Samstag, 18. Mai 2024

Archiv


Raus aus der Nische

Nachhaltig produzierte Mode ist in Deutschlands Geschäften eine Seltenheit. Die meisten Kleidungsstücke sind herkömmlich hergestellt, überwiegend im asiatischen Raum. Die Mindestlöhne dort liegen bei 50 bis knapp 200 Euro monatlich. Viel zu niedrig, kritisiert die christliche Initiative Romero.

Von Burkhard Schäfers | 19.12.2012
    Sie arbeiten von morgens früh bis abends spät und verdienen trotzdem so wenig, dass sie sich nicht einmal genug zu essen kaufen können. So geht es vielen Näherinnen in Textilfabriken, die Hosen, Pullover oder Schuhe für den deutschen Markt herstellen.

    "Wenn jemand noch gar nicht mitbekommen hat, dass Chemikalien in der Kleidung sind und die nicht fair produziert wird, sich nicht gewundert hat, wenn er ein T-Shirt für 4 Euro 99 kauft – man kann bewusst wegschauen, aber das Nichtwissen geht fast gar nicht."

    Die Missstände in der internationalen Textilindustrie haben Brigitte von Puttkamer motiviert, in München einen kleinen Laden für fair gehandelte Kleidung zu eröffnen. Sein Name "Glore" steht für "globally responsible fashion":

    "Was für uns bedeutet: Schöne Mode, so nachhaltig wie möglich produziert, anzubieten. Zum einen fair gehandelt, das heißt: Sozialstandards werden eingehalten, faire Bezahlung, keine Kinderarbeit, die Materialien müssen ökologisch sein oder recycelt und die ganze Produktionskette von Anfang bis Ende so umweltfreundlich wie möglich."

    Das ist hierzulande die Ausnahme, der Anteil sogenannter grüner Mode an der gesamten Textilproduktion liegt im Promillebereich. Die allermeisten Kleidungsstücke sind herkömmlich produziert, überwiegend im asiatischen Raum. So kommt der größte Teil der in Deutschland verkauften Kleidung aus China, auf Platz zwei folgt die Türkei, dahinter Billiglohnländer wie Bangladesch, Indien und Indonesien. Die gesetzlichen Mindestlöhne dort liegen bei 50 bis knapp 200 Euro monatlich. Viel zu niedrig, kritisiert die christliche Initiative Romero, eine Nichtregierungsorganisation, die sich seit über 30 Jahren weltweit für Arbeits- und Menschenrechte einsetzt, indem sie Basisbewegungen unterstützt und Bildungsarbeit in Deutschland macht. Ihr Schwerpunkt liegt in Mittelamerika, Namensgeber ist der 1980 ermordete salvadorianische Erzbischof Oskar Romero. Maik Pflaum von der Initiative fordert eine deutlich höhere Bezahlung der Arbeiterinnen:

    "Die Löhne decken in aller Regel nicht den Grundbedarf der Näherinnen und der von ihr abhängigen Familienmitglieder. Sie haben ganz oft den Fall, dass sie drei oder vier sogenannte Mindestlöhne bräuchten, um den Grundbedarf der Familie abdecken zu können."

    Die Folge: Arbeiterinnen leisten Überstunden, um wenigstens etwas mehr zu verdienen. Etliche brechen vor Erschöpfung zusammen oder sind schon mit 30 Jahren arbeitsunfähig. Zudem sind die Vorgaben beim Arbeitsschutz oft niedrig, die Gefahr von Unfällen für die Arbeiterinnen hoch. Probleme gebe es nicht nur in Fabriken, die Kleidung für Billig-Discounter herstellen, sagt Maik Pflaum. Von einem Turnschuh für 100 Euro bekomme die Näherin teilweise weniger als einen Euro Lohn.

    "Es ist kein großer Unterschied, ob sie Billigware kaufen oder Markenkleidung. In beiden Fällen ist der Arbeitsdruck extrem hoch, sind die Löhne extrem niedrig – sodass sie immer wieder auf diese ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse stoßen."

    Viele Unternehmen überprüfen zwar ihre Zulieferer, die Initiative Romero hält von solchen Kontrollen allerdings wenig – sie seien häufig weder unabhängig noch transparent. Ein Schild am Kleidungsstück mit den Schlagworten "fair" oder "nachhaltig" sagt also erst einmal wenig aus. Entwicklungsexperte Pflaum empfiehlt Verbrauchern deshalb, auf Labels sogenannter Multi-Stakeholder-Initiativen zu achten. In diesen kontrollieren Unternehmen gemeinsam mit Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen die Arbeitsbedingungen.

    "Ein Hinweis kann sein, wenn ein Unternehmen Mitglied in der Fear Wear Foundation ist, das ist eine Stiftung aus den Niederlanden mit den höchsten Standards und sehr guten und strengen Kontrollen. Das sind deutliche Hinweise, dass sich ein Hersteller bemüht, Arbeitsrechte einzuhalten."

    Allerdings: Die meisten Geschäfte führen überhaupt keine nachhaltig produzierten Jeans, Hemden oder T-Shirts. Das ist wohl die Hauptursache dafür, dass sogenannte saubere Kleidung in Deutschland ein Nischendasein fristet.

    "Der Anteil von sauberer Kleidung ist immer noch verschwindend gering, aber man muss ganz klar sagen, es wird ständig mehr, die Nachfrage steigt, und auch die, die saubere Kleidung herstellen, werden mehr."

    Derzeit gibt es bundesweit nur rund 50 Läden, die ausschließlich grüne Mode verkaufen. Viele Verbraucher glauben nach wie vor, saubere Kleidung sei etwas für Gutverdiener. Brigitte von Puttkamer verkauft in ihrem Münchner Laden T-Shirts ab 30 Euro, die günstigste Jeans kostet 100 Euro:

    "Wenn man Ökomode mit gleichwertiger Mode im konventionellen Bereich vergleicht, ist es nicht zwingend teurer. In der Regel geben die weniger für Marketing aus, was meist so 50 Prozent von dem Preis den man bezahlt schon ausmacht."

    Die meisten ihrer Kunden sind zwischen Mitte 20 und Mitte 40, darunter auch Berufseinsteiger, junge Mütter und Angestellte:

    " Die Leute denken immer es ist teuer, wiederum wenn man Nike-Schuhe kauft, tolle, modische, die Neuesten – die kosten auch 150, 160 Euro. Ich kann's mir ehrlich gesagt auch nicht leisten, ich bin in der Verlagsbranche, da verdient man nicht so viel. Und ich wohne in München, und hab noch Kinder. Aber dann hab ich halt lieber weniger – zwei Jeans und nicht fünf oder sechs – das reicht auch."