Krüger: Es ist sicherlich eine Überschrift, die ein bisschen zusammenfassen und bebildern soll, worum es geht. Es geht um den Stellenwert der ästhetischen Erziehung in unserer Gesellschaft und an den verschiedenen Lernorten: in der Schule, in der außerschulischen Bildung. Unser Eindruck ist, dass die ästhetische Erziehung leider peripher ist, in jeder Hinsicht, obwohl wir nicht darunter leiden, dass es zu wenig kulturelle Angebote gibt. Es gibt aber zu wenig Reflektions- und Vermittlungsmöglichkeiten dafür. Nach PISA strebt alles danach, eine Standardisierung von Wissen dergestalt vorzunehmen, dass es Nützlichkeitskriterien unterworfen wird. Der Bundespräsident hat gestern klar und deutlich gemacht, dass genau dieses ein Problem darstellt, wenn ich alles Nützlichkeitskriterien unterwerfe, dann tue ich das zu Lasten von Kreativität und Freiheit. Und genau das kann ästhetische Erziehung besonders gut leisten, nämlich andere Dimensionen, sinnliche, emotive Lernfelder aufrufen und damit sozusagen etwas zum Selbstbewusstsein der Menschen beitragen. Dazu ist ästhetische Erziehung wirklich eine wichtige Investition.
Noltze: Wie konnte es denn passieren, dass die ästhetische Bildung, das Musikalische, das Künstlerische, das Literarische so zu verwehen scheint? Ist es nur die Einsinnigkeit, die Überbetonung des Effektiven?
Krüger: Ich glaube, einer der Gründe ist es, dass wir es in unserer Gesellschaft mit einer Ökonomisierung zu tun haben. Wir lernen nicht mehr für uns selbst, sondern wir lernen, für den Arbeitsmarkt. Hier muss umgesteuert werden und hier muss deutlich gemacht werden, was eigentlich ästhetische Erziehung an Potentialen alles leisten kann.
Noltze: Was und wie wäre denn dagegen zu setzten?
Krüger: Wichtig ist, dass man in der schwierigen Lage, in der sich Kinder und Jugendliche befinden, lebensweltlich ansetzt. Dass heißt, dass man die Subjektivität, die sehr widersprüchlich ist von Kindern und Jugendlichen, nicht als negativen Ausgangspunkt nimmt - so nach dem Motto, der Werteverfall in unserer Gesellschaft, den haben wir nur den bösen Kindern und Jugendlichen zu verdanken, die über die Stränge schlagen - sondern im Gegenteil, diese Widersprüchlichkeit im Prozess des Erwachsenwerdens, als positiven Ausgangspunkt zu nehmen. Friedrich Schiller, den wir ja im nächsten Jahr hoch und runter zitieren werden, hat einmal gesagt: "Zur wahren politischen Freiheit komme ich nur mit Hilfe der Schönheit, weil die Schönheit es ist, durch die ich zur Freiheit wandere." Ich finde, das ist eine sehr richtige Bemerkung, die eigentlich deutlich macht, dass das, was wir unter ökonomischen Kriterien - denen müssen wir uns ja auch aussetzen - leben, nichts ist und insgesamt nichts sein kann, wenn nicht diese ästhetischen Komponenten hinzutreten, die eigentlich unser Leben erst lebenswert machen.
Noltze: Jetzt kommen Sie, Herr Krüger, mit Schiller und darüber können wir uns schnell verständigen, aber wie vermeidet man den Gestus der Herablassung, dass wir heute Etablierten im Besitz eines Gutes sind, dass den Nachfolgenden nur richtig vermittelt werden muss?
Krüger: Wir müssen uns hüten, so zu tun, als wenn wir einen bestimmten Kanon des Kulturellen in Besitz haben, also die Oper und das bestimmte literarische Werk und so weiter und so fort. Junge Menschen leben heute in jungen kulturellen Kontexten. Sie erleben eigentlich Kultur und diese Erfahrungen und Erlebnisse zu verknüpfen mit den Erfahrungen und Erlebnissen ihrer Eltern- und Großelterngenerationen ist eigentlich die pädagogische Aufgabe. Es geht also nicht darum, das Eine gegen das Andere auszuspielen oder das so genannte "Jugendkulturelle", "Flache" wegzudrücken durch das Hochkulturelle, durch das wahrhaft Kulturelle, was wir als Erwachsene dafür halten. Sondern wir müssen eigentlich die Ausgangserfahrung, die Lebensweltbezüge von Kindern und Jugendlichen zum Ansatzpunkt nehmen und da eben das, was kulturell eine Rolle spielt, mitvermitteln. Das heißt damit allerdings auch, dass ästhetische Erziehung auch kognitive Wissensvermittlung bedeutet. Sonst kann ich nämlich ein bestimmtes Bild von Rembrandt nicht mehr entziffern, nicht mehr verstehen, nicht mehr zuordnen. Genau dieses Wissen, was ich brauche, um Bilder zu entziffern, um musikalische Sprache zu verstehen, um literarische Werke einzuordnen, gehört natürlich auch zur ästhetischen Bildung dazu und macht eigentlich erst im Zusammenhang mit eigenem Produzieren das aus, was ästhetische Erziehung und ästhetische Bildung insgesamt sein will.
Noltze: Wie konnte es denn passieren, dass die ästhetische Bildung, das Musikalische, das Künstlerische, das Literarische so zu verwehen scheint? Ist es nur die Einsinnigkeit, die Überbetonung des Effektiven?
Krüger: Ich glaube, einer der Gründe ist es, dass wir es in unserer Gesellschaft mit einer Ökonomisierung zu tun haben. Wir lernen nicht mehr für uns selbst, sondern wir lernen, für den Arbeitsmarkt. Hier muss umgesteuert werden und hier muss deutlich gemacht werden, was eigentlich ästhetische Erziehung an Potentialen alles leisten kann.
Noltze: Was und wie wäre denn dagegen zu setzten?
Krüger: Wichtig ist, dass man in der schwierigen Lage, in der sich Kinder und Jugendliche befinden, lebensweltlich ansetzt. Dass heißt, dass man die Subjektivität, die sehr widersprüchlich ist von Kindern und Jugendlichen, nicht als negativen Ausgangspunkt nimmt - so nach dem Motto, der Werteverfall in unserer Gesellschaft, den haben wir nur den bösen Kindern und Jugendlichen zu verdanken, die über die Stränge schlagen - sondern im Gegenteil, diese Widersprüchlichkeit im Prozess des Erwachsenwerdens, als positiven Ausgangspunkt zu nehmen. Friedrich Schiller, den wir ja im nächsten Jahr hoch und runter zitieren werden, hat einmal gesagt: "Zur wahren politischen Freiheit komme ich nur mit Hilfe der Schönheit, weil die Schönheit es ist, durch die ich zur Freiheit wandere." Ich finde, das ist eine sehr richtige Bemerkung, die eigentlich deutlich macht, dass das, was wir unter ökonomischen Kriterien - denen müssen wir uns ja auch aussetzen - leben, nichts ist und insgesamt nichts sein kann, wenn nicht diese ästhetischen Komponenten hinzutreten, die eigentlich unser Leben erst lebenswert machen.
Noltze: Jetzt kommen Sie, Herr Krüger, mit Schiller und darüber können wir uns schnell verständigen, aber wie vermeidet man den Gestus der Herablassung, dass wir heute Etablierten im Besitz eines Gutes sind, dass den Nachfolgenden nur richtig vermittelt werden muss?
Krüger: Wir müssen uns hüten, so zu tun, als wenn wir einen bestimmten Kanon des Kulturellen in Besitz haben, also die Oper und das bestimmte literarische Werk und so weiter und so fort. Junge Menschen leben heute in jungen kulturellen Kontexten. Sie erleben eigentlich Kultur und diese Erfahrungen und Erlebnisse zu verknüpfen mit den Erfahrungen und Erlebnissen ihrer Eltern- und Großelterngenerationen ist eigentlich die pädagogische Aufgabe. Es geht also nicht darum, das Eine gegen das Andere auszuspielen oder das so genannte "Jugendkulturelle", "Flache" wegzudrücken durch das Hochkulturelle, durch das wahrhaft Kulturelle, was wir als Erwachsene dafür halten. Sondern wir müssen eigentlich die Ausgangserfahrung, die Lebensweltbezüge von Kindern und Jugendlichen zum Ansatzpunkt nehmen und da eben das, was kulturell eine Rolle spielt, mitvermitteln. Das heißt damit allerdings auch, dass ästhetische Erziehung auch kognitive Wissensvermittlung bedeutet. Sonst kann ich nämlich ein bestimmtes Bild von Rembrandt nicht mehr entziffern, nicht mehr verstehen, nicht mehr zuordnen. Genau dieses Wissen, was ich brauche, um Bilder zu entziffern, um musikalische Sprache zu verstehen, um literarische Werke einzuordnen, gehört natürlich auch zur ästhetischen Bildung dazu und macht eigentlich erst im Zusammenhang mit eigenem Produzieren das aus, was ästhetische Erziehung und ästhetische Bildung insgesamt sein will.