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Radiolexikon: Weiße Finger - das Raynaud-Syndrom

Der Winter ist eine schlechte Zeit für Menschen, die leicht frieren. Noch schlimmer trifft es solche, deren Hände dann weiß werden. Patienten die unter dem Raynaud-Syndrom, auch Weißfingerkrankheit genannt, leiden, beklagen ein anfallweises Absterben der Finger. Es tritt durch einen Gefäßkrampf auf.

Von Renate Rutta | 18.12.2012
    Der Herbst und Winter sind die Zeit, in der viele Menschen über kalte Hände und kalte Füße klagen. Das ist an sich nichts besonderes.

    Doch bei manchen Menschen reicht es schon, wenn sie eine Tüte Milch oder eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank holen: dann werden ihre Hände nicht nur kalt sondern schlagartig ganz weiß und blutleer und im späteren Verlauf erst bläulich und dann rot.

    "Vor circa sechs Jahren habe ich bemerkt, dass mir die Finger ständig kalt wurden und sich dunkel gefärbt haben. Das war so der erste Ansatz, wo ich gesagt habe, he, da stimmt was nicht."

    Andreas M. ist 45 Jahre alt und leidet unter dem Raynaud-Syndrom – im Volksmund auch Weißfingerkrankheit genannt. Es tritt bei ihm auf, wenn er draußen in der Kälte ist aber auch im warmen Wohnzimmer.

    "Eigentlich ganz alltägliche Situationen, wo ich zu Hause gesessen habe und mir die Hände einfach kalt wurden, obwohl ich im Warmen gesessen habe und die Hände, also die Fingerspitzen, dunkel wurden und die Hände kalt."

    Professor Nicolas Hunzelmann sieht in der Klinik für Dermatologie und Venerologie an der Universitätsklinik Köln häufiger Patienten, deren Finger weiß werden:

    "Charakteristischerweise beklagen die Patienten ein anfallweises Absterben der Finger. Meist sind die Finger beider Hände betroffen. Die Finger wirken dann sehr blass, teils wie abgeschnitten im Vergleich zu der nicht betroffenen Haut. Diese Attacken werden vor allem ausgelöst durch Kälte oder auch emotionale Belastung, sei es Ärger, Freude, Stress."

    Manche Patienten spüren auch Schmerzen in den weißen Fingern oder empfinden Gefühlsstörungen vor allem, wenn sie kalte Gegenstände anfassen, etwas aus der Gefriertruhe nehmen oder mit kaltem Wasser in Berührung kommen.

    Nicolas Hunzelmann: "Kaltes Wasser ist ganz schädlich. Die Hände werden einmal kalt und durch diese Feuchte verdunstet die Kälte auch und dann hat man den Kälteeinfluss von außen, den man von innen nicht mehr so kompensieren kann."

    Das Weißwerden der Finger tritt anfallsweise auf durch einen Gefäßkrampf und kann wenige Minuten dauern oder auch länger.

    Nicolas Hunzelmann: "Der klassische Ablauf ist, dass erst die Gefäße sich zusammenziehen. Dadurch kommt es zu einer Minderdurchblutung und im Anschluss, wenn diese Gefäße dann wieder aufgehen gibt es praktisch eine Kompensation. Die Gefäße gehen auf, es schießt wieder Blut in die Gefäße und dann kommt es erst mal zu einer Blaufärbung, weil dann die verminderte Sauerstoffversorgung, die zunächst bestand, dazu führte, dass aller Sauerstoff aus dem Blut gezogen wird und dann der blaue Blutfarbstoff vermehrt entsteht. Und im Anschluss danach kommt es wieder zu einer rosigen Verfärbung."

    Man schätzt, dass mehrere Prozent der Bevölkerung betroffen sind, genaue Zahlen gibt es nicht. Denn viele Menschen messen dem Weißwerden der Finger keine große Bedeutung bei und gehen gar nicht zum Arzt.

    Die Ursache des Raynaud-Syndroms ist oft unklar. Die Ärzte unterscheiden zwei Formen der Erkrankung: Einmal das sogenannte primäre Raynaud-Syndrom, bei dem keine begleitende Erkrankung vorliegt. Die Mehrzahl der Betroffenen leidet an dieser Form. Und dann das sogenannte sekundäre Raynaud-Phänomen. Es tritt als Begleiterscheinung verschiedener Krankheiten auf.

    Nicolas Hunzelmann: "Die zweite Form, das sekundäre Raynaud-Phänomen, die assoziiert ist zum Beispiel mit rheumatologischen Erkrankungen. Und hier findet man typischerweise einen asymmetrischen Befall der Finger, das heißt es sind vielleicht nur zwei oder drei Finger an einer Hand durch dieses Phänomen betroffen. Oder man sieht, dass zum Beispiel offene Stellen an den betroffenen Fingern auftreten."

    In solch einem Fall sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen. Unter den rheumatologischen Erkrankungen gibt es eine ganze Reihe, die mit dem Raynaud-Phänomen verbunden sind.

    Nicolas Hunzelmann: "Dazu zählt die klassische rheumatoide Arthritis, dazu zählt der Lupus Erythematodes, und die Erkrankung, die die seltenste von diesen rheumatologischen Erkrankungen ist, das ist die sogenannte systemische Sklerodermie."

    Das sekundäre Raynaud-Phänomen tritt oft erst im späteren Lebensalter zum ersten Mal auf. Vom primären Raynaud-Phänomen sind deutlich häufiger junge Frauen nach der Pubertät so etwa im Alter von 20 Jahren betroffen.

    Wie kann der Arzt nun genau unterscheiden, welche Form vorliegt?

    Nicolas Hunzelmann: "Wenn man Glück hat, kann man in der Praxis das Raynaud-Phänomen selbst beobachten und sehen, wie ausgeprägt das ist, welche Finger betroffen sind. Darüber hinaus würde man eine klinische Untersuchung durchführen und entsprechende serologische Untersuchungen zum Ausschluss einer möglicherweise beginnenden Rheumaerkrankung.

    Und es gibt auch eine Methode, mit der man die kleinen Gefäße im Nagelfalz betrachten kann, die sogenannte Kapillarmikroskopie. Das ist auch ein Untersuchungsverfahren, das einen Hinweis darauf gibt, ob es sich um ein primäres oder sekundäres Raynaud-Phänomen handelt."

    Einige Medikamente können das Raynaud-Syndrom verschlimmern. Dazu zählen u.a. Betablocker. Wenn der Verdacht besteht, sollte man mit dem Arzt sprechen, ob man die Betablocker durch andere Medikamente ersetzen kann.

    Nicolas Hunzelmann: "Grundsätzlich wird das Raynaud-Phänomen mit konservativen Maßnahmen behandelt. Hierzu würde zählen: die Hände warm zu halten und versuchen, sie nicht unnötig der Kälte auszusetzen. Hierzu zählt u.a. das Rauchen zu beenden und an therapeutischen Maßnahmen, die wir anbieten können haben wir zum einen medikamentöse Möglichkeiten u.a. Calcium-Antagonisten, die als Tablette eingenommen werden können. Und bei besonders schwer ausgeprägten Fällen kann auch eine stationäre intravenöse Therapie erwogen werden."

    Andreas M.: "Auf keinen Fall ohne Handschuhe im Winter rausgehen, das ist ganz fatal. Man muss gucken, dass man in der kalten Jahreszeit die Finger immer warm hält. Mir persönlich hilft so eine Grundwärme, dicke Socken, man sagt ja immer, die Kälte kommt von unten. Zwiebelschalenprinzip, schön viele Schichten anziehen, die man zur Not auch mal ausziehen kann aber warm anziehen ist ein großer Faktor, der da hilft."

    Manche schwören auch auf Erwärmung von innen wie heiße Suppen und gut mit Pfeffer, Curry oder Muskat gewürzte Gerichte. Und es gibt warme Einlegesohlen für die Füße und beheizbare Wärmekissen und Handwärmer für Spaziergänge an kalten Wintertagen, wie sie auch Andreas M. schon probiert hat:

    "Hab dann alle möglichen Versuche gestartet mit Handschuhen, beheizbaren Handschuhen, Kohleöfen für die Taschen. Aber letzten Endes sind das alles Sachen, die nur ein bisschen wirken, ein bisschen helfen."

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