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Raubkunst-Forschungsinitiative
"Dieses Modellprojekt wird Zukunft haben"

Gemälde, Skulpturen, Möbel: Nach 1933 verkauften die Nazis die komplette Sammlung des Kunstmäzens Rudolf Mosse. Nun haben sich seine Erben mit mehreren Institutionen zusammengetan, um sie wieder zusammenzutragen. Dieser neue Weg der Restitution sei eine Herausforderung, so Meike Hoffmann von der FU Berlin im DLF.

Meike Hoffmann im Gespräch mit Beatrix Novy | 07.03.2017
    Ludwig von Hofmanns «Frühlingssturm» (M, 1894/95), aus der Sammlung des Berliner Zeitungsverlegers Rudolf Mosse (1843-1920).
    Viele Werke des Kunstsammlers Rudolf Mosse wurden von den Nazis verkauft. (dpa / picture-alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Beatrix Novy: Rudolf Mosse, Verleger, Begründer eines Zeitungsimperiums im späten 19. Jahrhundert, Jude, Vertreter des liberal-konservativen Bürgertums, aber sozialreformerisch gesinnt, er war auch Kunstmäzen. 1920 ist er gestorben. Die Kunstwerke, die er gesammelt hatte, verkauften nach 1933 die Nazis und behielten das Geld. Nur wenige Stücke sind in letzter Zeit wieder aufgetaucht.
    Und jetzt passiert etwas, was in der inzwischen auch schon langen Geschichte der Raubkunst-Aufarbeitung noch nicht da war: Die Erben des Sammlers und deutsche Institutionen tun sich zusammen. Unter dem Dach der Freien Universität Berlin wird die "Mosse Art Research Initiative" arbeiten.
    Meike Hoffmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut der FU, habe ich gefragt, um was es sich bei dieser riesengroßen Sammlung von Rudolf Mosse eigentlich handelte.
    Meike Hoffmann: Rudolf Mosse war ja ein typischer Sammler der Hochphase des Berliner Mäzenatentums, und er hat sich speziell auf deutsche Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts spezialisiert, das heißt des Realismus - Gemälde und auch Skulpturen.
    Er hat daneben aber auch andere Kunstwerke gesammelt. Er hat dieser Kunst quasi einen kunstgeschichtlichen Boden bereitet, auch gezeigt, woraus sich das entwickelt hat. Er hat daneben aber auch Ostasiatiker gesammelt, Meissener Porzellan, französische Möbel, chinesische Rubellins. Aber der Schwerpunkt lag auf Gemälden und Skulpturen des 19. Jahrhunderts.
    Die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann spricht am 05.11.2013 in Augsburg (Bayern) während einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Augsburg zum spektakulären Kunstfund in München.
    Die Restitution der Mosse-Sammlung werde viel Zeit in Anspruch nehmen, so Kunsthistorikerin Meike Hoffmann. (dpa / picture-alliance / Marc Müller)
    Novy: Bisher sind die Erben ja den normalen Weg gegangen. Jetzt möchten sie was anderes machen und haben sich mit mehreren Institutionen zusammengetan, um diese Research-Initiative zu gründen. Worum geht es da erst mal? Erst mal ums Rekonstruieren? Und wie wird man zusammenarbeiten?
    Hoffmann: Ja, das ist sicherlich noch eine Herausforderung. Das muss sich auch noch beweisen. Ich bin aber ganz positiv eingestellt. Die Gespräche zu diesem Projekt sind seit Langem geführt worden, von den betroffenen Museen, von den Erben und der Kulturstiftung der Länder. Die haben dieses Projekt eigentlich vorbereitet und wir durften es dann übernehmen.
    Das heißt, die Freie Universität ist Träger dieses Projekts als eine neutrale Institution, die auch nicht von Restitutionsanfragen in Beschlag genommen werden kann, und insofern sind wir sicherlich ein wichtiger neutraler Part bei dieser Kooperationsinitiative. Und es wird sicherlich auch Zukunft haben, dieses Modellprojekt, in dem wirklich alle Seiten, die in so einem Restitutionsverfahren teilhaben, miteinander arbeiten.
    "Wir müssen sehr weit vorne anfangen"
    Novy: Was tragen denn die Erben dazu konkret bei?
    Hoffmann: Die Erben finanzieren einen Großteil dieses Projektes. Aber was mir selbstverständlich als Wissenschaftlerin wichtig ist: Wir bekommen von ihnen alle Materialien, die der Öffentlichkeit so noch nicht zugänglich sind. Ein Großteil der Dokumentation, der Familiendokumentation wird ja mittlerweile vom Leo-Beck-Institut in New York auch im Internet zur Verfügung gestellt. Es gibt aber auch gesperrte Bestände und wir sind in so einem Forschungsprojekt darauf angewiesen, dass wir alles sehen und alles auswerten können, und auch das werden die Erben leisten.
    Wir haben direkt einen Vertrag, die Freie Universität mit den Erben, einen Kooperationsvertrag geschlossen und wir haben einen Vertrag mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, das den größten Teil dieses Projektes finanziert.
    Novy: Wie muss man sich das vorstellen bei Tausenden von Objekten? Wie recherchiert man da in aller Welt womöglich? Gibt es da Hotspots, an denen man besonders ansetzen kann?
    Hoffmann: Es ist tatsächlich so, dass wir sehr weit vorne anfangen müssen, denn wir arbeiten ja nicht mit einem Bestand, der schon vorhanden ist, wie es für die Provenienzforscher in den Museen immer der Fall ist. Wir müssen zunächst einmal die Sammlung rekonstruieren. Die ist ja gar nicht bekannt.
    Wir haben allerdings eine relativ gute Ausgangslage. Wir haben die Auktionskataloge, wir haben aber auch Sammlungskataloge, die Rudolf Mosse selbst noch herausgegeben hat, und dann auch sein Schwiegersohn, Hans Lachmann-Mosse, in der Weimarer Republik. Dort haben wir einen Teil der Sammlung erfasst und inventarisiert, nur wenige Abbildungen, und auch hier heißt es zunächst einmal identifizieren. Das ist kunsthistorisches Rüstzeug, das kann ich tatsächlich in der FU auch mit meinen Studierenden vornehmen, das sind Basisrecherchen.
    Und dann, wenn wir die Werke identifiziert haben und genau wissen, welches Werk von welchem Künstler stammt und wie es heißt und in welches Jahr es zu datieren ist, dann fängt die Tiefenrecherche an. Dann muss die Verlustgeschichte recherchiert werden. Das ist weitaus aufwendiger und das werden dann die wissenschaftlichen Mitarbeiter übernehmen, die direkt am Projekt angestellt sind.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.