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Rafsandschani als Hoffnungsträger

Am 17. Juni wählen die Iraner einen neuen Präsidenten. Nach acht Jahren vergeblicher Reformbemühungen unter Chatami sehen die Bürger ihre Möglichkeit, durch Wahlen Einfluss auf die Politik zu nehmen, als äußerst gering an. Entsprechend gering war die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr. Wie damals hat der Wächterrat die meisten Kandidaten für die Wahl disqualifiziert – darunter alle Frauen. Nur acht von über tausend dürfen antreten. Und als Favorit gilt Ali Akbar Rafsandschani, ein Mann des Establishments. Katajun Amirpur berichtet.

    Von der Masse der immer grimmig dreinblickenden Mullahs unterscheidet er sich schon durch sein fortwährendes Lächeln. Und er hebt sich mit seiner liberalen Geisteshaltung von seinen radikalen Gegnern ab. Die Rede ist nicht von Mohammad Chatami, dem amtierenden iranischen Staatspräsidenten, sondern von seinem Amtsvorgänger Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, den die politische Weltöffentlichkeit den iranischen Gorbatschow nennt. Auch der iranischen Bevölkerung gilt ihr neuer Präsident als Hoffnungsträger.

    Ali Akbar Haschemi Rafsandschani wurde 1989 gewählt, weil man sich von ihm einen grundlegenden Wandel erhoffte. Die Iraner waren die ständig aufgeheizte, politisierte Stimmung im Lande müde; der Sturz des Schahs ein Jahrzehnt zuvor, die außenpolitische Isolation des Landes seit der Besetzung der US-amerikanischen Botschaft, der acht Jahre währende Krieg gegen den Irak, der Ölpreisverfall, der für einen langsamen wirtschaftlichen Niedergang Irans sorgte, der Tod von Ayatollah Khomeyni - das alles hatte sie erschöpft. In dieser Situation stand der Pragmatiker Rafsandschani bei der Wahl 1989 für mehr politische Öffnung, Freiheit im Inneren und für eine Verbesserung der miserablen wirtschaftlichen Lage. Rafsandschani beklagt:

    "Eine Stagnation der Revolution ist nicht erlaubt. Auch nicht in wirtschaftlichen Fragen. Manche sind so unflexibel. Sie können nicht zwischen wichtigen und unwichtigen Bedürfnissen unterscheiden. Wenn wir so fortfahren, dann ist es für die Bevölkerung nicht mehr zu ertragen."

    Ali Akbar Haschemi Rafsandschani wurde am 25. August 1934 in der Provinz Kerman im Südosten des Landes geboren. Mit fünfzehn ging er zum Theologiestudium nach Ghom. Als Rafsandschani Schüler von Ruhollah Chomeini wurde, gab das seinem Leben endgültig die entscheidende Wende. Der Ayatollah wurde bald zum gefährlichsten Gegenspieler des Schahs, der ihn schließlich 1964 ins Exil schickte. Doch 1979 kehrte Chomeini in einem Triumphzug nach Iran zurück - als Revolutionsführer.

    Rafsandschani gehörte sofort zu den führenden Mitstreitern in Chomeinis Umgebung. Die Bombenanschläge des Jahres 1980, verübt in den Wirren der Revolution, ließen ihn weiter in den Vordergrund treten, denn ihr fielen einige führende Politiker zum Opfer. Rafsandschani wurde Freitagsprediger. Dies gab ihm die Chance, das iranische Volk direkt zu erreichen - und er erlangte bald so viel Popularität, dass sein Aufstieg unaufhaltsam schien. Nur einem Mann mit seinen rhetorischen Fähigkeiten war es möglich, fast täglich unvereinbare Gegensätze zu vertreten.

    1989, im Todesjahr Chomeinis, galt Rafsandschani als einer der mächtigsten Männer Irans. Er wurde Staatspräsident. Nach seiner Wahl wurde Ali Akbar Rafsandschani von seinen Landsleuten Akbar Schah - Kaiser Akbar - genannt. Seine Macht wollte er dafür einsetzen, dem wirtschaftlichen Fortschritt Priorität einzuräumen. Staatseigene Unternehmen sollten privatisiert und Preiskontrollen aufgehoben werden. Die Durchsetzung des revolutionären Gedankengutes sollte in den Hintergrund treten befand Rafsandschani.

    "Wenn wir nicht dasselbe Schicksal wie viele andere Revolutionen der Welt erleiden wollen, müssen wir einen Mittelweg einschlagen."

    Im politischen Diskurs der Islamischen Republik schlug Rafsandschani mit solchen Reden neue Töne an. Im Gegensatz zu den Radikalen des Landes zog er nicht gegen Satellitenschüsseln und Videorekorder zu Felde. Auch nahm er einen vergleichsweise liberalen Standpunkt ein, wenn es um die Frage ging, wie streng die Kleiderordnung für Frauen sein muss, oder wo die Meinungsfreiheit aufhört. Allerdings waren ihm solche Freiheiten nicht wirklich wichtig; er war bereit, sie zu opfern, wenn es ihm opportun erschien. Nach seiner Wahl zum Präsidenten machte Rafsandschani seinen konservativen Gegnern immer weitere Zugeständnisse, um ihre Unterstützung für seine Wirtschaftsprogramme zu bekommen - weshalb Rafsandschani häufig als Irans größter Pokerspieler bezeichnet wird, aber auch als "Kuse", als Hai.

    Wendigkeit wurde über die Jahre eine Art Markenzeichen Rafsandschanis. So schlug er sich immer auf die Seite der Radikalen, wenn es ihm zweckmäßig erschien, neigte aber in seinem Denken zweifellos den Gemäßigten zu. Doch charakteristisch war für ihn, seine Meinung sofort zu verwerfen, wenn er zu sehr in die Kritik seiner Gegner geriet. Wahrscheinlich befürwortete Rafsandschani auch weder die Morde an regimekritischen Intellektuellen, noch den Staatsterror im Ausland. Und es könnte sogar sein, dass er auch das Attentat an kurdischen Oppositionellen im Berliner Mykonos Restaurant nicht befahl. Doch sicher hatte man ihn vor den Attentaten informiert, und er hat nichts unternommen; der Opportunist Rafsandschani hat den Radikalen wohl einfach nachgegeben.

    Auch die Bilanz der Wirtschaftspolitik, nach zwei Amtszeiten als Staatspräsident, fiel negativ aus. Zwar wurden Schritte in Richtung einer wirtschaftlichen Liberalisierung unternommen. Aber die gigantischen Investitionen erwiesen sich in der Regel als Fehlschläge und verschwanden im Sumpf von Korruption und fachlicher Inkompetenz. Als im August 1997 die zweite Amtszeit Rafsandschanis zu Ende ging, ist das Land bankrott. Doch trotz der negativen Bilanz seiner insgesamt acht Regierungsjahre sieht man in ihm heute wieder einen Hoffnungsträger. Denn Rafsandschani könnte schaffen, was auch Präsident Chatami erreichen wollte, jedoch nicht vermochte: Eine Verbesserung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Und damit wäre Rafsandschani tatsächlich der Garant für den wirtschaftlichen Aufschwung.