Archiv

Raubsäugetiere
Gemeinsam von Bäumen gewachsen

Ob Hund oder Katze, Löwe, Tiger, Bär oder Seehund: Der Ahn aller Jäger unter den Säugetieren hat anscheinend auf den Bäumen gelebt. Das jedenfalls legen nun Säugetierfossilien aus Belgien nahe. Sie erlauben neue Einblicke in die Frühzeit der Evolution räuberischer Säuger.

Von Dagmar Röhrlich |
    Katzenfreunde und Hundefans wird die Nachricht vielleicht erstaunen: Ihre sprichwörtlich verfeindeten Lieblinge haben einen gemeinsamen Vorfahren! Den teilen sie sich allerdings mit allen anderen räuberischen Säugetieren, vom Seehund bis zum Löwen: nämlich Dormaalocyon latouri.
    "Er war sehr klein und schlank, wog vielleicht ein Kilogramm. Er lebte vor rund 55 Millionen Jahren, in den Wäldern des frühen Eozäns / und war kein Räuber an der Spitze der Nahrungskette, sondern begnügte sich wohl mit kleinen Säugetieren und vor allem Insekten/. Dormaalocyon war zwar wenig beeindruckend. Aber er steht am Anfang der Entwicklung aller heute lebenden fleischfressenden Säugetiere",
    erklärt Floréal Solé vom Königlich Belgischen Institut für Naturwissenschaften in Brüssel. Dormaalocyon bedeutet übrigens "der Hund von Dormaal". Ein Hund war er allerdings nicht. Vielmehr ist der Name einer Tradition in der Paläontologie geschuldet:
    "Die Zähne von Dormaalocyon sind noch sehr primitiv und zeigen keine Spezialisierung beispielsweise auf Schneiden oder Zermalmen der Nahrung."
    In der Fortbewegung den Katzen ähnlich
    Und alle räuberischen Säuger mit primitiven Zähnen werden den Hunden zugeordnet. Wahrscheinlich weil auch Hunde, anders als Katzen, kein sonderlich spezialisiertes Gebiss besitzen, spekuliert der Forscher. Was seine Fortbewegung angeht, stand - wenn man so will - Dormaalocyon jedoch den Katzen näher: Die Gelenke beweisen, dass das Tier durch das Geäst der Bäume huschte. Das war in der Gegend des heutigen Dormaals eine ideale Lebensweise. Schließlich wuchs dort ein tropischer Regenwald.
    "Das Besondere an Dormaalocyon ist, dass er einmal zu den ältesten Vertretern dieser Gruppe gehört und außerdem noch primitive Züge trägt. Aufgrund der 250 Zähne und auch der Knöchelgelenke, die wir analysiert haben, kennen wir die Art jetzt sehr gut."
    Er steht zwar nicht an der Spitze dieser Gruppe, gehörte aber zu ihren sehr frühen Vertretern.
    "Er gibt uns wichtige Hinweise auf den Ursprung der Gruppe räuberischer Säugetiere. Denn weil sie ganz plötzlich in der fossilen Überlieferung auftauchen, wissen wir nicht genau, aus welcher Gruppe heraus sie sich entwickelt haben."
    Erfolgreiche Nachfahren
    Schließlich lebten vor 55 Millionen Jahren vier unterschiedliche Gruppen. Damals war die globale Durchschnittstemperatur viel höher als heute, und die frühen räuberischen Säuger brachten schnell neue Arten hervor und legten an Größe zu. Während sich viele der fleischfressenden Säuger vor Dormaalocyon eher von Aas ernährt haben dürften, war er ein Jäger. Allerdings ein Jäger, der keine prominente Rolle im Ökosystem spielte. Die hatten die Krokodile inne und die großen, räuberischen Vögel:
    "Dormaalocyon war lediglich ein kleines, fleischfressendes Säugetier. Niemand hätte vermutet, wie erfolgreich seine Nachfahren einmal werden sollten. Dass aus ihrer Linie heraus die Löwen ebenso hervorgehen sollten wie die Bären, war wirklich nicht vorhersehbar."
    Und so finden dank Dormaalocyon Hund und Katze doch noch zueinander.