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Radiolexikon Rippenfellentzündung

Es gibt Krankheiten, die fast immer als Folge anderer, primärer Leiden auftreten. Die Rippenfellentzündung zählt dazu: Ohne Lungenentzündung wäre sie im Medizinbetrieb eine Rarität. Wer beim Atmen höllische Schmerzen hat und sich fühlt, als ob die Lunge mit Schmirgelpapier bearbeitet würde, bei dem kann es sich um eine Rippenfellentzündung handeln.

Von Mirko Smiljanic | 15.09.2009
    Es war die Hölle: Hohes Fieber und starker Husten plagten den Patienten, er fühlte sich kraftlos und krank. Verdacht auf Lungenentzündung, diagnostizierte sein Internist, dem dann auch noch das eigentümliche Atmen des Patienten auffiel: flach und ausweichend, als ob ihm das Luftholen starke Schmerzen bereitete. Auf Nachfrage zeigt der Kranke dann auf die rechte Seite des Oberkörpers, da tue es ihm sehr weh, als ob jemand an der Lunge kratzt. Verdacht auf Rippenfellentzündung, sagte der Doktor, mit beidem, mit der Lungen- wie der Rippenfellentzündung, lag er richtig.

    "Die Lunge ist ein eigenständiges Organ, das im Brustraum untergebracht ist. Damit beim Ein- und Ausatmen entsprechend Luft in die Lunge fließen kann, muss es sich ausdehnen und es muss ein Entlanggleiten über die Brustwand möglich sein. Aus diesem Grund ist zwischen der Lunge und der Thoraxwand das Rippenfell, eine sehr dünne Schicht von einer bestimmten Zellkonfiguration, die es ermöglicht, dass hier schmerzfrei die Lunge auf den Rippen entlanggleiten kann bei jedem Einatmen, bei jedem Ausatmen, bei jedem Husten,"

    sagt Dr. Rolf Schaefer, Internist und Oberarzt an der Klinik für Geriatrie des Marien-Krankenhauses in Bergisch Gladbach.

    Sowohl die Lunge als auch der Brustkorb sind von einer dünnen Zellschicht umgeben, der Pleura. Beim Brustkorb ist es das Rippenfell, bei der Lunge das Lungenfell. Dazwischen befindet sich ein winziger Spalt, der sogenannte Pleuraraum. Dieser Spalt wiederum ist mit Flüssigkeit gefüllt, die dafür sorgt, dass beim Ein- und Ausatmen beide Häute ohne Probleme, das heißt ohne Reibung, aneinandergleiten. Ein geniales Prinzip, das in der Technik tausendfach kopiert wird.
    Der Begriff "Fell" darf in diesem Zusammenhang übrigens nicht wörtlich genommen werden, es ist eher vergleichbar mit der Schleimhaut im Mund.

    "Auch hier haben wir eine glatte Oberfläche, die den Mundraum vor Verletzungen schützt, die den Mundraum feucht hält, um ein angenehmes Milieu zu schaffen, vergleichbar ist es an der Lunge und an der Brustwand. Auch hier haben wir so eine dünne Schleimhaut, wie wir Mediziner sagen, die ein klein wenig Flüssigkeit produziert jeden Tag und durch diesen ganz feinen Flüssigkeitssaum es wunderbar aufeinander hergleiten kann."

    Vorausgesetzt, die dünnen Zellschichten sind intakt.

    "Im Rahmen der Lungenentzündung ist die Lunge ja betroffen und erkrankt. Wenn die Lungenentzündung eher in der Peripherie, also im Randbereich der Lunge, stattfindet, kann es auch zu einem Überspringen kommen und die Lungenentzündung greift auf das Rippenfell über."

    Eine Rippenfellentzündung beziehungsweise Pleuritis tritt fast immer als Komplikation anderer, primärer Erkrankungen auf. Entweder als Entzündung bereits bestehender Krankheitsherde, einer Lungenentzündung etwa, einer Bronchitis oder einem Lungentumor; oder aber die Erreger – fast immer Bakterien, selten Viren – stammen von weiter entfernten Entzündungsherden, Rheuma und Typhus zum Beispiel lösen mitunter ebenfalls Rippenfellentzündungen aus. Weiterhin können sich Tumore und krankhafte Prozesse aus dem Bauchraum und dem Becken bis in den Brustraum ausweiten und zu einer Pleuritis führen.

    Die Symptome der Rippenfellentzündung ähneln zunächst einmal den Symptomen der Lungenentzündung: ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl, Fieber, Abgeschlagenheit, Husten. Springt die Entzündung von der Lunge auf das Rippenfell über, kommt es zudem zu ausgeprägten Schmerzen im Brustkorb. Patienten haben das Gefühl, als ob die Lunge über Schmirgelpapier gleitet.

    "Auf der einen Seite also Schmirgelpapier, auf der anderen Seite eine glatte Struktur, und das macht eine ausgeprägte Schmerzsituation. Es wird dementsprechend zu einer Schonatmung kommen, das heißt, der Patient kann nicht mehr richtig ein- und ausatmen, er wird flach atmen, und erst im weiteren Verlauf, wenn das Krankheitsbild fortgeschritten ist, wird der Körper darauf reagiert haben mit einer vermehrten Wasserbildung, das heißt, der Wasserfilm, der so schon normalerweise zwischen den Blättern liegt, wird mehr werden, und damit werden auch die Schmerzen etwas verschwinden. Das Krankheitsgefühl, das Fieber und der Husten, die werden unverändert bleiben","

    sagt Dr. Rolf Schaefer. Rippenfellentzündungen können trocken oder feucht sein. Die trockene Variante äußert sich durch stechende Schmerzen beim Atmen in der betroffenen Brusthälfte oder im Rücken, außerdem leiden die Patienten unter einem trockenen Reizhusten ohne Auswurf. Bei der feuchten Rippenfellentzündung dagegen bildet sich zwischen dem Rippen- und dem Lungenfell ein sogenannter Pleurarerguss, durch den die Schmerzen zunächst einmal verschwinden. Je nach Menge der Flüssigkeit kommt es aber zu einem Druckgefühl in der Brust und zu Atemnot.

    Ein größerer Erguss führt zu einer auffälligen Gewichtszunahme. Betroffen sind überwiegend ältere Menschen, was aber eher etwas mit der schlechteren Immunabwehr alter Patienten zu tun hat: Sie erkranken häufiger an Lungenentzündungen und in der Folge häufiger an Pleuritis. Grundsätzlich kommen Rippenfellentzündungen auch bei jungen Patienten vor. Die Therapie einer Rippenfellentzündung zielt in erster Linie auf die Behandlung der Grunderkrankung.

    "" Das heißt, die Gabe von Antibiotika steht sicherlich an erster Stelle. Es muss geschaut werden, dass der Patient insbesondere aufgrund der Fiebersymptomatik ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt. Hier reicht es vollkommen aus, wenn er selber genug trinken kann, eine stationäre, sprich Krankenhausbehandlung, oder Flüssigkeitsgabe in die Vene ist nicht direkt erforderlich. Wenn er hustet und wenn er das Gefühl hat, dass da nichts rauskommt, kann noch eine schleimlösende Medikation ergänzend durchgeführt werden."

    Grundsätzlich sollte bei der Behandlung von Rippenfellentzündungen darauf geachtet werden, dass sich keine Verwachsungen oder Verschwartungen bilden. Die Betroffenen müssen trotz des Schmerzes ausreichend tief durchatmen. Ist das nicht möglich, setzen Mediziner Atemgymnastik zur unterstützenden Behandlung ein. Sinnvoll ist zudem, die Beschwerden mit Schmerzmitteln zu mildern. Die meisten Lungen- beziehungsweise Rippenfellentzündungen lassen sich zu Hause auskurieren. Anders sieht die Situation aus bei Patienten mit Vorerkrankungen.

    Dr. Rolf Schaefer, Internist an der Klinik für Geriatrie des Marien-Krankenhauses in Bergisch Gladbach:

    "Stichwort HIV beziehungsweise Aids, bei jungen Patienten mit einer solchen Diagnose muss sicherlich auch großzügig an das Krankenhaus zur Behandlung einer Pleuropneumonie, sprich einer Lungenfellentzündung gedacht werden."

    Verlauf und Prognose einer Rippenfellentzündung hängen von der Grunderkrankung und einer raschen Therapie ab. Die meisten rechtzeitig behandelten Rippenfellentzündungen heilen ohne Komplikationen aus. Ungefährlich ist sie trotzdem nicht.

    "Da muss der Patient insgesamt betrachtet werden. Wenn wir einen jungen Menschen haben, der sonst gesund ist, ist das sicherlich eine schwere Erkrankung, aber sie ist sicherlich nicht als sehr gefährlich einzustufen. Haben wir einen älteren Menschen, egal wie wir jetzt älter definieren, mit verschiedenen Begleiterkrankungen, sei es, dass er eine Herzschwäche hat, sei es, dass er schon eine Lungenvorerkrankung hat, kann diese Rippenfellentzündung eine lebensbedrohliche Erkrankung werden, insbesondere wenn sie zu spät erkannt wird."