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Radsport
Renaissance in Deutschland

Erstmals seit fünf Jahren geht in dieser Saison wieder ein deutscher Profi-Radrennstall an den Start. Das Team Giant-Alpecin will mit den beiden Top-Sprintern Marcel Kittel und John Degenkolb einen neuen Radsport-Boom in Deutschland auslösen.

Von Andrea Schültke | 10.01.2015
    "This is the 2015 Team Launch of the Team Giant-Alpecin."
    So klingt der Auftakt zu einer Radsportshow. Vielleicht sogar zu einem neuen Kapitel Radsportgeschichte. Es scheint als hätte die Welt darauf gewartet, dass ein deutscher Shampoohersteller den Sport wieder reinwäscht vom Dopingdreck vergangener Zeiten. Es gibt neue junge Fahrer, die sich glaubwürdig eingesetzt haben für Profiradsport ohne Doping. Allen voran Marcel Kittel und John Degenkolb. Sie haben offenbar die ARD überzeugt. Sie wird die Tour de France wieder live übertragen. Zur Freude von Tourdirektor Christian Prudhomme:
    "Eine wichtige Veranstaltung muss von einem wichtigen Sender übertragen werden. Die ARD war immer das Herz der Live-Übertragung der Tour in Deutschland. Von daher ist es sehr wichtig für uns, dass sie zurück sind."
    Mit dem deutschen Sponsor und den prominenten deutschen Fahrern haben sich nach Ansicht von Prudhomme jetzt Teile eines Puzzles zusammengefügt. Ein Teil dieses Puzzles ist Alpecin. Der Shampoohersteller aus Ostwestfalen unterstützt auch den Zweitligisten Arminia Bielefeld. Den bekannten Slogan "Doping für die Haare" will das Familienunternehmen im Zusammenhang mit dem Radsport allerdings nicht verwenden.
    "Der perfekte Moment"
    Bis 2013 hatte die Firma einen Vertrag mit Jan Ullrich. Der wegen Dopings gesperrte Ex-Profi sollte der Marke helfen, den Rad-Breitensport als Plattform zu nutzen. Das hat nicht so funktioniert wie erhofft. Jetzt setzt man in Bielefeld auf den Profiradsport, um Alpecin weltweit bekannt zu machen. Die nationale Unterstützung liefert die Live-Übertragung in der ARD. Besser hätte es für Eduard Dörrenberg, Geschäftsführer des Shampooherstellers, gar nicht kommen können:
    "Von daher ist es für uns schön, es ist für die Sportler schön, es ist für den Sport toll, und von daher ist es sicherlich der perfekte Moment."
    Der perfekte Moment für alle Akteure des Radsports, sich wieder ein positives Image zu erarbeiten. So sieht es auch Bundesjustizminister Heiko Maas. Er war gar auf Einladung von Marcel Kittel und John Degenkolb gekommen. Der Minister kennt die beiden von der Zusammenarbeit beim Anti Doping Gesetz:
    "Weil wir in den verschiedenen Sportarteneinfach wissen wollten, was muss man da eigentlich tun, um Doping mit einem Gesetz effektiv zu bekämpfen. Und da haben die Beiden uns im Vorfeld bei mehreren Treffen beraten. Und deshalb ist das eine Selbstverständlichkeit, auch mal bei ihnen hier vorbei zu schauen, wenn die Saison losgeht."
    Kurz vor Saisonbeginn ist viel ist von Vertrauen die Rede an diesem Vormittag in Berlin. Vom neuen Radsport, der sich als Vorreiter sieht im Kampf gegen Doping. Und von der neuen Fahrergeneration. John Degenkolb empfindet auch einen gewissen Druck durch die neue Vorbildrolle:
    "Vorbild bedeutet Idol zu sein. Und wenn ich auf mich blicke, wer meine Idole waren, als ich mit Radsport angefangen habe und den Traum geträumt hab, Profi zu werden. Und ab einem gewissen Zeitpunkt ist alles zusammengebrochen, zusammengefallen. Das war keine schöne Situation, und ich möchte einfach besseres Vorbild sein als die es damals für mich waren. Das ist für mich einfach eine große Aufgabe, eine große Verantwortung. So kann man das eigentlich beschreiben."
    Auch sein Mannschaftskollege Marcel Kittel sieht eine noch größere Verantwortung auf dem Team als bisher, weil:
    "Auch die Erwartungen höher werden und dass wir in einer Position sind, wo wir sagen müssen: Wir haben schon viel geschafft, aber jetzt geht's eigentlich erst richtig los, wenn die ARD dabei ist und wir den deutschen Sponsor haben."
    Kampf gegen Doping
    Dieses neue deutsche Engagement sieht wohl auch die internationale Radsportszene gern. So ist Brian Cooksen, Präsident des Weltverbandes UCI, eigens für die Teamvorstellung nach Deutschland gekommen. Offenbar erkennt der Brite gerade in Kittel und Degenkolb Unterstützer für seine eigenen Anstrengungen im Kampf gegen Doping:
    "Ich denke, es ist gut, dass Fahrer sich dafür einsetzen. Es kann nicht immer allein Sache des internationalen und des nationalen Dachverbandes sein oder der Nationalen Anti-Dopingagentur. Jeder muss Verantwortung übernehmen: Die Teams, die Fahrer, die Sponsoren, um saubere Athleten zu unterstützen."
    Dass die Übernahme von Verantwortung an Grenzen stößt, musste Cooksen allerdings vor kurzem im Fall Astana erleben. Das Profiteam aus Kasachstan hat die Lizenz für 2015 bekommen, obwohl es zuletzt fünf Dopingfälle im Team gab. Cooksen erklärte das mit fehlenden Informationen zum Zeitpunkt der Lizenzvergabe und verwies auf laufende Untersuchungen. Gegenüber dem Deutschlandfunk hat der UCI-Präsident nicht ausgeschlossen, dass Astana doch noch die Lizenz verliert.
    John Degenkolb würde es freuen. Der Sprinter hatte sich – genau wie Marcel Kittel – wiederholt gegen die Lizenz für Astana positioniert. Nur folgerichtig. Denn auch bei der Teampräsentation begründet Degenkolb noch einmal, warum er sich für ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland ins Zeug legt:
    "Weil wir denken, dass das ein wichtiger Schritt für den Sport im Allgemeinen für den Radsport und für unsere Siege ist. Dass da Abschreckung ist für potenzielle Betrüger. Das macht's leichter für uns, wenn wir auf Augenhöhe unsere Wettkämpfe fahren und nicht mit unfairen Mitteln bekämpft werden."
    So werben John Degenkolb und Marcel Kittel, so wirbt das ganze Team Giant Alpecin um Vertrauen für sauberen Radsport und saubere Leistungen. Bundesjustizminister Heiko Maas erkennt eine klare Philosophie.
    "Und der Radsport wird es jetzt selber beweisen müssen, dass er die selbst gesteckten Ziele für einen sauberen Sport auch einhält, und da wird das Jahr hier ganz wichtig."
    Sportlich beginnt dieses Jahr in einer Woche mit der "Tour down under" in Australien.