Archiv


Raketen für Regen

Ganz Kuba – insbesondere die Landwirtschaft – leidet unter extremer Trockenheit. Neuerdings befürchten Meteorologen, das Klima der Region könne sich verändern. Aber die Kubaner bemühen sich, mit wenig Wasser möglichst viel zu erreichen. Indes will das Militär mit Raketen Regen erzeugen.

Achim Gutzeit |
    "Wir haben es hier schon mit Maschinen probiert, unter anderem mit einem Bulldozer, aber der ist uns kaputtgegangen. In drei Metern Tiefe soll hier Wasser sein."

    Rubén Dories steht auf sandiger rotbrauner Erde seines Grundstücks in der Provinz Holguín auf Kuba. Neben ihm hacken zwei Arbeiter abwechselnd seit zwei Tagen mit einem Meißel ein Loch in den Fels. Ein Wünschelrutengänger hat ihm gesagt, dass es hier, oberhalb des ausgetrockneten Flussbetts, Wasser gibt. Seit fünf bis sechs Jahren nimmt die Trockenheit hier immer mehr zu, erzählt Rubén Doris.

    Im vergangenen Jahr war es am schlimmsten, da seien nur 75 Millimeter Regen gefallen. Es deutet einiges darauf hin, dass es mehr als nur eine Trockenperiode ist, die Kuba heimsucht. Meteorologe Gerando Durán Martínez vermutet, dass sich das Klima verändert. Bei einem Vortrag im Büro der kubanischen Landwirtschaftsorganisation ACPA in der Provinzhaupt-stadt Holguín erzählt er, dass das vergangene Jahr das trockenste seit einem halben Jahrhun-dert war:

    "Wir haben bei unseren Wetteraufzeichnungen von 1931 bis 1990 festgestellt, dass es alle fünf Jahre Perioden mit extremer Trockenheit gibt."

    Aber seit 1996 scheint das Klima über Kuba aus den Fugen geraten zu sein: Die Niederschlä-ge nehmen kontinuierlich ab, gleichzeitig nimmt der Wind zu und die Temperaturen steigen. Außerdem lässt die Wolkenbildung und wenn Regen fällt, dann sintflutartig - in Monaten, in denen es früher trocken war.

    Die Trockenheit trifft Kuba doppelt hart, weil sich die industriell ausgerichtete Landwirtschaft zur Zeit der sowjetischen Wirtschaftshilfe nicht um die natürlichen Rahmenbedingungen ge-schert hat: In riesigen Betrieben wurden Tausende von Rindern gehalten. Zu Spitzenzeiten hat Kuba mehr Traktoren und Kunstdünger pro Hektar eingesetzt, als die USA, erzählt ein Land-wirtschaftsexperte. Mittlerweile wird die Produktion besser an die Rahmenbedingungen an-gepasst, sagt Richard Haep von der Deutschen Welthungerhilfe:

    "In Holguín, beziehungsweise im ganzen Osten Kubas findet zurzeit ein Umdenken statt. Man muss versuchen, eine Landwirtschaft neu zu erfinden, die sich auf einen geringen Was-serverbrauch konzentriert. Das ist zum Beispiel eine sehr extensive Viehwirtschaft, die Bevor-zugung von kleinen Wiederkäuern, Schafen, Ziegen, gegenüber der Fleisch- und Viehwirt-schaft mit Rindern. Das heißt, wir nähern uns hier nicht mehr einer tropischen Landwirt-schaft an, sondern einer Landwirtschaft, die eher mediterranem Klima entspricht."

    Die Landwirtschaft ist zu kleineren Lösungen zurückgekehrt, Kleinbauern unterhalten mit zäher Arbeit eine Viehwirtschaft jenseits der Gigantomanie vergangener Tage. Kühe weiden beispielsweise in sogenannten "pedestales" – eine kubanische Erfindung: Auf den Feldern werden mit Hilfe von Stacheldraht Futterstraßen eingezäunt, - mit dieser intensiven Nutzung werden sie effizienter ernährt und geben mehr Milch.

    Die Deutsche Welthungerhilfe hat außerdem ein Relikt vergangen geglaubter Zeiten reakti-viert, um die Wasserversorgung zu sichern: Überall auf dem Land stehen kleine Windmühlen, wie man sie aus Western-Filmen kennt. Richard Haep von der Deutschen Welthungerhilfe:

    "Der Aufbau von Windmühlen zur Unterstützung des Tränkwassers der Viehwirtschaft ist eine Maßnahme, die wir persönlich als relativ umweltangepasst empfinden, weil die Wasser-entnahme sehr schonend erfolgt, das heißt, das Wasser aus dem unterirdischen Trinkwasser-bereich sehr leicht nachfließen kann. Aber, nichtsdestoweniger müssen wir versuchen, in Zu-kunft verstärkt auf andere Technologien zu setzen und das ist im Wesentlichen die Reduzie-rung des Wasserverbrauchs."

    Das gelingt noch nicht überall, vor allem in den Hotels der Region wird Wasser verschwen-det. Ein paar Kilometer von Dories Farm entfernt, an der Playa Pesquero, soll nach Varadero die zweite große Touristenregion Kubas entstehen. Am Pool des 450-Betten-Hotels "Maritim" sitzt Direktor Peter Pasewald. Sein Haus verbraucht in 24 Stunden zwischen fünfzig und hun-derttausend Liter Wasser – das müsste nicht so sein, sagt er:

    "Wir leben mit dem Wasser, was das Grundwasser hergibt. Leider gibt es noch nicht das System, dass wir zur Bewässerung der Gärten das Brauchwasser verwenden, - sondern es fließt einfach weg. Dadurch haben wir einen erhöhten Wasserverbrauch, der nicht so sein müsste. Weil das gute Trinkwasser sollten wir eigentlich in Flaschen abfüllen und das Dusch-wasser und Waschwasser aus dem Meer beziehen und entsalzen. Aber da hat man interne Studien gemacht und ist draufgekommen, dass das zu teuer wäre."

    Aber es geht wohl eher um den schnellen Dollar, als um langfristige Lösungen und der Tou-rismus als die Hauptdevisenquelle des Landes soll auch in Zukunft weiter ausgebaut werden.
    Um dem Wassermangel Herr zu werden, sollen jetzt Regenmacher in Oliv an die Arbeit ge-hen: In der Parteizeitung "Granma" wurde angekündigt, dass das Militär mit Silberjodid be-stückte Raketen in die Wolken schießen will, um Regen auszulösen und die jahrelange Tro-ckenheit auf Kuba so endlich zu besiegen.