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Rathaus 2.0
Folge 6: Erleuchtung übers Internet

E-Government. - Wäre es nicht interessant zu wissen, wie viel Energie die Menschen in einem Wohnviertel für das Heizen nutzen? Oder welche Interessen unabhängige Experten der EU haben? Oder welche Entscheidungen die lokalen Politiker in der Nachbarschaft so treffen? Um an solche Informationen zu kommen braucht man zumeist staatliche Daten und muss sie kombinieren. Diese Daten offen zu legen, ist auch eine Form des E-Governments.

Von Piotr Heller | 14.03.2014
    Lange Reihen von Lichtern laufen in der Mitte des Bildes zusammen. Es zeigt ein automatisches Lager für Magnet-Datenbänder in einem Nebenraum des Supercomputers "Blizzard" im Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg
    Die staatlichen Daten müssen für interessierte Bürger abgerufen und aufbereitet werden. (dpa picture alliance / Christian Charisius)
    Berlin Kreuzberg, ein Flachbau in einem Hinterhof. Hier wird Politik gemacht! Und zwar mit Daten. In der deutschen Zentrale der Open-Knowledge-Foundation arbeiten die Mitglieder des gemeinnützigen Vereins an einem riesigen, gemeinsamen Schreibtisch. An einem Ende sitzt Friedrich Lindenberg. Sein aktuelles Projekt heißt Openinterests.eu.
    "Open Interests ist ein Experiment, bei dem ich versuche, einen Katalog zu erstellen von all jenen, die politische Interesse in der EU haben."
    Lindenberg will zum Beispiel wissen, wie viele Brüssler Lobbyisten gleichzeitig in Expertengruppen der EU sitzen. Es sind 447. Dazu hat er verschiedene Informationen der EU in eine Datenbank übertragen. So lassen sie sich beliebig kombinieren, um Verflechtungen sichtbar zu machen.
    "Ich arbeite an FragDenStaat.de. Frag den Staat ist ein Portal im Internet, auf dem man als Bürger Informationsfreiheitsanfragen stellen kann. Die Anfragen werden per Email raus gesendet an die Behörden. Und die Behörde müssen antworten und wir veröffentlichen die Antworten auch im Internet."
    Der gemeinsame Nenner dieser Projekte ist: Sie nehmen Daten, die eine Relevanz für die Bürger haben, arbeiten sie auf, kombinieren sie und machen daraus Internet-Anwendungen. Davon zeugen auch die Plakate an den Backsteinwänden der Zentrale. Da hängt das von "Energy Hack", einem Treffen, bei dem 70 Entwickler Anwendungen aus Berliner Energiedaten gebaut haben. Daraus entstand unter anderem eine Karte des Energieverbrauchs der Stadt. Daneben hängt ein Poster mit der Aufschrift "Stadt Land Code".
    "Wir haben Stadt Land Code vor anderthalb Jahren gestartet als Inkubator. Als ein Programm, mit dem wir rausfinden wollen: Wer arbeitet noch an offenen Daten? Und haben dazu aufgerufen, uns Einreichungen zuzuschicken. Haben dann die zehn besten Einreichungen ausgewählt, die Teams nach Berlin eingeladen zum einem Workshop, weil wir die auch kennenlernen wollten. Und prämiert wurden drei Anwendungen, die Geld für die Umsetzung bekommen haben",
    sagt Julia Kloiber, Projektleiterin bei der Open-Knowledge-Foundation. Unter den drei prämierten Projekten war auch ernte-teilen.org, eine Plattform, die Stadtbewohner mit Biobauern in der Nähe zusammenbringt. Sie soll noch diesen Monat fertig werden. Die Open-Knowledge-Foundation will mit solchen Aktionen die Nutzung von offenen Daten fördern. Doch was sind offene Daten überhaupt?
    Kloiber: "Wenn man über offene Daten spricht, spricht man meistens über Daten, die vom Staat, die von Behörden erhoben und aggregiert werden mit Hilfe von Steuergeldern. Und das sind Daten, die unser aller Leben als Bürger betreffen, die Politik transparenter machen wie Budgetdaten oder auch Daten im Servicebereich wie Transportdaten, Nahverkehrsdaten. Es geht darum, dass der Staat transparenter wird, nicht der Bürger."
    Die Regierung kommt dieser Forderung nach Daten mittlerweile entgegen. Viele Städte legen in Portalen ihre Daten offen. Und als ein Resultat der Nationalen E-Government-Strategie arbeitet der Bund an einem deutschen Datenportal. Über 6000 Datensätze von Bevölkerungs- bis hin zu Verkehrsdaten sind dort zu finden. Doch wenn die Städte ihre Daten nicht offen bereitstellen, holen die Entwickler sie sich eben selbst. So auch Ernesto Ruge, der das Portal OpenRuhr betreut. Er lädt Daten über Baustellen und Beschlüsse aus den Ratsinformationssystemen der Städte Moers, Bochum und Duisburg herunter. Besser gesagt, er lässt sie laden:
    "Wir simulieren einen Nutzer, der alle Dokumente einzeln per Klick herunterlädt. Das geht natürlich nicht mit einem Nutzer, sondern mit einem Skript, einem Scraper einem so genannten, der dann die Daten alle automatisch herunterzieht."
    Die Daten und Dokumente verknüpft Ernesto Ruge mit Straßen und zeigt sie auf einer Karte. So können Bürger der Städte Straßennamen eingeben und sehen, was das die Politik in der Umgebung entscheidet. Auf diese erzwungene Offenheit reagieren die Städte allerdings unterschiedlich .
    "Duisburg hat keine Reaktion gegeben, während Moers von Anfang an mit dabei war und auch bei der Gründung von OpenRuhr mir dabei war."
    "Mit dabei" heißt unter anderem, dass Moers seine Daten unter eine offene Lizenz gestellt hat, um Ruge Rechtssicherheit zu geben. Damit Kommunen in Zukunft öfter mit der Open-Data-Gemeinde zusammenarbeiten, bereitet die Open-Knowledge-Foundation gerade das Projekt Code for Germany vor. Es orientiert sich an dem US-Projekt Code for America und sieht lokale Entwicklerteams vor, die mit Stadtverwaltungen zusammenarbeiten. Köln, München, Berlin und fünf weitere Städte sind bereits mit dabei.