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Radsport
Die späte Beliebtheit des Alberto Contador

Alberto Contador begeisterte bei seiner Abschieds-Vuelta die Massen. Trotz seiner Dopingvergangenheit und der eher unsymphatischen Effizienz seiner erfolgreichsten Jahre. Nun gewinnt er zwar nicht mehr, aber er entzückt - weil er beständig angreift, das Unerwartete macht und das Unmögliche wagt.

Von Tom Mustroph | 09.09.2017
    Contador lächelt und kneift ein Auge zu.
    Alberto Contador beim Start der Vuelta-Etappe am 7. September 2017 (imago)
    "Un ano mas" - noch ein Jahr, das fordert die vor dem Teambus von Alberto Contador versammelte Menge von ihrem Liebling. Sein Team Trek, auch der Arbeitgeber des deutschen Radprofis John Degenkolb, hätte nicht einmal etwas dagegen, dem Votum des Volkes stattzugeben.
    "Wenn er will, dann unterstützen wir ihn noch ein weiteres Jahr. Aber ich denke, das wird schwierig", meint sein Teamchef Luca Guercilena.
    Denn Contador hat schließlich angekündigt, mit dieser Vuelta seine Laufbahn zu beenden. Er selbst genießt diese letzten Tage. Er attackiert immer wieder und merkte, wie in den letzten Tagen sogar noch mehr Kraft in die Beine kam als am Anfang.
    "Ich genieße die Zeit"
    "In diesem Jahr in der letzten Woche bei der Vuelta ist es anders als sonst. Es scheint mir, als sei ich stärker als je zuvor. Die Wahrheit ist, ich werde die Vuelta wohl nicht gewinnen können. Aber ich genieße die Zeit, die mir bleibt bis morgen in Madrid," sagt Contador.
    Genießen - das ist das Lieblingswort des späten Contador. Und weil er, wenn er genießen sagt, attackieren meint - liegen ihm Fans, Freunde und sogar die Rivalen zu Füßen.
    "Contador habe ich niemals selbst trainiert. Aber er hat mir immer gefallen. Ich denke, er ist einer der letzten Männer, die auf Gesamtwertung fahren und das mit Fantasie machen und ein Rennen komplett umwerfen können. Er sorgt für großes Spektakel", konstatiert Paolo Slongo, Trainer des Konkurrenten Vincenzo Nibali.
    Von der Siegmaschine zum Publikumsliebling
    An fast jedem Tag dieser Vuelta, es musste nur ein winziger Anstieg da sein, blies Contador zur Attacke. Dies brachte ihm selten Sekundengewinne ein. Aber gerade in der Vergeblichkeit seines Tuns, in der offenkundigen Verschwendung seiner Kraft, liegt etwas, das Menschen begeistert. Siege holte Contador mit seinem Hurra-Stil nur selten. Dennoch sind sogar Sponsoren von Contador angetan, hat Treks Rennstallchef beobachtet.
    "Ich denke, was die Leute für eine Marke begeistert, sind die Emotionen, die du gibst. Du kannst gewinnen, wie du willst, aber wenn die Leute dich nicht mögen, dann helfen auch die Siege nicht viel."
    Die Siegmaschine Team Sky mit Kapitän Froome ist nicht sonderlich beliebt. Contador allerdings war in seiner ersten Karrierephase ebenfalls eine ganz humorlose Siegmaschine. Dann wurde er beim Doping erwischt, ein Tour-Sieg wurde sogar aberkannt. Doch er kam zurück. Nach der Sperre gewann er zwar nicht mehr so oft, bot aber dabei immer mehr Spektakel und wurde so für viele Fans zu einem Helden. Seine Vergangenheit geriet dabei vollkommen in Vergessenheit.