Archiv


Raus aus dem Zinsversprechen

Lebensversicherer wie Allianz oder Ergo bieten neue Policen, die komplett auf den Garantiezins verzichten. Und dennoch werben die Anbieter, die Kunden könnten tatsächlich mehr Rendite erwarten.

Von Brigitte Scholtes |
    Seit Sommer sind sie am Markt: Lebensversicherungen ohne Garantiezins. Anders als die klassische Kapitallebensversicherung garantieren diese Policen ihren Versicherungsnehmern nicht mehr eine Verzinsung von zuletzt 1,75 Prozent auf den Sparanteil, erklärt Alf Neumann, Vorstand der Allianz-Lebensversicherung:

    "Die Beiträge sind garantiert zum Ablaufzeitpunkt – die gezahlten Beiträge komplett, einschließlich der Kosten. Es ist weiterhin garantiert, dass es eine Mindestrente gibt. Es ist weiterhin garantiert, dass wir laufende Überschüsse zur Erhöhung des garantierten Kapitals einsetzen."

    Die Allianz als auch die Ergo-Versicherungsgruppe haben im Sommer zwei unterschiedliche Spielarten dieser Versicherung auf den Markt gebracht: die Allianz ein an die klassische Variante angelehntes Produkt, Ergo eine Fondspolice, bei der das Geld in unterschiedliche Anlageprodukte investiert wird. Bei der Ergo-Fondspolice erkennt Kurt Hüttl vom Fairsicherungsladen Frankfurt kaum Unterschiede zu herkömmlichen Produkten:

    "Die Fondspolice ist ein alter Hut, wie Ergo das verpackt hat – es sind die ersten, die das so gemacht haben mit diesen neuen Produkten – das ist ein bisschen merkwürdig. Fondspolicen gibt es richtig gute auf dem Markt, das heißt derjenige, der sowieso nicht so die absolute Sicherheit sucht, kann auch mit alten klassischen Fondspolicen einen vernünftigen Wertzuwachs erreichen."

    Die Versicherungen entledigen sich mit den neuen Versicherungsprodukten der Verpflichtung, die Garantierenditen zu erwirtschaften. Denn das fällt ihnen im Niedrigzinsumfeld immer schwerer. Allianz-Vorstand Neumann legt das zum Wohl der Kunden aus:

    "Wir erwarten, dass ein substantieller Anteil der Kunden in der Zukunft, insbesondere im Privatkundengeschäft, stärker
    die neuen Konzepte wählt als die Klassikkonzepte, weil viele, gerade junge Kunden, diese niedrigen Zinsen von heute eben nicht einlocken möchten für 30 Jahre."

    Doch für die Kunden ist das eben nicht immer von Vorteil. Deshalb rät Versicherungsexperte Hüttl bisher auch vom Kauf ab:

    "Wir haben Modellrechnungen gemacht. Es gibt hier eigentlich gar keinen signifikanten Vorteil für den Kunden, ein neues Produkt abzuschließen. Der Markt ist auch ganz gering. Die Leute sollten warten, ob da neue Sachen kommen. Das sollte man immer direkt mit einer klassischen Police nach altem System vergleichen, um da einfach zu gucken, ob da wirklich ein Vorteil drin ist oder nicht."

    Die Allianz wirbt damit, dass die Kunden tatsächlich mehr Rendite erwarten könnten, nämlich 0,3 Prozentpunkte mehr als mit den klassischen Produkten. Das aber hängt von der Entwicklung an den Finanzmärkten ab. Wie viel am Ende aber heraus kommt, das erfahre der Kunde auch wirklich erst dann, moniert Kurt Hüttl:

    "Konkrete Berechnungen kann man keine machen. Es wird immer zum jeweiligen Zeitpunkt der Auszahlung dann die aktuelle Sterbetafel zugrunde gelegt und so rückwärts betrachtet, welche Überschussbeteiligungen ausgezahlt werden können – sehr vage."

    Dass aber die neuen Versicherungsvarianten einen Trend setzen könnten, damit sei zu rechnen, meinen Verbraucherschützer. Der Druck auf die Versicherungen, garantierte Zinsen zu erwirtschaften, sei derzeit einfach zu groß.

    Mehr zum Thema