Siegfried Wagner trug schwer an seinem Sohn-Sein, das zeigte sich auch in seiner Biographie: Selbstzweifel, Minderwertigkeitskomplexe und nicht zuletzt ein eher verbrämter Umgang mit sexueller Identität bestimmten sein Leben. Eine gewisse Melancholie spiegelt sich auch in seiner Musik wider. Viele der szenischen Werke speisen sich aus eher dunklen Stoffen deutscher Märchen und Legenden, vermischt mit Mythologischem aus altgermanischer, vorchristlicher Zeit. Musikalisch orientierte sich Siegfried Wagner - besonders in den ersten großen Opern - stark am väterlichen Oeuvre und an den verspielten Bögen seines Kompositionslehrers Engelbert Humperdinck.
Ein Markenzeichen Siegfried Wagners ist das Übereinanderlagern diverser, teils heterogener Stoffe und Geschichten. Daraus ergibt sich eine zu Teilen fast postmodern anmutende Dramaturgie, die allerdings nur in wenigen Stücken wirklich funktioniert. In seiner 1904 uraufgeführten dritten Oper "Der Kobold" wird es besonders problematisch: Es gibt eine beinah konventionell erzählte Liebesgeschichte, herumvagabundierende Schauspieler, die ständig an Hartz 4 vorbeischrabben, einen mysteriösen alten Mann, der Zaubersteine verteilt sowie einen dekadenten Grafen, der sich am liebsten an jungen Mädchen vergreift - das letztere malt Siegfried Wagner übrigens für die damalige Zeit recht drastisch aus. Die Handlungsstränge streben dabei zuweilen regelrecht auseinander und auch das Studium des Librettos schafft nur bedingt Klarheit.
Sucht man einen Kern der verworrenen Handlung, so wird man am ehesten bei der Figur des immer wieder auftauchenden "Seelchen" fündig. Seelchen, das ist ein Kobold, der ein junges Mädchen um Hilfe, um Erlösung bittet. Kobolde nannte der Volksmund die Seelen von gewaltsam verstorbenen Kindern, gewaltsam verstorben bedeutete auch: durch Abtreibung.
Als Wagner an die Komposition des "Kobold" ging, war er gerade auf dem besten Wege, Vater zu werden - unfreiwillig und wohl auch unwillig. Da kann man also vermuten, dass ihn die Frage nach einer möglichen Abtreibung durchaus umtrieb. Ein Kind abzutreiben bedeutete Anfang 1900 aber nicht nur, ein Verbrechen zu begehen, sondern es stellten sich auch metaphysische, theologische Fragen. Was passiert mit der Seele eines Kindes, dessen Existenz schon vor der Geburt vernichtet wird? Im Volksglauben und in Siegfried Wagners Oper irrt solch ein Seelchen herum, bis es von einem Menschen erlöst wird, der sich für eine gute Sache selbstlos opfert und am besten auch noch aus der Familie des früh Verstorbenen kommt.
Am Schluss des "Kobold" gibt es solch ein Erlösungsopfer, allerdings dauert es ein Weilchen: wir erleben nochmals die Probleme wandernder Schauspieler, diverses menschliche wie nicht-menschliche Gelichter taucht auf und wieder ab und das besagte opferwillige Mädchen widmet sich ausführlich einer mariologischen Anbetungszeremonie. Nach über vier Stunden ist dann aber doch Schluss und Erlösung allüberall.
Peter P. Pachl, seit Jahrzehnten ein unermüdlicher Exeget und Verfechter Siegfried Wagners hat den diffusen Stoff des "Kobold" auf die Bühne des kleinen und sehr gemütlichen Stadttheaters Fürth gebracht - und den ganzen Märchen-, Legenden- und auch theologischen Wust ein wenig geerdet. Die Kobolde sind Puppen, die während der ganzen Handlung immer wieder von der Unterbühne auf die Agierenden da oben schauen. Die Aufführung besticht durch das liebevolle Herausarbeiten von Details, zudem werden einige Figuren karikiert, um etwas Schwung in das sonst düstere Durcheinander zu bringen. Um die Handlung etwas plausibler zu machen, lässt Pachl das junge Mädchen als hysterische Patientin erscheinen und stellt ihr in Form des mysteriösen alten Mannes auch gleich einen Arzt zur Seite. Somit kann man die dramaturgischen Brüche und Risse letztlich einer kranken, schlicht überbordenden Phantasie zuschreiben.
Nicht allzu fantasievoll wirkt die das Geschehen begleitende Musik, etliche Streicherfiguren sind beinahe Zitate aus Vater Richards "Walküre" oder "Siegfried", daneben gibt es schleppendes Orchesterrauschen, aber immerhin auch gelegentliche impressionistische Tupfer, farbig und sehr filigran.
Extrem lange und von der Kondition her schwierig zu schaffende Gesangslinien machen es dem Fürther Ensemble nicht gerade leicht, doch vor allem Rebecca Broberg, Martina Borst und Nicholas Isherwood bewältigten am Premierenabend die zerdehnten Kantilenen hervorragend. Eine wirklich phänomenale Leistung boten die Nürnberger Symphoniker unter Frank Strobel, die sich bis zuletzt von den Wagnerschen Melodeien und symphonischen Bögen nicht beirren ließen.
Ein Markenzeichen Siegfried Wagners ist das Übereinanderlagern diverser, teils heterogener Stoffe und Geschichten. Daraus ergibt sich eine zu Teilen fast postmodern anmutende Dramaturgie, die allerdings nur in wenigen Stücken wirklich funktioniert. In seiner 1904 uraufgeführten dritten Oper "Der Kobold" wird es besonders problematisch: Es gibt eine beinah konventionell erzählte Liebesgeschichte, herumvagabundierende Schauspieler, die ständig an Hartz 4 vorbeischrabben, einen mysteriösen alten Mann, der Zaubersteine verteilt sowie einen dekadenten Grafen, der sich am liebsten an jungen Mädchen vergreift - das letztere malt Siegfried Wagner übrigens für die damalige Zeit recht drastisch aus. Die Handlungsstränge streben dabei zuweilen regelrecht auseinander und auch das Studium des Librettos schafft nur bedingt Klarheit.
Sucht man einen Kern der verworrenen Handlung, so wird man am ehesten bei der Figur des immer wieder auftauchenden "Seelchen" fündig. Seelchen, das ist ein Kobold, der ein junges Mädchen um Hilfe, um Erlösung bittet. Kobolde nannte der Volksmund die Seelen von gewaltsam verstorbenen Kindern, gewaltsam verstorben bedeutete auch: durch Abtreibung.
Als Wagner an die Komposition des "Kobold" ging, war er gerade auf dem besten Wege, Vater zu werden - unfreiwillig und wohl auch unwillig. Da kann man also vermuten, dass ihn die Frage nach einer möglichen Abtreibung durchaus umtrieb. Ein Kind abzutreiben bedeutete Anfang 1900 aber nicht nur, ein Verbrechen zu begehen, sondern es stellten sich auch metaphysische, theologische Fragen. Was passiert mit der Seele eines Kindes, dessen Existenz schon vor der Geburt vernichtet wird? Im Volksglauben und in Siegfried Wagners Oper irrt solch ein Seelchen herum, bis es von einem Menschen erlöst wird, der sich für eine gute Sache selbstlos opfert und am besten auch noch aus der Familie des früh Verstorbenen kommt.
Am Schluss des "Kobold" gibt es solch ein Erlösungsopfer, allerdings dauert es ein Weilchen: wir erleben nochmals die Probleme wandernder Schauspieler, diverses menschliche wie nicht-menschliche Gelichter taucht auf und wieder ab und das besagte opferwillige Mädchen widmet sich ausführlich einer mariologischen Anbetungszeremonie. Nach über vier Stunden ist dann aber doch Schluss und Erlösung allüberall.
Peter P. Pachl, seit Jahrzehnten ein unermüdlicher Exeget und Verfechter Siegfried Wagners hat den diffusen Stoff des "Kobold" auf die Bühne des kleinen und sehr gemütlichen Stadttheaters Fürth gebracht - und den ganzen Märchen-, Legenden- und auch theologischen Wust ein wenig geerdet. Die Kobolde sind Puppen, die während der ganzen Handlung immer wieder von der Unterbühne auf die Agierenden da oben schauen. Die Aufführung besticht durch das liebevolle Herausarbeiten von Details, zudem werden einige Figuren karikiert, um etwas Schwung in das sonst düstere Durcheinander zu bringen. Um die Handlung etwas plausibler zu machen, lässt Pachl das junge Mädchen als hysterische Patientin erscheinen und stellt ihr in Form des mysteriösen alten Mannes auch gleich einen Arzt zur Seite. Somit kann man die dramaturgischen Brüche und Risse letztlich einer kranken, schlicht überbordenden Phantasie zuschreiben.
Nicht allzu fantasievoll wirkt die das Geschehen begleitende Musik, etliche Streicherfiguren sind beinahe Zitate aus Vater Richards "Walküre" oder "Siegfried", daneben gibt es schleppendes Orchesterrauschen, aber immerhin auch gelegentliche impressionistische Tupfer, farbig und sehr filigran.
Extrem lange und von der Kondition her schwierig zu schaffende Gesangslinien machen es dem Fürther Ensemble nicht gerade leicht, doch vor allem Rebecca Broberg, Martina Borst und Nicholas Isherwood bewältigten am Premierenabend die zerdehnten Kantilenen hervorragend. Eine wirklich phänomenale Leistung boten die Nürnberger Symphoniker unter Frank Strobel, die sich bis zuletzt von den Wagnerschen Melodeien und symphonischen Bögen nicht beirren ließen.