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Rätselhafte Stimmenblindheit

Neurologie. - Bis zu drei Prozent der Bevölkerung können von der Stimme nicht auf den Gesprächspartner schließen, auch wenn der ihnen gut bekannt ist. Wissenschaftler am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften erforschen diese sogenannte Phonagnosie.

Von Hartmut Schade |
    "Der Urlauber sucht eine Unterkunft."

    "Wem gehört diese Stimme? Ruth, Laura oder Anna?"

    "Die Wolken ziehen über den Himmel."

    "War das Paul oder Felix? Vielleicht eher Moritz."

    "Mit Hilfe dieses Tests wollen wir erstmalig überhaupt Betroffene im deutschsprachigen Raum finden. Und in dem Test geht es darum, dass man Stimmen lernen soll, die Fähigkeit des Stimmenlernens wird überprüft","

    sagt Claudia Roswandowitz vom Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Bei dem Onlinetest müssen nach einer kurzen Einhörphase Stimmen wiedererkannt werden.

    ""Das Huhn frisst einen Wurm."

    "Der Urlauber sucht eine Unterkunft."

    Das manche Menschen keine Stimmen erkennen, ist seit den 80er Jahren bekannt. Die Ursache war bei ihnen klar: ein Schlaganfall oder Unfall. Nun gibt es die ersten Indizien für eine angeborene Stimmenblindheit. Nach einem Bericht über Gesichtsblindheit meldete sich eine Britin, die keine Stimmen unterscheiden kann, erzählt Dr. Katharina von Kriegstein.

    "Sie hat dann zum Beispiel Telefonanrufe nur vorangemeldet angenommen und so weiter, wenn es geschäftliche Kontakte waren, damit sie wusste, wer nun eigentlich jetzt anruft."

    Ist die Frau ein Einzelfall oder ist Phonagnosie verbreiteter? Das wollen die Leipziger Hirnforscher mit ihrer Studie herausfinden.

    "Macht die Heizung Geräusche?"

    "Überquert der Igel die Straße?"

    Phonagnostiker können zwischen männlichen und weiblichen Stimmen unterscheiden, auch beim Verständnis hapert es nicht. Das Problem scheint die Verknüpfung zwischen Stimme und der dazugehörigen Person zu sein, meint Katharina von Kriegstein.

    "Man kann unterscheiden, ob es Mann oder Frau ist. Aber da ist es noch ein sehr, sehr weiter Weg dahin, zu sagen: OK, das ist ein Mann und das ist Hans oder so. Da gehört dazu, dass man nicht nur Rhythmus erkennen kann, da gehört dazu, dass man die Stimmqualität erkennen kann und die Höhe und das alles zusammenpacken. Es kann natürlich auch sein, das man dieses alles zusammenpacken kann, aber dann den Namen dazu nicht sich ins Gedächtnis rufen kann. Das glaub ich aber allerdings eher nicht, weil man dann denken würde, OK, vielleicht haben sie Schwierigkeiten, den Namen nur aufzurufen, aber sie könnten zum Beispiel das Gesicht aufrufen. Und das scheint nicht der Fall zu sein."

    Einen Zusammenhang zwischen der Unfähigkeit Gesichter zu erkennen und der zur Stimmerkennung gibt es nicht, fanden die Leipziger Wissenschaftler heraus. Die Resultate aus den Online-Tests lassen vermuten, ein bis drei Prozent aller Menschen könnten unfähig sein, Stimmen zu erkennen. Das wäre etwa der gleiche Prozentsatz wie bei anderen selektiven Wahrnehmungsstörungen, zum Beispiel der Gesichtsblindheit. Was die Ursachen der Phonagnosie betrifft, tappen die Forscher aber noch im Dunkeln.

    "Von den Studien in gesunden Probanden denken wir, das es im rechten Temporallappen eine Gehirnregion gibt, die speziell fürs Stimmenerkennen zuständig ist. Und es wäre jetzt logisch zu sagen: OK, vielleicht ist diese Region nicht ganz funktionstüchtig in Leuten, die Stimmen nicht erkennen können. Aber es ist zur Zeit überhaupt nicht bekannt."

    Diese Wissenslücke wollen die Leipziger Hirnforscher schließen. Bildgebende Verfahren sollen zeigen, was im Hirn von Phonagnostikern passiert, um so dem Phänomen der Stimmenblindheit auf die Schliche zu kommen.

    "Die Wissenschaftlerin feiert den Erfolg."

    "Der Löwe liegt im Gras."

    "Der Springer springt vom Turm."

    "Das Abwasser verschmutzt den Fluss."