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Rat für Nachhaltige Entwicklung über die Zukunft der Kohle

Wer dachte, mit dem rot-grünen Beschluss zum langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie, sei die Luft raus aus der energiepolitischen Diskussion, der irrt. Das zeigen nicht nur die Diskussionen der vergangenen Wochen. Der Rat für nachhaltige Entwicklung mahnt derzeit sogar, dass wesentliche Entscheidungen erst noch anstehen. Zum Beispiel müssten in den nächsten zehn Jahren veraltete Kraftwerkskapazitäten von rund 40.000 Megawatt ersetzt werden – die große Frage sei aber, durch welche Form der Energiegewinnung. Denn fest stehe, was ab 2010 gebaut werde, dass stehe dann für rund 50 Jahre. Die Energiebetreiber brauchen also Planungssicherheit für diese gewaltigen Investitionen. Fritz Vahrenholt ist Energieexperte im Nachhaltigkeitsrat, der frühere Hamburger Umweltsenator vermisst aber derzeit eine Gesamtstrategie der Bundesregierung.

Dieter Nürnberger |
    Wie soll der Mix im Jahre 2020 eigentlich aussehen? Wir wissen, dass Kernkraftwerke vom Netz gehen, wir wissen, dass alte Kohlekraftwerke ersetzt werden müssen und wir haben ein weiteres Ziel: Wir müssen unbedingt mit dem Kohlendioxyd runter bis 2020. Deswegen unsere Forderung – wenn wir in Deutschland weiterhin Kohle nutzen, dann müssen die technischen Bedingungen für die CO2-Abscheidungen geschaffen werden. Wir brauchen eine fundamental andere Verstromung von Kohle. Wir brauchen ein kohlendioxydfreies Kraftwerk.

    "Leitlinien einer modernen Kohlepolitik" hat der Rat vor einem Monat verabschiedet und auch der Bundesregierung vorgelegt. Das Ja zur Kohle, zum derzeit schmutzigsten Energieträger, ist den künftigen Strombedürfnissen hierzulande und auch weltweit geschuldet. Doch weiß man gleichzeitig, dass ohne eine saubere Kohletechnologie dieser Energieträger wohl keine Zukunft haben wird. Der öffentliche Druck würde dies zunichte machen. Das Ziel für übermorgen heißt deshalb aus Sicht des Nachhaltigkeitsrates Verstromung von Kohle mit Null Emissionen. Und die technischen Voraussetzungen dafür seien bei weitem nicht so phantastisch, wie es scheine, sagt Vahrenholt, denn die entstehenden Schadstoffe könnten durch Filter und chemische Verfahren getrennt werden.

    Wir sind durch Membran-Technologie in der Lag, das zu trennen. Und wir sind in der Lage auch das entstehende CO2 abzuscheiden, zum Beispiel in Kalziumkarbonat. Wir können auch das abgetrennte Kohlendioxyd in tiefe geologische Schichten verpressen. Die Einzelbausteine sind somit bekannt. Wir müssen sie jetzt großtechnisch zusammenfügen. Wenn das nicht geschafft wird, dann wird es keine Perspektive für die Kohle geben. Und das wäre für uns als rohstoffarmes Land bitter, weil wir nur die Braunkohle in Deutschland als eigene Ressource haben – und deswegen müssen wir alles daran setzen, dass Kohle klimafreundlich wird.

    Vahrenholt plädiert deshalb für einen Musterreaktor mit Null-Emissionen. Und um die Entwicklung anzuschieben und auch, um keine weitere Zeit zu verlieren, sollte der Staat ein solches Projekt durch Fördergelder anschieben. Fest stehe aber auch: Ein solch sauberes Verfahren kostet Geld, Kosten, die auch der Endverbraucher aufbringen müsste.

    Der Strom wird etwa um zwanzig Prozent teurer werden. Das ist aber kein Beinbruch, denn Öl und Gas werden mit Sicherheit auch teurer werden. Die Erneuerbaren Energien werden dagegen preiswerter werden, sich nach unten anpassen. Die Amerikaner haben dies übrigens auch erkannt. Sie haben nun ein großes Programm aufgelegt, sie haben eine Milliarde Dollar zur Verfügung gestellt, um diesen Prozess zu erforschen. Wir reden ja auch über diese riesigen Kohlevorräte in China, in Australien oder in Indien. Wir werden diesen riesigen Energiehunger der Welt wahrscheinlich mit einem großen Zuwachs an Kohle befriedigen. Wenn wir das aber mit der heutigen Technik tun, dann bringen wir den Planeten aus den Fugen.

    Der Schutz der Atmosphäre kann bekanntlich nicht kostenlos sein. Doch zu den Perspektiven einer sauberen Kohleverstromung gehört eben auch, dass der, der die Technik schließlich entwickelt, einen großen, lukrativen und weltweiten Markt bedienen könnte.