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Raumfahrt
Satellit Gaia hat Probleme

Eine Milliarde Sterne vermessen - das klingt nach einer gewaltigen Aufgabe. Allein für dieses Ziel startete die ESA im vergangenen Dezember den Satelliten Gaia. Die verwendete Messmethode ist völlig neu. Und so sind auch die ersten Erfahrungen mit Gaia im Erdorbit nicht frei von Überraschungen.

Von Karl Urban | 08.07.2014
    Der ESA-Satellit Gaia in einer Illustration.
    Unerwünschtes Licht sowie Eis beeinträchtigen derzeit die Funktion von Gaia. (picture alliance / dpa - European Space Agency)
    Für einen der teuersten astronomischen Satelliten seit Jahren war dessen erste Aufnahme ernüchternd. Die über 800 Millionen Euro teure Mission Gaia startete im Dezember 2013, und gut drei Monate später stellte Europas Raumfahrtagentur dieses Bild vor: verwaschene hellblaue Pünktchen auf dunkelblauem Grund, ein junger Sternhaufen irgendwo in der Großen Magellanschen Wolke. Dieses unspektakuläre Bildmaterial ist es jedoch nicht, was die Astronomenwelt besorgt. Denn eigentlich soll Gaia Sterne so genau vermessen wie nie zuvor. Der Satellit bleibt nun ein gutes Stück hinter den ehrgeizigen Zielen der Wissenschaftler zurück. Denn von irgendwo her fällt unerwünscht Licht auf die empfindlichen Sensoren.
    "Die genaue Herkunft ist relativ klar. Es muss sich um Sonnenlicht handeln, was zunächst mal überraschend ist. Denn Gaia hat einen etwa 10,5 Meter großen Sonnenschirm, der die Instrumente von Gaia von dem Sonnenlicht schützen soll."
    Stefan Jordan vom Astronomischen Rechen-Institut der Universität Heidelberg und seine Kollegen weltweit haben sich in den letzten Monaten ausgiebig mit den ersten Gaia-Daten auseinandergesetzt – und mit dem unerwünschten Licht, das wohl am nicht perfekt konstruierten Sonnenschirm vorbei gestreut wird.
    "Das ist zwar relativ zu dem normalen Sonnenlicht sehr wenig, aber da es hier um sehr empfindliche Messungen geht, stört auch dieses Licht, das dort einfällt."
    Ein weiteres Problem: Eis
    Neben diesem Streulicht werden Gaias Messungen von einem zweiten Problem beeinträchtigt: Es gibt einen Hauch von Eis, das sich immer wieder auf den Instrumenten niederschlägt. Das immerhin dürften die Ingenieure mit der regelmäßig betriebenen Heizung an Bord in den Griff bekommen. Doch insgesamt leidet Gaias Genauigkeit – und damit auch die ehrgeizigen Ziele der Mission, rund eine Milliarde Sterne unserer Galaxie zu vermessen. Vermutlich entgehen den zwei Teleskopen an Bord schlicht einige der lichtschwächsten Sterne – und dazu ein Teil der feinen Schwankungen, zu denen Exoplaneten ihre Sonnen zwingen.
    "Es kann sein, dass die schwächeren Objekte davon beeinflusst sind. Insgesamt kann man aber trotzdem sagen, dass Gaia eine gewaltige Entdeckungsmaschine sein wird, mit der wir wohl 100.000 neue Asteroiden finden werden und viele neue Sternenexplosionen entdecken werden, neue Quasare, alle möglichen Objekte und natürlich auch Exoplaneten. Das dürfte bei den helleren Sternen auch weiterhin im Bereich der Messgenauigkeit liegen."
    Auch den größten Teil des geplanten Sternenkatalogs der Milchstraße kann Gaia wohl trotz der Probleme schaffen. Stefan Jordan hofft sogar, dass die Astronomen die eingeschränkte Genauigkeit der Teleskope mit etwas Geduld ausgleichen könnten. Denn je häufiger Gaia einzelne Punkte am Himmel anvisieren kann, umso genauer wird der Satellit sie vermessen können.
    "Wir haben im Prinzip Reserven an Bord. Das hängt davon ab, wie in fünf Jahren der Satellit noch funktioniert und ob es sich lohnt, eine erweiterte Mission zu machen. Die kann dann sechs oder sieben Jahre dauern. Und vielleicht wird zusammen mit einer solchen Verlängerung das Ziel dann doch erreicht, das man am Anfang sich gestellt hatte."