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Rauchen vergrößert Knochenschwundrisiko

Medizin. - Immer mehr Frauen leiden unter Knochenschwund, der so genannten Osteoporose. Der Verlust an Knochensubstanz führt zu Deformationen und begünstigt Brüche, die überdies im Alter nur schlecht heilen. Behandlungsansätze wie etwa eine Hormontherapie sind heute umstritten. Welche Alternativen dazu bestehen und welche Risikofaktoren das Leiden begünstigen, erörtern Mediziner bis Mittwoch auf dem Internationalen Osteoporose Weltkongress in Rio de Janeiro.

    Der Schwund weiblicher Hormone nach den Wechseljahren gilt als ein Grund für die Entstehung von Osteoporose. Doch darüber hinaus begünstigen zahlreiche andere Faktoren das Altersleiden. So belegt eine in Rio de Janeiro vorgestellte Studie erstmals, dass bereits mäßiges Rauchen das Risiko für den Knochenschwund nahezu verdoppelt. Die Studie erhob Daten von 60.000 Menschen aus über zehn Ländern, die bis zu 17 Jahre lang regelmäßig nachuntersucht wurden. "Damit können wir nachweisen, dass Rauchen ein Risikofaktor ist, der Osteoporose völlig unabhängig von anderen Faktoren begünstigt", erklärt John Kanis von der University of Sheffield Medical School. Dabei spiele es überhaupt keine Rolle, ob eine Person nur eine Zigarette am Tag oder eine ganze Schachtel konsumiere - Raucher bekommen häufiger Osteoporose. Allerdings ist das Risiko nicht für alle gleich: "Aktive Raucher tragen ein höheres Risiko als solche, die früher einmal geraucht haben. Und wenn man das Rauchen im Alter bleiben lässt, kann das Osteoporose-Risiko durchaus auch wieder sinken."

    Der Risikofaktor Tabak könnte zukünftig helfen, ist sich Kanis sicher, relativ leicht Menschen mit hohem Osteoporose-Risiko herauszufiltern, zu beobachten und gegebenenfalls zu behandeln. Unklar sei dagegen noch, welcher Mechanismus hinter dem Zusammenhang von Zigaretten und Knochenschwund stehe. Möglicherweise handele es sich um eine Wirkung auf jene Zellgruppe, die im Knochenstoffwechsel für den Aufbau zuständig sei: die so genannten Osteoblasten. Auf dieser Ebene der Betrachtung ist Linda Bonewald von der University of Missouri in Kansas City ausgewiesene Expertin. Die US-Forscherin berichtete auf dem Osteoporose-Weltkongress über eine Zellart, die noch immer Rätsel aufgibt: die eigentlichen Knochenzellen. Diese so genannten Osteozyten stellen 90 Prozent aller Knochenzellen und liegen überall im Knochen verteilt, wobei ihre langen Ausläufer ihnen ein sternförmiges Aussehen verleihen. "Durch diese langen Arme sind Osteozyten untereinander verbunden. Andererseits reichen diese Ausläufer auch bis zur Knochenoberfläche sowie bis ins Knochenmark hinein." Die zahlreichen interzellulären Verbindungen dienten dabei der Kommunikation, bei der Moleküle durch kleine Tunnels von Zelle zu Zelle gereicht werden.

    Sterben die langlebigen Zellen allerdings, dann bricht auch der Informationsfluss ab. Aber der Verlust dieser Koordination bringt auch das Gleichgewicht von ständigem Knochenabbau und -aufbau durcheinander – es entstehen kleiner Löcher in der Substanz. So wird der Knochen mit der Zeit immer anfälliger für Brüche. Gelänge es aber, die Osteozyten am Leben zu erhalten, dann würde die Informationskette im Knochen fortbestehen und es würde die Gefahr von Knochenschwund verringert. "Wir haben ein Molekül entdeckt, den so genannten CD40-Liganden, der bei der postmenopausalen Osteoporose jenseits der Wechseljahre verhindert, dass Faktoren wie Interleukin 1 oder Tumor-Nekrose-Faktor die Knochenzellen zum Absterben bringen. Er schützt den Knochen aber auch vor der schädlichen Wirkung von Kortikoiden, die ja ebenfalls Osteoporose verursachen können", so Bonewald. Damit könnte der CD40-Ligand der erste Stoff sein, der die eigentlichen Knochenzellen vor dem Absterben schützt und sich als Medikament einsetzen ließe. Zwar verliefen erste Laborversuche viel versprechend, doch bis zu einem Einsatz in der Behandlung der Osteoporose würden noch viele Jahre vergehen, schätzt die US-Expertin.

    [Quelle: Sabine Goldhahn]