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Ratten im Schlaraffenland

Ernährung.- Offensichtlich macht Fastfood nicht nur dick, sondern auch abhängig. Das zumindest haben nun Forscher in einer Studie mit Ratten herausgefunden. Der Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek informiert im Interview mit Monika Seynsche über die Einzelheiten.

29.03.2010
    Monika Seynsche: Ernährungsberater wettern seit Jahren gegen Fastfood – gegen fettige Pommes, gegen Burger mit reichlich Mayonnaise und so weiter. Ihr immer gleiches Mantra lautet für die Übergewichtigen, die Ernährung umzustellen auf Gemüse, Obst und Vollkornprodukte. Der Erfolg allerdings tendiert gegen Null. Vielleicht können die Betroffenen einfach gar nichts dafür. Eine Studie an Ratten nämlich deutet darauf hin, dass Fastfood ähnlich wirkt wie eine Droge und abhängig macht. Volker Mrasek hat sich die Studie angeschaut. Herr Mrasek, was haben die Forscher denn mit den Ratten gemacht?

    Volker Mrasek: Die Forscher hatten ganz normale Laborratten, haben sie 40 Tage lang in einem äußerst interessanten Experiment gehabt, haben mit 30 männlichen Laborraten gearbeitet und sie in drei Gruppen aufgeteilt. Die eine, die war arm dran, sollte man meinen: die bekam normales Labortierfutter, irgendein ödes Zeug. Die zweite Gruppe ebenfalls im Prinzip dieses Laborfutter, hatte aber eine Stunde lang Zugang zu sehr fett- und kalorienreicher Nahrung. Und dann gab es noch eine dritte Gruppe, die konnte sich mehr als 18 Stunden lang pro Tag, also praktisch unentwegt an sogenannter Cafeteria-Kost laben. Und warum die Forscher diese Kost so genannt haben, das wird schnell klar, wenn man sich anschaut, was den Ratten da vorgesetzt wurde. Das war Schinken, das waren Würste, das war Käsekuchen und das waren Schokoladenkekse – also das war ein Schlaraffenland für Laborratten, die sich gerne an fettigem Zeug laben.

    Seynsche: Und was ist bei diesen Versuchen herausgekommen?

    Mrasek: Zunächst einmal etwas überhaupt nicht überraschendes: Diese Dauerfettesser unter den Ratten nahmen natürlich viel stärker zu als die Tiere der ersten und zweiten Gruppe, die wurden fettleibig, bekamen Übergewicht, wie die Forscher festgestellt haben. Aber ein viel spannenderer Befund ist, dass in einer Gehirnregion dieser Ratten – die nennt man Streifenkörper und der ist tief in den beiden Großhirnhälften eingebettet. In dieser Gehirnregion traten sehr markante biochemische Veränderungen auf, wie man sie auch schon bei Heroin oder Kokain, also bei Rauschgiftsüchtigen festgestellt hat beim Menschen. Und diese Veränderungen haben mit dem Belohnungssystem des Gehirns zu tun und mit seinen chemischen Schaltkreisen. Und sie führen dazu, dass dieses Belohnungssystem eine Unterfunktion entwickelt und dazu, dass die Reizschwelle, um immer wieder eine Befriedigung, in diesem Fall durch das Essen, zu erlangen, dass die immer mehr steigt, je mehr man von einem Stoff zu sich nimmt. Und das war eben auch bei den Laborratten so: die konnten eben ständig Wurst und Kuchen essen und brauchten dann praktisch einen immer stärkeren Kick, damit ihr Belohnungssystem noch dieses Gefühl von Befriedigung verschafft hat. Und das führte halt zu zwanghaftem Konsum und zu einer Form von Abhängigkeit, die offenbar derjenigen ähnelt, die man auch bei der Rauschgiftsucht antrifft.

    Seynsche: Und was folgern die Autoren jetzt aus dieser Studie?

    Mrasek: Die entscheidende Frage ist jetzt natürlich: Muss man davon ausgehen, dass fett- und kalorienreiches Essen genauso abhängig machen kann wie bekannte Rauschgifte oder vielleicht auch Nikotin, also wie das Rauchen? Und dazu kann man sagen, dass diese neue Studie der US-Forscher weitere Hinweise geliefert hat, dass es tatsächlich so sein könnte. Es ist nicht die erste Studie, die sich mit dieser Thematik beschäftigt. Und außerdem wurden die Ergebnisse ja an Ratten erzielt, also an Labortieren. Das heißt, man kann sie nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen, das muss man sagen. Aber die Studie hat als erste diese bemerkenswerte biochemische Übereinstimmung herausgearbeitet. Also sowohl bei Kokainsüchtigen, das war bekannt, wie auch bei diesen Kalorienbomben verzehrenden Versuchsratten führt der Konsum dazu, dass das Belohnungssystem des Gehirns verändert wird, dass es nicht mehr richtig funktioniert und dass es immer stärker gereizt werden muss, um zu reagieren. Die Folge ist ein zwanghaftes Verhalten. Ein anderes Wort dafür wäre Sucht und in diesem Sinne gäbe es dann eben auch Esssüchtige, beziehungsweise sogar Leute, die zwanghaft immer mehr essen müssen, weil die Reizschwelle eben ansteigt. Und viele Mediziner und Ernährungswissenschaftler kennen ja auch Fälle, in denen ihnen Übergewichtige sagen, wir würden liebend gerne weniger essen, aber es geht einfach nicht. Wir kriegen das nicht hin. Also wie ein Suchtverhalten.

    Seynsche: Und wie kann man solchen Leuten jetzt helfen mit den Ergebnissen dieser Studie?

    Mrasek: Also man sagt ja heute, dass die Verfügbarkeit von Lebensmitteln kritisch ist. Dass also Leute ständig Zugang zu Nahrungsmitteln mit hohem Energiegehalt haben und dann greifen sie eben zu. Dann essen sie mehr als nötig und werden übergewichtig. Das ist der Nachteil dieser Fastfood-Kultur, die wir in den westlichen Industrieländern haben. Und die neue Studie bestätigt das. Auch Laborratten spürten offenbar ständig diese Versuchung, fettreicher Kost zu frönen, obwohl es im Übermaß genossen ungesund ist. Selbst diese Ratten haben sich so verhalten und das führte zu der Abhängigkeit. Man muss also sagen: irgendwie weg mit allem was fettreich ist und allzeit zur Verfügung steht. Aber das ist natürlich schwer in unserer Fastfood-Kultur.

    Seynsche: Vielen Dank. Volker Mrasek war das über Fastfood, das süchtig macht.