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Radiolexikon: Verstopfung

Es ist schon ein Elend: Viele wollen, können aber nicht – der Gang zur Toilette wird zur Qual! Ärzte diagnostizieren in solchen Fällen eine Obstipation, Laien sprechen schlicht von Verstopfung. 12 bis 16 Millionen Menschen leiden in Deutschland an dieser Volkskrankheit.

Von Mirko Smiljanic | 18.09.2007
    Das hört sich nicht gut an, seit Tagen will sie, kann aber nicht, der Gang zur Toilette ist eine Qual! Probleme mit dem Stuhlgang zählen zu den häufigsten Leiden in der gastroenterologischen Praxis. Die Beschwerden sind vielschichtig: Seltener Stuhlgang gehört dazu, harter Stuhl, starkes Pressen bei der Darmentleerung und das Gefühl der unvollständigen Darmentleerung. Allerdings müssen die Beschwerden über einen längeren Zeitraum auftreten, üblicherweise drei Monate, erst dann sprechen Mediziner von einer chronischen Obstipation. Nicht jede akute Verstopfung ist behandlungswürdig.

    "Wichtig ist, wenn jemand kommt und über Darmträgheit klagte, erst einmal festzustellen, was versteht er dann darunter, denn die Stuhlfrequenz ist nun mal von Mensch zu Mensch individuell, und wenn man einen Tag mal nicht zur Toilette geht, hat man nicht gleich eine Darmträgheit. Definitionsgemäß sprechen wir von Darmträgheit, wenn man drei Tage keine Verdauung hat, also mehr als drei Tage, und dann gilt es zu entscheiden, ist das eine akute Geschichte, ist das ganz neue aufgetreten, oder ist das eine chronische Darmträgheit."

    Dr. Joachim Gerhard hat eine Internistische Praxis in Köln – Obstipation, Darmträgheit, gehört für ihn zum täglichen Geschäft. Viele seiner Patienten fragen zunächst, was man denn unter einem "trägen" Darm zu verstehen hat.

    "Die peristaltischen Wellen, die Motorik des Darmes ist einfach verlangsamt und darum kommt es zum Stuhlverhalt, was natürlich das volle Gefühl und darüber hinaus auch einen Druckschmerz verursachen kann."

    Damit sich der Speisebrei mit den Verdauungssäften optimal vermischt, verfügt der Dünndarm über mehrere Bewegungsmechanismen. Ein rhythmisches Zusammenziehen der Ringmuskulatur etwa oder Pendelbewegungen. Gleichzeitig wird der Brei aber auch in Richtung Dickdarm transportiert. Vorwärts verlaufende wellenförmige Muskelkontraktionen, die peristaltischen Wellen, drücken ihn kontinuierlich vom Dünndarm zum Dickdarm. Bis der Speisebrei den Dünndarm verlassen hat, vergehen bis zu zehn Stunden. Bei Darmträgheit dauert es entsprechend länger.

    "Bei einer akuten Geschichte muss man natürlich immer einen stenosierenden Prozess im Bereich des Darms ausschließen, hier geht es um Darmtumoren, ein Darmverschluss, das wäre sicherlich eine Abklärung mit einer Darmspiegelung. Andere Ursachen sind ganz harmloser Natur, zum Beispiel, dass jemand seine Essgewohnheiten umgestellt hat, dass er auf einer Reise war, länger gesessen hat, dass er aufgehört zu rauchen, dass er sich zu wenig bewegt, zu wenig trinkt, all das sind Dinge, die kommen hier leider als Ursache infrage."

    Chronische Darmträgheit teilen Mediziner in drei Kategorien ein. In die kologene Verstopfung, in die anorektale Verstopfung und in die idiopathische Verstopfung. Bei der kologenen Verstopfung arbeitet der Darm zu langsam. Ursache können hormonelle Einflüsse sein, aber auch Nerven- oder muskuläre Störungen im Darm. Bei der anorektalen Verstopfung treten Veränderungen oder Störungen im Bereich des Enddarms und des Afters auf. Und bei der idiopatischen Obstipation schließlich kann der Arzt keine krankhaften Veränderungen der Darmfunktion oder der Darmanatomie finden. Idiopatisch bedeutet auch "aus nicht ersichtlichem Grund", hierzu zählen psychische Ursachen. Die Menge der aufgenommenen Nahrung hat übrigens keinen Einfluss, ob der Darm normal schnell oder verlangsamt arbeitet.

    "Es passiert wenig, aber es passiert etwas! Die Peristaltik ist immer vorhanden und es ist jetzt nicht unmittelbar, wenn Sie Verdauung haben, von der Menge abhängig, Peristaltik sollte immer da sein!"

    Besondere Aufmerksamkeit ist geboten, wenn sich über einen längeren Zeitraum Verstopfung und Durchfall abwechseln, wenn sich Blut im Stuhl befindet oder wenn die Verstopfung mit Fieber und Schmerzen einher geht.

    "Das ist sicher ein Warnhinweis, dass da bösartige Erkrankungen dahinter stehen können, aber auch entzündliche Darmerkrankungen, also gerade ein Wechsel des Stuhlgangs ist noch mehr ein Hinweis darauf, dass man sich ärztlich untersuchen lassen sollte."

    Tumore engen den Darmhohlraum ein und verhindern so den raschen Transport des Speisebreis zum Dickdarm, gleichzeitig verändern sie aber auch die biologischen Abläufe im Darm mit dem Ergebnis, dass Verstopfungen und Durchfälle im raschen Wechsel auftreten können. Sind diese Ursachen für die Obstipation ausgeschlossen, reicht in vielen Fällen schon eine Umstellung der Ernährung, um das Problem zu beheben. Grundsätzlich gilt: Je mehr Ballaststoffe die Nahrung hat, desto besser. Vollkornprodukte sind gut, Leinensamen und Weizenkleie, Obst und Gemüse; links liegen lassen sollte man Schokolade, Weißbrot und geschälten Reis.

    "Diese Ernährung setzt allerdings voraus, dass Sie ausreichend trinken, wie das Wort schon sagt, Quellstoffe quellen diese Nahrungsbestandteile auf und durch die Dehnung des Darmes kommt es dann zu einer erneuten Verstärkung der Darmtätigkeit."

    Dabei macht es wenig Sinn, die Ernährung nur kurzzeitig umzustellen. Sobald wieder ballastarme Nahrung dominiert, kehren die Probleme zurück. Wichtig sind zudem zwei weitere Faktoren: Der Patient muss ausreichend Wasser trinken, 1,5 bis 2 Liter täglich; außerdem sollte er sich regelmäßig bewegen, täglich ein bis zwei Stunden. Auch das unterstützt die Verdauung. Nur wenig hält der Internist Dr. Joachim Gerhard von Abführmittel.

    "Ich persönlich bin natürlich gegen diese Eigenmedikation, ich würde zunächst einmal versuchen abzuklären, warum habe ich das, ich würde mal behaupten, dass da ärztliche Hilfe notwendig ist, und man sollte ärztlichen Rat holen, welches Mittel ist vielleicht für mich geeignet und hatte am wenigsten Nebenwirkungen auch."

    Abführmittel beheben nicht die Ursache der Darmträgheit, sie sorgen nur dafür, dass der Stuhl sich rasch entleert. Dabei wird notgedrungen aber auch die Darmflora geschädigt.

    "Sie verlieren Mineralien, die sind lebensnotwendig, dann können Herzrhythmusstörungen auftreten, dann können Flüssigkeitsverschiebungen auftreten und, und, und ... also es gibt Grund genug, das vernünftig abklären zu lassen."

    Fazit: Ballaststoffreiche Ernährung, viel Wasser, ausreichende Bewegung bringen fast jeden Darm wieder in Schwung.

    Wenn das nicht funktioniert, unbedingt einen Arzt aufsuchen!