"So – Sie können sich diese Lokomotive vorstellen als erste, selbst lenkende Lokomotive."
Norbert Kempe von Alstom in Stendal steht vor einer hellgrauen Lok: In der Mitte das Führerhaus, vorn und hinten Hauben, ein schwarzer Rahmen – die Lok sieht auf den ersten Blick aus, wie viele Rangierloks - nur eben fabrikneu. Der zweite richtet sich, weil es doch eine selbst lenkende Lok ist, auf die Räder.
"Wir haben drei und nicht vier Achsen, und wir haben den nächsten Unterschied zu den normalen, dreiachsigen Lokomotiven, Sie sehen, der Achsabstand bei allen drei ist gleich."
Erste selbst lenkende Lok
Das ist ungewöhnlich. Loks oder Waggons mit so angeordneten Achsen kommen nur schlecht durch Kurven. Dreiachsige Loks werden daher normalerweise mit unterschiedlichem Radstand gebaut. Die Stendaler Lok-Konstrukteure umgehen das Kurven-Problem auf andere Weise: mit einer hydraulischen Zwangs-Lenkung.
"Das heißt, der erste Radsatz wird beim Befahren der Kurve natürlich in eine Stellung versetzt, und diese Stellung wird automatisch übertragen an die letzte Achse, die schwenkt automatisch in den gleichen Winkel ein wie die erste Achse, und die mittlere Achse wird dann quer verschoben, so dass wir dann vom Prinzip wirklich genau diesen Radius dieser Kurve abbilden können.
Die vordere und hintere Achse sind dafür drehbar, die mittlere nach links und rechts verschiebbar gelagert. Zwei Hydrauliksysteme, je eins für die rechte und linke Seite, übernehmen die Einstellung der Achsen. Technisch gesehen ist das ein größerer Aufwand als vier Achsen in zwei Drehgestellen zu führen. Aber es macht sich durch eine wahre Flut von Vorzügen bezahlt, so Norbert Kempe:
"Wir können in Summe damit einen sechzig Meter Kurvenradius befahren, dass ist das, was die Infrastruktur erfordert."
Wartungsaufwand geringer
Das reicht in den Augen der Entwickler, um selbst engste Kurven in Rangierbahnhöfen passieren zu können. Auf grader Stecke hingegen kann die Lok - zweitens - schneller fahren als heutige Rangierloks.
"Dieses neue Konzept hat uns ermöglicht, dass die dreiachsige Lokomotive aus unserem Hause 100 km/h fahren kann."
Damit ist sie schnell genug, um kurze Güterzüge über Hauptstrecken fahren und gleichzeitig kurvengängig genug, um Rangierbahnhöfe meistern zu können. Und drittens schont die Lenkung Räder und Schienen.
Anfahrzugkraft liefern drei Elektromotoren
Schließlich ist bei drei Achsen der Wartungsaufwand geringer und sie wiegen weniger. Wobei die Leistungsfähigkeit trotzdem steigt: Ihr Gewicht verteilt sich nur auf drei statt vier Achsen. Das bedeutet, auf jeder Achse lastet mehr Stahl, und dadurch drehen die Räder beim Anfahren auf den Schienen nicht so leicht durch.
"Darum auch die hohe Anfahrzugkraft, wir haben bei der Lokomotive 240 Kilonewton Anfahrzugkraft, das heißt, sie sind fast in der Lage, quasi jeden Zug zu bewegen."
Diese Anfahrzugkraft liefern drei Elektromotoren – für jede Achse einer. Auch das ist unüblich bei Rangierloks. Zudem handelt es sich bei der H3 – so ihre Bezeichnung- um eine Diesel-Elektrische Hybridlok. Das heißt, den Strom für die Motoren liefert ein fünf Tonnen schwerer Nickel-Cadmium Batterieblock mit einer Leistung von 350 Kilowatt. Braucht die Lok mehr Leistung oder müssen die Batterien nachgeladen werden schaltet sich ein Dieselgenerator mit derselben Leistung zu. Diese Technik und ihr Einsparpotential haben die Stendaler bereits acht Jahre lang in umgebauten Loks erprobt.
"Das ist natürlich abhängig von den einzelnen Betriebszuständen, wir sagen, dass sie zwischen 30 und 50 Prozent Dieselkraftstoff einsparen, in Ausnahmefällen, in nachgewiesenen Ausnahmefällen, auch leicht über 50 Prozent."
Das Konzept der Entwickler sieht vor, dass Batterieblock oder Generatorset einfach ausgetauscht werden können. So kann die Lok auch mit zwei Generatoren oder zwei Batterieblöcken ausgerüstet werden, oder sogar nur mit einem großen Dieselaggregat. Norbert Kempe hofft, dass sich die Lok so einfach auf die Energiequelle umrüsten lässt, die sich in den kommenden Jahrzehnten durchsetzt.