Bis in die 90er-Jahre war es unter Experten umstritten, ob Blinde wirklich in der Lage sind, besser zu hören als Sehende. Viele Fachleute vertraten die Ansicht, dass den Blinden mit dem Sehen eine wesentliche Orientierungshilfe fehlte und dass darum ihr Hören nicht besser sein könnte. Andere waren der Meinung, dass die Blinden den fehlenden Seh-Sinn kompensieren müssten, um zurecht zu zukommen und deshalb besonders gut hören lernten. Letztere Fraktion lag richtig, sagt der Hirnforscher Patrice Voss von der McGill Universität in Montreal.
"Wir wissen inzwischen, dass die Kompensations-Hypothese richtig ist: Insbesondere Menschen, die früh erblindet sind, entwickeln besondere Fähigkeiten beim Hören und auch beim Tastsinn. Wir untersuchen diese besonderen Fähigkeiten heute mit bildgebenden Verfahren, um die Grenzen unseres Hörsystems kennen zu lernen – und um zu verstehen, was im Hirn der Blinden anders abläuft als bei Sehenden."
In der Tat läuft hier einiges anders ab: Bei Sehenden ist ein Drittel des Hirns damit beschäftigt, visuelle Information zu verarbeiten. Bei Menschen, die früh in ihrem Leben erblinden, bleiben diese Regionen aber nicht untätig: Sie beginnen damit, die anderen Sinne zu unterstützen. Es sind genau jene Bereiche, die eigentlich für räumliche Informationsverarbeitung im Sehzentrum zuständig sind, die jetzt dabei helfen, akustische und taktile Informationen zu verarbeiten.
"Wenn ein Blinder eine Straße überqueren muss, dann versucht er alle Hinweise aufzunehmen und zu nutzen. Ich denke, es existieren sehr feine akustische Hinweise, die sehr selten von Sehenden, aber regelmäßig von Blinden genutzt werden."
Worin aber bestehen diese besonderen Hinweise? Bei Experimenten, die Voss unternahm, stellte sich immer wieder heraus, dass die früh Erblindeten bei zwei Dingen besonders gut sind: Sie können Tonhöhen besser unterscheiden, und sie sind imstande, genauer als sehende Testpersonen zu sagen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt.
Besonders bemerkenswert aber war das folgende Experiment: Voss verschloss den Testpersonen ein Ohr, so dass sie nur noch mit dem anderen Ohr hören konnten. Aber auch in dieser Lage waren die besonders Hörbegabten unter den Blinden immer noch dazu fähig, Töne zu orten. Sie konnten also mit einem Ohr in stereo hören, ein bisschen zumindest.
"Wir glauben, dass die begabten Blinden besser hören, weil sie versteckte Hinweise im Frequenzspektrum wahrnehmen: Es handelt sich um Verschiebungen bei bestimmten Schallfrequenzen, die von der Ohrmuschel hervorgerufen werden, je nachdem, woher der Schall kommt."
Es ist also die besondere Form unserer Ohren, die den Schall reflektiert und verändert. Je nach Frequenz und Richtung, aus der die Schallwellen kommen, ergeben sich Verschiebungen in den Wellen. Sehende Menschen nehmen diesen Effekt gar nicht wahr, sie brauchen ihn nicht: die Eindrücke der Augen und des gewöhnlichen Stereo-Hörens mit zwei Ohren sind viel stärker. Aber für besonders hörbegabte Blinde bieten auch die kleinen Frequenzverschiebungen in der Ohrmuschel wichtige Hinweise, die ihnen helfen, sich in der Welt zurechtzufinden.
"Wir wissen inzwischen, dass die Kompensations-Hypothese richtig ist: Insbesondere Menschen, die früh erblindet sind, entwickeln besondere Fähigkeiten beim Hören und auch beim Tastsinn. Wir untersuchen diese besonderen Fähigkeiten heute mit bildgebenden Verfahren, um die Grenzen unseres Hörsystems kennen zu lernen – und um zu verstehen, was im Hirn der Blinden anders abläuft als bei Sehenden."
In der Tat läuft hier einiges anders ab: Bei Sehenden ist ein Drittel des Hirns damit beschäftigt, visuelle Information zu verarbeiten. Bei Menschen, die früh in ihrem Leben erblinden, bleiben diese Regionen aber nicht untätig: Sie beginnen damit, die anderen Sinne zu unterstützen. Es sind genau jene Bereiche, die eigentlich für räumliche Informationsverarbeitung im Sehzentrum zuständig sind, die jetzt dabei helfen, akustische und taktile Informationen zu verarbeiten.
"Wenn ein Blinder eine Straße überqueren muss, dann versucht er alle Hinweise aufzunehmen und zu nutzen. Ich denke, es existieren sehr feine akustische Hinweise, die sehr selten von Sehenden, aber regelmäßig von Blinden genutzt werden."
Worin aber bestehen diese besonderen Hinweise? Bei Experimenten, die Voss unternahm, stellte sich immer wieder heraus, dass die früh Erblindeten bei zwei Dingen besonders gut sind: Sie können Tonhöhen besser unterscheiden, und sie sind imstande, genauer als sehende Testpersonen zu sagen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt.
Besonders bemerkenswert aber war das folgende Experiment: Voss verschloss den Testpersonen ein Ohr, so dass sie nur noch mit dem anderen Ohr hören konnten. Aber auch in dieser Lage waren die besonders Hörbegabten unter den Blinden immer noch dazu fähig, Töne zu orten. Sie konnten also mit einem Ohr in stereo hören, ein bisschen zumindest.
"Wir glauben, dass die begabten Blinden besser hören, weil sie versteckte Hinweise im Frequenzspektrum wahrnehmen: Es handelt sich um Verschiebungen bei bestimmten Schallfrequenzen, die von der Ohrmuschel hervorgerufen werden, je nachdem, woher der Schall kommt."
Es ist also die besondere Form unserer Ohren, die den Schall reflektiert und verändert. Je nach Frequenz und Richtung, aus der die Schallwellen kommen, ergeben sich Verschiebungen in den Wellen. Sehende Menschen nehmen diesen Effekt gar nicht wahr, sie brauchen ihn nicht: die Eindrücke der Augen und des gewöhnlichen Stereo-Hörens mit zwei Ohren sind viel stärker. Aber für besonders hörbegabte Blinde bieten auch die kleinen Frequenzverschiebungen in der Ohrmuschel wichtige Hinweise, die ihnen helfen, sich in der Welt zurechtzufinden.