Dienstag, 23. April 2024

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Raubkunst
Baden-Württemberg gibt Nazibeute zurück

1941 haben deutsche Archäologen Ausgrabungen aus den frühesten Kulturperioden Thessaliens, 6. bis 4. Jahrtausend - im damals von der Wehrmacht besetzten Griechenland - geborgen. Über Jahrzehnte hinweg schlummerten die Kisten mit den Fundstücken im Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen am Bodensee. Jetzt wurde die NS-Raubkunst an Griechenland zurück gegeben.

Von Thomas Wagner | 18.06.2014
    Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter hält am 18.02.2013 im Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen (Baden-Württemberg) eine rot-schwarz bemalte Keramik der griechischen Jungsteinzeit um 4.800 vor Christus neben einem Schreiben von Hitlers Chefideologen Alfred Rosenberg an Professor Hans Reinerth von der Reichsleitung in der Hand. Das Pfahlbaumuseum in Uhldingen am Bodensee will Griechenland rund 10 000 Tonscherben aus der Jungsteinzeit zurückgeben. Sie wurden 1941 unter Hitlers Chefideologen Alfred Rosenberg von deutschen Archäologen ausgegraben - damals mit der Genehmigung griechischer Behörden.
    Das Pfahlbaumuseum in Uhldingen am Bodensee will Griechenland rund 10.000 Tonscherben aus der Jungsteinzeit zurückgeben. (picture alliance / dpa / Felix Kästle)
    Das Spiel auf der historischen Hirtenflöte, nachgebaut nach Originalfunden aus de Bronzezeit, mischt sich in das leise Rauschen des vom nahen Bodenseeufer herüberwehenden Windes. Vor den Nachbauten historischer Pfahlbauhäuser, die auf hölzernen Pfählen im Flachwasser des Bodensees stehen, haben sich gut zwei Dutzend Gäste versammelt. Festtagskleidung ist angesagt - es gilt etwas zu feiern:
    "Die Fundstücke, die wir heute übergeben, stammen aus den frühesten Kulturperioden Thessaliens, 6. bis 4. Jahrtausend, und gelangten nach ihren Ausgrabungen nach Berlin, an die Humboldt-Universität."
    23 Kisten Raubkunst werden nach Griechenland geschickt
    Staatssekretär Jürgen Walter vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst steht während seiner Ansprache nur zwei Meter entfernt von 23 versandfertig gepackten Kisten. Bestimmungsort: Griechenland. Sie Kisten sind, so der Archäologe Professor Gunter Schöbel, Direktor des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen, vollgepackt mit ...
    "Gefäßen, bemalter Keramik, Steinbeilen, mit Klingen, mit Feuerstein-Geräten, also mit den üblichen Grabungsergebnissen."
    Im Herbst 1941, haben deutsche Archäologen dies alles geborgen – im damals von der Wehrmacht besetzten Griechenland. Im Auftrag des nationalsozialistischen "Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg" machten sie sich auf den Weg in die Region Thessalien im Norden Griechenlands. In einer frühsteinzeitlichen Siedlung zwischen den Städten Volos und Laris brachten sie die Funde bei einer umfangreichen Tagung ans Tageslicht. Dahinter allerdings stand eine ideologisch geprägte Zielsetzung: Im Auftrag des „Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg" wollten die Archäologen seinerzeit beweisen, dass die griechische Geschichte eigentlich nordisch-germanisch geprägt ist, durch die angebliche Ansiedlung germanischer Siedler in grauer Vorzeit. Gunter Schöbel:
    "Als 1933 das NS-Regime an die Macht kam, war es natürlich schick, das Indo-Germanentum und frühere Ausgriffe germanischer Volksstämme in alle Richtungen belegen zu können."
    "Die Kategorien der Bestimmung waren so grob gehalten, dass das natürlich glückte und man in Thessalien kennzeichnende rechteckige Hausgrundrisse festhielt, die man aus ur-indogermanisch begriff."
    Nachweis aus heutiger Sicht gefaket
    Allerdings, so Archäologe Gunter Schöbel vom Pfahlbaumuseum Unteruhldingen, hielt diese Deutung der Funde später einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand.
    "Der Nachweis ist, wenn man das aus heutiger Sicht betrachtet, gefaket. Man brachte Dinge zusammen, die man so nicht zusammenbringen durfte. Aber es diente eben einer ideologischen Verankerung einer frühen Geschichte Griechenlands."
    Grabungsleiter war damals der Archäologe Hans Reinerth, gleichzeitig NSDAP-Mitglied. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er nach kurzer Internierungszeit zum Direktor des von einem privaten Verein getragenen Pfahlbaumuseums Unteruhldingen ernannt. Er war es dann auch, der über seine Verbindungen einen Teil der Funde aus Griechenland Mitte der 50er Jahre ins Pfahlbaumuseum Unteruhldingen bringen ließ - kein einfaches Unterfangen. Denn die Begehrlichkeiten in der Fachwelt nach diesen Funden war riesengroß, so der heutige Direktor der Pfahlbaumuseums Unteruhldingen, Gunter Schöbel:
    "Es war eine förmliche Jagd nach diesen Kisten. Denn die archäologischen Kollegen wollten sie haben."
    Dornröschenschlaf im Pfahlbaumuseum
    Über Jahrzehnte hinweg schlummerten die Kisten mit den Fundstücken aus dem nordgriechischen Thessalien einen Dornröschenschlaf im Pfahlbaumuseum am Bodensee. Erst nach Reinerths Tod im Jahre 1990 machte sich dessen Nachfolger im Amt des Museumsdirektors an die Arbeit, die riesigen Bestände im Archiv zu sichten. Dabei stieß er unter anderem auf eingelagerte Beutekunst aus der Ukraine, die er bereits Mitte der 90er Jahre nach Kiew zurückbrachte. Auch bei deren Einlagerung nach Kriegsende hatte das NSDAP-Mitglied Reinerth die Finger im Spiel. Für dessen Nachfolger Gunter Schöbel gilt dagegen der klare Grundsatz:
    "Das politische Signal ist: Wir sind der Meinung, dass jedes Land das Recht hat, die Zeugnisse seiner eigenen Kultur bei sich zu haben."
    Deshalb werden zur Stunde auch die griechischen Funde zurückgegeben. Die Rückgabe stellt für Schöbel den Auftakt eines neuen Kapitels archäologischer Forschung dar: Denn nun können griechische und deutsche Wissenschaftler gemeinsam und völlig ideologiefrei aus den Funden neue Erkenntnisse über die die Frühgeschichte Griechenlands herauslesen. Das ist auch für die Vertreter Griechenlands wichtig.
    Maria Vlasaki ist Generaldirektorin der Organisation für Altertümer und Kulturerbe Griechenlands. Bei den Funden handele es sich um jahrtausendalte Zeugen der Vergangenheit, sagt sie auf Griechisch. Und, dann ganz wichtig:
    "Die Verantwortlichen des Pfahlbaumuseums hier am Bodensee sehen das gottseidank genauso. Wir glauben gemeinsam, dass all diese Kulturgüter in ihre Heimat, nach Griechenland, zurückkehren müssen."