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Rauchverbot - und dann?

Der Berliner Senat hat verfügt: Rauchverbot für alle Schulen. Eine gute Absicht - die schwer umzusetzen ist. Alltag an einer Berliner Berufsschule.

Von Agnes Steinbauer | 22.04.2005
    " ...Ist mir eigentlich relativ egal, Hauptsache ich kriege irgendwo meine Zigarette, ob ich nun auf dem Schulgelände rauche oder hier... "

    ...so denken viele Schüler an der Berufsschulschule für Bank- und Versicherungskaufleute in Berlin-Mitte und ziehen – in einiger Entfernung vom Schuleingang - genüsslich an ihrer Zigarette.. Ihrem Schulleiter ist es dagegen ganz und gar nicht egal, wo sie ihre Kippen anzünden. Ihn trifft das allgemeine Rauchverbot hart, das der Senat seit August vergangenen Jahres für alle Berliner Schulen erlassen hat. Denn es erschwert die Aufsichtspflicht und verursacht an vielen Schulen Ärger mit der Nachbarschaft:

    " Die Anwohner haben sich schon mehrfach beschwert, dass die Menge der Schüler, die sich im Eingangsbereich der Häuser aufhalten, dass die stören und da gibt es häufig zum Teil heftige Auseinandersetzungen. "

    Bernd Romann ist ratlos. Als Pädagoge und Nichtraucher begrüßt er die Idee einer rauchfreien Schule natürlich. Aber verkehrte Welt: Das Verbot – erlassen zum gesundheitlichen Wohl von Schülern und Lehrern - die ebenfalls nicht mehr auf dem Schulgelände rauchen dürfen - ist nach Romanns Erfahrungen ein Sicherheitsrisiko, weil:

    " Schüler auf die viel befahrene Straße gelaufen sind oder hier, auf dieser Spielstraße, da haben wir festgestellt, dass Anwohner ziemlich scharf auf die Schüler zufahren... "

    2600 Auszubildende besuchen das Oberstufenzentrum in Moabit – rund 600 davon verlassen zum Rauchen das Schulgelände. Für viele Bewohner der nahen Zille-Siedlung ist nicht gerade ein Grund, die Friedenspfeife anzuzünden:

    Anwohner: " Sie können jetzt wo es warm wird, Fenster nicht mehr auflassen, weil der Lärm und der Gestank einfach zu groß ist...wir haben mehr Schmutz auf der Straße, selbst die Reinigungsfirma verzweifelt daran, wenn Sie die Ecke da vorne nehmen, da, wo die Schüler jetzt stehen, werden Sie nach der Pause sehen: Es ist übersät mit Zigarettenkippen."

    " Ich entledige meine Zigarette ja im Aschenbecher, aber es gibt auch einige, die das nicht machen, "

    räumt der angehende Bankkaufmann Torsten ein. Die Wut der Anwohner kann er verstehen. Andererseits helfe ein staatlich verordnetes Rauchverbot nicht gegen die Sucht:

    " Na, ja, da schneiden sie sich ins eigene Fleisch, das Rauchen werden sie nicht verhindern können dadurch. Ich find's blöd, bringt doch nichts, dann rauchen wir halt hier, dann beschweren sich halt alle über den Müll... "

    Schulleiter Romann kommt sich manchmal vor, wie Don Quichote beim Kampf gegen die Windmühlen. Frühere Schul-Kampagnen gegen den blauen Dunst waren für die Jugendlichen meist auch nur Schall und Rauch:

    " Ich habe zu wenig Personal, um nach jeder Pause die Verunreinigung durch die Schüler wieder beseitigen zu lassen, Appelle und Gespräche mit den Schülern sind im Sand verlaufen. Das hilft mal drei Tage und dann fällt man wieder in den alten Trott hinein... "

    Als Rektor will Romann das Rauchen bekämpfen; ganz klar - abgesehen vom Ärger mit den Nachbarn. Aber wie? Schule könne keinen allgemein gesellschaftlichen Trend abschaffen, findet er. Die Schüler finden das auch. Die Risiken kennen sie. Trotzdem nehmen sie für die Sucht Unannehmlichkeiten in Kauf, die eine rauchfreie Schule mit sich bringt:

    Mehrere Schüler: " Was das heißt?..(lacht), dass wir nass werden... wir rauchen einfach weiter und frieren auch für den Rauch – Sucht eben ... blöde Angewohnheit, einfach blöde Angewohnheit...Rauchen ist ungesund, aber det is halt in, ich weiß, was ich mache, ich würde nicht aufhören mit dem Rauchen, bloß weil ich aufgeklärt bin, ich weiß, was passiert, wenn ich rauche. "

    Und weil Schulleiter Romann den über 16-Jährigen Schülern das Rauchen nicht verbieten kann, schließt er auch einen Boykott des Senatsbeschlusses nicht mehr aus. Damit der Ärger mit den Nachbarn aufhört, denkt er – nicht als einziger Berliner Schulleiter – daran, die gute alte Raucherecke wieder einzurichten:

    " Ich bin seinerzeit gut gefahren zu sagen: Ihr könnt in einem kleinen Bereich auf dem Schulhof rauchen... "