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Raubkopierte Noten
Musikverlage wollen die Unterstützung der Politik

Die deutschen Musikverleger haben die Politik aufgefordert, die Gesetze gegen illegale Kopien zu verschärfen. Dagmar Sikorski, Präsidentin des Musikverleger-Verbandes, sagte im Deutschlandfunk, bei den im Netz neu entstandenen Auswertungsformen bestehe eine rechtliche Grauzone. Eine Anpassung des Urheberrechts sei überfällig.

Dagmar Sikorski im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 24.06.2014
    Eine Geige, eine Flöte, eine Mundharmonika und ein Banjo liegen auf einem Notenblatt.
    Ohne Noten keine Musik (picture-alliance / dpa / Wolfgang Thieme)
    Doris Schäfer-Noske: Sie stehen etwas im Schatten von Suhrkamp und Ullstein, Hanser, Rowohlt oder Hoffmann und Campe. Die Rede ist von den Musikverlagen. Auch hier gibt es die Traditionshäuser wie Breitkopf & Härtel: Das ist der älteste Musikverlag der Welt, der schon Mozarts Opern und Beethovens Symphonien herausgebracht hat. Wer selber Musik macht, der kennt natürlich auch die Edition Peters oder Schott. Nun sind Vertreter von 400 Musikverlagen zur Jahrestagung des Deutschen Musikverleger-Verbandes nach Osnabrück gekommen. Der Musikverleger-Verband ist so was wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. - Frage an die Präsidentin des Verbandes, Dagmar Sikorski: Wie sieht denn die wirtschaftliche Situation der Musikverlage zurzeit aus?
    Dagmar Sikorski: Gott sei Dank ist es nicht so schlecht, denn wenn es uns schlecht geht, geht es jemandem anders noch viel schlechter. Das sind unsere Autoren, und um die geht es ja eigentlich am meisten hier, denn wir sind diejenigen, die versuchen, deren Rechte zu wahren und darauf zu achten, dass die auch an jeder Verwertung ihrer Musik dran beteiligt sind.
    Schäfer-Noske: Was macht denn den größten Teil des Gesamtumsatzes der Musikverlage aus?
    Sikorski: Der Gesamtumsatz der Musikverlage, der größte Teil setzt sich zusammen aus verschiedenen Teilbereichen. Einmal ist es der Verkauf von CDs, dann die sogenannten Senderechte von den Rundfunkanstalten und Fernsehsendern, und, was natürlich auch ganz wichtig ist, die öffentlichen Aufführungen. Um das Geld zu kassieren, da hilft uns die GEMA, denn es geht ja nicht, dass jeder Berechtigte sozusagen selbst hinläuft und sagt bei jedem Veranstalter, passt auf, gestern Abend habt ihr diesen Titel von mir in eurem Konzert gespielt beziehungsweise meinen Titel gesendet.
    Einige Verlage drucken gar keine Noten mehr
    Schäfer-Noske: Welche Rolle spielt denn eigentlich noch die gedruckte Partitur bei den Musikverlegern?
    Sikorski: Bei einigen eine große, das sind die Verleger der klassischen Musik, die ja auch nicht nur über Rechte ihr Geld verdienen, sondern einfach auch im Verkauf. Wenn jemand für seine Klavier spielende Tochter die Elise kauft, dann sind da ja gar keine Autoren mehr dran, dann geht es hier nur um das Papiergeschäft.
    Aber es gibt natürlich auch Bearbeitungen der modernen Titel, die in der Hitparade sind, eben für E-Gitarre und Bands. Da verdienen dann auch Autoren dran. Aber um ehrlich zu sein: Es gibt viele große Verlage, die gar kein Papiergeschäft mehr haben, also die Noten verkaufen. Die geben dann ihre Lizenzen an Verlage, die sich damit beschäftigen, eben alle die schönsten Hits für Klavier zusammenzustellen. Einige Verlage kennen das gar nicht mehr, dass man Noten eigentlich auch druckt.
    Schäfer-Noske: Und inwieweit hat das Internet da auch den Handel mit den Noten verändert? Gibt es denn da auch klassische Musikverlage, die sich im Internet ein Geschäft aufgebaut haben?
    Sikorski: Ja, das gibt es. Es gibt auch dort inzwischen Notenportale. Auch bei klassischen Sachen gibt es ja Bearbeitungen. Da sind dann doch wieder Leute dran beteiligt. Deswegen gibt es diese Portale, wo bezahlt wird.
    Komponisten können nicht auf Konzertreise gehen
    Schäfer-Noske: Wodurch entsteht denn den Musikverlagen der größte Verlust?
    Sikorski: Eben durch die illegalen Kopien, und er entsteht ja nicht den Musikverlagen, sondern im Endeffekt eigentlich den Autoren, die von ihnen vertreten werden. Das ist ja das Schlimme. Das ist ja nicht eine komische Firma, sondern hinter dieser komischen Firma oder hinter diesem komischen Verlag stehen Menschen aus Fleisch und Blut, und das sind die Komponisten, die dieses kreativ schaffen. Wenn dem Interpreten es schlecht geht oder so, kann er immer noch mal wieder sagen, jetzt mache ich eine Konzertreise. Wie soll das ein Autor machen oder ein Komponist? Der kann nicht auf einmal sagen, ich gehe jetzt auf Konzertreise.
    Schäfer-Noske: Das Thema Urheberrecht ist auch ein großes Thema auf Ihrer Jahrestagung in Osnabrück. Welche Forderungen gibt es da von Ihrer Seite auch politischer Art?
    Sikorski: Wir wollen die Unterstützung der Politik dabei haben, unsere Rechte durchzusetzen. Leider hat die letzte Legislaturperiode keine Zeit gefunden, den lang überfälligen sogenannten dritten Korb des Urheberrechts umzusetzen. Das heißt, die ganzen neu entstandenen Auswertungsformen sind noch gar nicht gesetzlich erfasst, und dadurch ist das eine Grauzone.
    Es ist klar, dass das gezahlt werden muss, aber in welchem Wege das passieren soll und wer dafür haftbar gemacht werden soll, wenn eben nicht gezahlt wird, das ist noch nicht festgelegt.
    Schäfer-Noske: Wie könnte denn ein Gesetz aussehen, das das regelt?
    Sikorski: Da gibt es zwei große Forderungen von uns: Einmal, dass die Provider, also derjenige, der die Plattform zur Verfügung stellt, dass der auch haftbar gemacht werden kann, wenn er davon weiß, dass illegal bei ihm was vermarktet wird.
    Und das Zweite ist, dass Leute, wenn wir im Streit mit denen sind und die wissen, dass wir jetzt eine Lizenz zahlen müssen, dass die zumindest im Anfang schon Gelder in der Höhe von einer normalen Lizenz hinterlegen müssen.
    Unser Problem ist, dass manche Rechtsverfahren so lange dauern, dass dann diejenigen Firmen schon gar nicht mehr am Markt agieren, geschweige denn, dass da noch irgendwelches Geld zu holen ist. Dann haben wir zwar einen gewonnenen Prozess, aber kein Geld.
    Schäfer-Noske: Dagmar Sikorski war das, die Präsidentin des Deutschen Musikverleger-Verbandes, über die Jahrestagung der Musikverleger in Osnabrück.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.