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Rassismus-Debatte
Mainz streitet über ein 60 Jahre altes "Neger"-Logo

Das Logo der Mainzer Dachdeckerfirma Neger zeigt die stilisierte Figur einer schwarzen Person mit wulstigen Lippen und großen Ohrringen. Weil viele es als rassistisch empfinden, ist ein Streit entbrannt: Denn für die Mainzer ist das Logo eng verbunden mit dem verstorbenen Firmengründer, als "singender Dachdeckermeister" eine Kultfigur der Mainzer Fastnacht.

Von Anke Petermann | 01.04.2015
    Das Logo der Firma Ernst Neger zeigt eine stilisierte Buschfigur mit wulstigen Lippen und großen Ohrringen
    Der Traditionsbetrieb Ernst Neger verwendet seit 60 Jahren ein Logo, das von vielen als rassistisch empfunden wird. (picture alliance / dpa/ Fredrik von Erichsen)
    "Weg mit dem Logo" fordern auf dem Rathausplatz drei Dutzend Anhänger der gleichnamigen Kampagne, darunter viele schwarze Deutsche. Sie und ihre Unterstützer posieren für Bekennerfotos mit Transparenten wie "Rassismus fängt im Alltag an" und "Weg mit der Wegsehkultur".
    Die Firma Neger ist in ganz Mainz mit Wagen und Gerüsten unterwegs. Das Logo mit der Figur einer schwarzen Person mit Rock, wulstigen Lippen und großen Ohrringen ist allgegenwärtig.[**] Sandra Yaradouno und Quincy Ann Quaynor schauen zu ihren kleinen Töchtern:
    "Ihr Papa kommt aus Afrika, und ich möchte ihr nicht mehr erklären müssen, was dieses Logo zu bedeuten hat, weil es aus der Kolonialzeit stammt, und die Werte, die damit verbunden werden, heute nicht mehr gelten sollten."
    "Deswegen bin ich gegen dieses Logo, weil es Menschen mit dunkler Hautfarbe auf eine gewisse Art und Weise lächerlich macht und degradiert. Es nervt mich nicht nur, ich fühle mich sogar persönlich beleidigt."
    Konstatiert die junge Erzieherin. Und die Studentin Angelina Jellesen bestätigt:
    "Dieses Bild verletzt uns. Jedes Mal wieder, wenn ich das sehe, ist das eine Ohrfeige. Und ich sollte in Deutschland als deutscher Staatsbürger das Recht haben, das sagen zu dürfen, ohne dass mir Gewalt angedroht wird."
    Streit eskaliert in den sozialen Netzwerken
    Jellesen spielt an auf den Streit, der in den sozialen Netzwerken zum Krieg angeschwollen ist. Die Lager überziehen sich gegenseitig mit Drohungen, Diffamierungen und wechselseitigen Strafanzeigen. Linke und Burschenschaftler gehen aufeinander los.
    Firmenerbe Thomas Neger lässt ausrichten, er äußere sich vorerst nicht mehr. Der CDU-Stadtrat ist wie sein Großvater* Ernst Fastnachtssänger. In den Augen vieler Mainzer sind beide Ikonen, die eine stolze Tradition hochhalten, mit "Humba Täterä" und dem umstrittenen Logo. Felix Leidecker, Chef der Jungen Union Mainz, steht seinem Parteifreund Neger bei:
    "Nachdem sich Leute bei ihm gemeldet haben, die kundgetan haben, sie würden sich beleidigt fühlen, hat er sich mit ihnen an einen Tisch gesetzt, hat sich Gedanken gemacht und ist zu der Entscheidung gekommen, dass er sein Logo nicht ändert. Ich denke, auch das wird man, wenn das am Ende des Tages die Entscheidung von Herrn Neger ist, akzeptieren müssen. Er ist ja auch ein Geschäftsmann. Wenn er der Meinung wäre, dass er Leute damit beleidigt, wäre er doch der Erste, der das Logo ändern würde. Die Mehrheitsmeinung ist aber ganz klar eine andere, und ich glaube, Herr Neger wägt das auch durchaus ab. Ich persönlich habe bei dunkelhäutigen Freunden, die ich habe, nachgefragt, die haben gesagt, sie fühlen sich dadurch nicht rassistisch beleidigt. Ich denke, es ist wie immer in der Demokratie, nicht der, der am lautesten schreit, hat recht, sondern am Ende muss man sich annähern und einen Kompromiss finden."
    Doch nach Kompromiss sieht es nicht aus, weder in den sozialen Netzwerken, noch auf dem Mainzer Rathausplatz. Da gehen ein Neger-Fan und ein Logo-Gegner aufeinander los. "Wollen Sie sein Geschäft kaputt machen?", schimpft der Anhänger des Dachdeckers und "Hören Sie doch auf mit dem Kram!"
    "Sarotti-Mohr" wurde zum "Magier der Sinne"
    "Was denn, sein Geschäft kaputt machen, er hat doch genug Geld", kontert Fatmir, Kosovo-stämmiger Student, der seinen Nachnamen nicht preisgibt. Tatsächlich hat die Logo-Frage auch eine wirtschaftliche Dimension. Felix Leidecker von der Jungen Union, verweist auf das einstige Mohren-Logo, das zum "Magier der Sinne" umdesignt wurde:
    "Die Firma Sarotti, für die ist es kein großes Problem, mal schnell Hunderttausend Euro zu investieren in ein neues Corporate Design. Für ein kleines oder mittelständisches Unternehmen ist das natürlich noch mal was ganz anderes."
    Allerdings hat Thomas Neger aus dem kleinen Dachdeckerbetrieb inzwischen eine moderne Mehrspartenfirma für Fassaden, Metallsysteme und Solarenergie gemacht. Unternehmerisch geht er mit der Zeit. Design-Angebote für sein Logo bekommt er mittlerweile aus ganz Deutschland zugesandt. Warum also sollte der dynamische Mainzer Unternehmer nicht ein Firmensignet erneuern, das in die muffigen 50er-Jahren gehört?
    Das fragen sich Angelina Jellesen und Quincy Ann Quaynor. Zücken die beiden schwarzen Deutschen nicht die Rassismus-Keule und verharmlosen damit schlimmere Diskriminierung?
    "Ich glaub', derjenige, der das sagt, ist selbst nicht von Rassismus betroffen. Jeden Tag bei mir aus der Tür rauszugehen, ist schon Kampf genug. Und wenn ich mir das ein bisschen einfacher machen kann, ist das für mich den Kampf Wert."
    "Dass Leute, die damit überhaupt nichts zu tun haben, sagen, regt euch doch nicht so auf, das finde ich eine Frechheit. Sie werden ja nicht dadurch beleidigt. Und dann zu sagen, es ist doch nicht schlimm – es ist schlimm! Und das soll einfach gesehen werden."
    Der Streit geht jedenfalls weiter, und mit "Heile, heile Gänsje", wie einstmals Ernst Neger sang, dürfte es wohl nicht getan sein.

    [*] Im Audio und in einer früheren Onlinefassung bezeichnen wir Ernst Neger als Vater von Thomas Neger. Das ist falsch, es handelt sich um den Großvater (Anm. d. Red.)
    [**] Wir haben einen heute als diskriminierend wahrgenommenen Begriff ersetzt.