwelteinflüsse, Außentemperatur, Rauchen im Haus diskutiert, bewiesen ist davon nichts."

    Ein Pseudokrupp-Anfall kann allen Beteiligten ziemlich Angst machen. Aber einen dramatischen Verlauf nimmt die Krankheit nur äußerst selten, betont der Kinderarzt. Eltern sollten ruhig und pragmatisch vorgehen:

    "Die erste Maßnahme, die man treffen sollte, ist, dass man das Kind hochnimmt und versucht, es zu beruhigen, man kann das Fenster öffnen, kalte frische Luft hilft häufig, wobei es dafür keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt, man kann auch versuchen, die Luft etwas anzufeuchten, Kinder ins Badezimmer nehmen, Dusche anmachen, und beruhigen."

    Wenn das aber nicht hilft, insbesondere wenn die Atemnot länger anhält, müssen die Kinder in eine Klinik gebracht werden.

    "Von ärztlicher Seite gilt erstens im Sinne von Beruhigung: keine unnötigen Maßnahmen wie irgendwelche unnötigen Blutentnahmen, die braucht es in dem Moment eigentlich nicht, was sicher das Medikament schlechthin für die Behandlung ist, ist einerseits Kortison, in dem Alter zu applizieren als Zäpfchen, wobei man wissen muss, dass das Kortison ungefähr eine halbe Stunde braucht, bis es wirkt, es verhindert aber ein weiteres Zuschwellen, Anschwellen der Atemwege, und eine Inhalation mit einem Adrenalingemisch."

    Kortison für Kleinkinder – auch da bekommen viele Eltern Angst. Aber Stephan Henning fügt gleich hinzu:

    "Man kann die Eltern insofern beruhigen, dass eine Einmalgabe von Kortison mit wenig Nebenwirkungen und auch nicht mit diesen Nebenwirkungen behaftet ist, die man landläufig kennt."

    In Internetforen zeigen sich Eltern von "Krupp-Kindern" oft sehr vernünftig – und auch kreativ bei der Selbsthilfe:

    "Die ersten drei Krupp-Anfälle habe ich alleine mit Spongia-Globuli "gemeistert", aber darüber mache ich mir inzwischen starke Vorwürfe: Es hat jedes Mal mindestens zwei Stunden gedauert, bis unser Sohn wieder normal geatmet hat, und nach dem dritten Anfall hat er sich vier Wochen lang geweigert abends ins Bett zu gehen, aus Angst vor einem neuen Anfall! Die letzten beiden Anfälle waren mit den Kortison-Zäpfchen nach ziemlich genau einer Stunde vollständig vorbei und am nächsten Morgen fast vergessen."

    Unser Ritual geht so: Ich habe meinen Sohn immer in eine Decke gehüllt und mich mit ihm vor den offenen Kühlschrank gesetzt. Er hat die kalte Luft eingeatmet und mir gleichzeitig erzählt, was alles in unserem Kühlschrank drin ist. Es hat nie lange gedauert, bis ich ihn wieder in sein Bett legen konnte.
    Auf keinen Fall sollten Eltern mit ätherischen Ölen zu Werke gehen, um dem Kind das Atmen zu erleichtern, warnt der Kinderarzt:


    "Gerade Kleinkinder in einer Situation maximaler Erregung, wenn sie Luftnot haben, da ist die Gefahr, dass irgendwas auch aspiriert wird, weil man irgendwas oral verabreicht, das sollte man das nicht tun."

    "Wenn die Atemnot nach 30 Minuten nicht deutlich besser geworden ist, fahren wir doch in die Kinderklinik, Oftmals hat aber schon die Autofahrt mit offenen Fenstern die Atemnot stark gebessert, sodass ich mir in der Klinik manchmal ein bisschen blöd vorkomme, weil er dann wieder ganz gut atmet – aber die Schwestern und Ärzte kennen das anscheinend schon."

    In der Tat ist bekannt, dass Pseudokrupp-Anfälle manchmal so plötzlich wieder aufhören, wie sie gekommen sind. Anderseits ist es oft mit einem Anfall nicht getan, warnt Dr. Stephan Henning von der Kindernotfallambulanz der Charité.

    "Was man wissen muss, ist, dass es in der darauffolgenden Nacht häufiger wieder kommt, das sagen wir den Eltern auch immer, und man muss wissen, wenn man das medikamentös therapiert mit einer Adrenalininhalation, dass es da so einen Reboundeffekt gibt, dass nach ein, zwei, drei Stunden es noch mal auftreten kann."

    Und deshalb fügt er hinzu:

    "In der Regel empfehlen wir schon, wenn es nicht unter Beruhigen, Fenster öffnen, also quasi physikalischen Maßnahmen abklingt, dann sollte das Kind eigentlich schon dem Kinderarzt vorgestellt werden."

    "Als unser Sohn in die Vorschule kam, war es vorbei mit den Anfällen und wir waren sehr, sehr erleichtert - nun konnten wir endlich wieder die Nacht in Ruhe durchschlafen."