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Raumnutzung des Humboldt-Forums teils "komplett absurd"

Der Architekt, Schlosskritiker und seit ganz Kurzem designierter Direktor des Bauhauses in Dessau, Philipp Oswalt, moniert den fehlenden Nutzraum des Humboldt-Forums. Trotz Reduzierung der Fläche habe man das Konzept nicht geändert. So bleibe nur Raum für eine nunmehr vierte Landesbibliothek statt einer großer. Eine Aufteilung der Ethnologischen Sammlung in einen europäischen und außereuropäischen Teil sei "absurd", so Oswalt.

    Beatrix Novy: Architekten sind diesem Entwurf des Stadtschlosses nicht so gewogen, schon aus prinzipiellen Gründen ihrer Profession. Aber dem Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, gefällt es. Als langjähriger Leiter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat er seinerzeit den Willen zum Wiederaufbau des Schlosses beflügelt, mit seiner Idee für die bis dahin ganz unklare Nutzung eines Schlossbaus, nämlich als Ort für die in Dahlem beheimateten außereuropäischen Sammlungen der Stiftung mit Bezug auf Humboldt. Über die Nutzungsprobleme habe ich mit Philipp Oswalt, Architekt, Schlosskritiker und seit ganz Kurzem designierter Direktor des Bauhauses in Dessau gesprochen. Zunächst ein paar Worte aber zur städtebaulichen Einordnung des Entwurfs.

    Philipp Oswalt: Na ja, das Berliner Schloss, historisch, ist ein Gebäudekomplex, der über Jahrhunderte entstanden ist, ab 1433. Bis ins 20. Jahrhundert gab es ständig bauliche Erweiterungen, Veränderungen, Fortschreibungen. All das ist nicht mehr zu erkennen, schon der Bundestagsbeschluss hat ja diese ganze Baugeschichte reduziert auf die barocke Periode mit den Barockfassaden, wobei die auch selber noch eine Zeitlichkeit haben, weil es einen ersten Bauabschnitt gab von Schlüter und der dann später von (Johann Friedrich) Eosander erweitert worden ist und im 19. Jahrhundert kam dann noch die Kuppel dazu. Das war dem ursprünglichen Baukörper ablesbar und das ist in diesem reduzierten Rationalismus des Stella'schen Entwurfs nicht mehr sichtbar. Und was dazu kommt, ist, dass das Schloss auch nie dann so ein typisches Barockschloss in dem Sinne, dass es in einer Achse stand, im Zentrum der Stadt, einem Achsenkreuz, sondern es war immer nur tangential sichtbar und es war mit dem städtischen Kontext verwoben. Es gab den Apotheken-Flügel, es gab die Schlossfreiheit, es gab verschiedene Bauelemente des Schlosses, die mit dem solitärhaften gebrochen haben und mit dem städtischen Kontext verwoben haben. All das fällt weg. Letztendlich ist der Stella’sche Entwurf ein sehr moderner Städtebau, wo das Schloss seines Kontexts beraubt auf dem Serviertablett im Zentrum präsentiert wird.

    Novy: Kommen wir dann mal auf die Nutzungsprobleme zu sprechen. Was ist dem Entwurf da schon anzusehen? Dass es Probleme geben wird, das wird ja sowieso seit Jahren beschworen. Aber wie können Sie das auf diesen Entwurf beziehen?

    Oswalt: Der Entwurf ist ja eigentlich nur die musterschülerhafte Umsetzung der Ausschreibung. Und insofern beschreibt er die Probleme, die die Ausschreibung hat, fort. Aber es ist eigentlich hier dann nicht mehr das Problem des Architekten. Das Nutzungskonzept des Humboldt-Forums wurde im Laufe der Jahre um die Hälfte des Flächenansatzes reduziert, ohne dass man die Konzeption geändert hat. Das führt dazu, dass die Landesbibliothek, anstatt an dem Ort vereint zu werden, hier ihren vierten Standort erhält und über vier Standorte verteilt wird und damit eigentlich als Bibliothek unnutzbar wird. Es führt auch dazu, das war allerdings ursprünglich schon angelegt, dass die ethnologische Sammlung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufgeteilt wird in einen europäischen und einen außereuropäischen Teil, was natürlich komplett absurd ist.

    Novy: Ist das alles, was es an Problemen des Außen und Innen noch zu sagen gibt?

    Oswalt: Man hat sich für das Humboldt-Forum entschieden, weil es eine Legitimation der Schlossfassaden zu sein schien. Man beruft sich da auf die Wunderkammern des Alten Schlosses, die aber nur ein ganz kleiner Bruchteil waren. Genauso könnte man eine Nutzung legitimieren wie eines Finanzministeriums, eines Gästehauses der Bundesregierung oder was auch immer. Das Schloss hatte ursprünglich historisch gesehen sehr, sehr viele Nutzungen und diese kulturellen Sammlungen waren nur ein kleiner Bruchteil. Bis heute sind es eigentlich zwei Projekte. Das primäre politische Projekt ist die Fassade, die inzwischen schon ihren zweiten Nutzungszusammenhang gefunden hat und wahrscheinlich noch einmal einen Austausch erleben wird, weil viele sprechen inzwischen von der Gemäldegalerie als die adäquatere Nutzung. Und das Humboldt-Forum, was ursprünglich eben ein Angebot war, einerseits um die Schlossfassaden zu legitimieren, andererseits aber auch um die Kritiker des Schlosses einzufangen mit einer Idee, die progressiv und weltoffen erschien und zukunftszugewandt. Und nachdem man diese Legitimation nicht brauchte, ist man eigentlich auf gutem Wege dabei, das Konzept einzukassieren.

    Novy: Dank an Philipp Oswalt in Berlin. Hermann Parzinger, der jetzige Leiter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat dem Kulturstaatsminister mittlerweile ein Konzept für die inhaltliche Gestaltung des Humboldt-Forums vorgelegt. Er will es nächsten Sommer zusammen mit der Humboldt-Universität vorstellen. Es wird noch lange dauern, bis ein Berliner Stadtschloss steht, das mit Leben gefüllt werden kann.