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Raffael in Urbino

Raffaelo Santi hatte die Ehre, schon zu Lebzeiten nur mit seinem Vornamen berühmt zu werden: Renaissancemeister Raffael galt bis weit ins 19. Jahrhundert als größter Maler aller Zeiten. Er wirkte vor allem in Rom und Florenz - geboren wurde er aber in Urbino, der Idealstadt des kunstverliebten Herzogs Federico da Montefeltro. Dort will man nun beweisen, dass Raffael enger mit seiner Geburtsstadt verbunden war, als man bisher glaubte, auch künstlerisch. "Raffael und Urbino" heißt die Schau im Palazzo Ducale.

Von Henning Klüver | 29.04.2009
    Raffael wurde "um drei Uhr nachts am Karfreitag des Jahres 1483 als Sohn von Giovanni de' Santi geboren." Dieser Giovanni Santi sei ein "nicht besonders vortrefflicher Maler" gewesen, aber doch ein guter Vater, der den begabten Sohn früh auf den rechten Weg brachte und ihn nach Perugia in die Werkstatt des Perugino gab. So heißt es jedenfalls bei Giorgio Vasari in den "Lebensbeschreibungen berühmter Künstler". Schon seit längerem hatte man diese Beschreibung Vasaris angezweifelt, weil keine Dokumente über den Aufenthalt von Raffael in Perugia vorliegen, das damals eher eine Provinzstadt war. Die kulturelle Bedeutung einer Stadt wie Urbino dagegen, so die Kunsthistorikerin Lorenza Mochi Onori, kann man gar nicht hoch genug einschätzen:
    "Urbino war im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts eine der Leuchten der italienischen Kultur. Es war der Ort und der Hofstaat den Baldassare Castiglione in seinem Buch über den 'Cortigiano', den Höfling, beschrieben hatte. Hier gab es eine der reichsten Bibliotheken der damaligen Zeit. In Urbino hatte Raffael ein vielseitiges Repertoire künstlerischer Ausdrucksformen vor Augen. Um Raffael zu verstehen, muss man diese Architekturen sehen, diese Landschaften erleben. Raffael ist die Frucht dieser Kultur."

    Historiker der Universität Urbino haben unter der Leitung von Anna Falcioni im Staatsarchiv nachgeforscht. Dabei haben sie festgestellt, dass die Dokumente der Familie Santi seit fast zwei Jahrhunderten, seit dem Jahr 1829 nicht mehr konsultiert worden waren. Anna Falcioni:

    "Kaum zu glauben aber wahr. Dabei ist das Staatsarchiv von Urbino eine wahre Fundgrube mit Dokumenten über die Familie Santi von den Anfängen bis zu unserem Raffael. Und aus diesen Dokumenten geht zum Beispiel hervor, dass die Werkstatt von Giovanni Santi nicht etwa, wie immer behauptet wurde, mit seinem Tod eingeht, sondern weiter existiert und auch mit Raffael aktiv bleibt."

    Die Werkstatt wurde zunächst von einem Freund der Familie treuhänderisch weiter geführt. Aber Raffael wuchs schnell in die Rolle des leitenden Künstlers hinein. Und er bewies auch unternehmerisches Talent.

    "Er zeigte sich als ein wohlhabender Mann, der sich ausgiebig um seine Besitztümer in Urbino kümmerte. Auch das Haus sein Vaters hat er weiter geführt und auf seinen Namen eintragen lassen. Die Akten bezeichnen es so."

    Die Ausstellung im Palazzo Ducale von Urbino präsentiert jetzt rund 120 Exponate, darunter viele Gemälde und Zeichnungen des jungen Raffael selbst wie etwa die sogenannte "Madonna Cowper" aus Washington oder den "Traum eines Ritters" aus London. Sie werden mit Arbeiten von Zeitgenossen aus dem Umfeld Urbinos in Beziehung gebracht. Dabei stellt sich vor allem heraus, dass der Vater, Giovanni Santi ein hochtalentierter und stilsicherer Künstler gewesen war. So ist dies auch eine Ausstellung über eine Vater-Sohn-Beziehung. Lorenza Mochi Onori, die die Ausstellung kuratiert hat, beschreibt die komplexe Figur des Giovanni Santi:

    "Er war nicht nur Maler sondern darüber hinaus auch ein Literat, der unter anderem eine gereimte Chronik über seine Zeit verfasst hatte. Das war eine Art Kunstgeschichte ante litteram mit Beschreibungen und Beurteilungen von Künstlern, die er kennen gelernt hatte: Perugino, Mantegna, Signorelli. Piero della Francesca übernachtet sogar in seinem Haus. Diese Einflüsse bis zur flämischen Malerei kann man in Giovanni Santis Bildern ablesen, und er hat sie wiederum an Raffael weitergegeben."

    Diesen Prozess belegt die Ausstellung eindrucksvoll mit ihren herrlichen Exponaten - und schreibt zugleich ein Kapitel der Kunstgeschichte neu.