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Rauschen stabilisiert

Kommunikationstechnik. - DSL-Verbindungen sind anfällig für Störungen, weshalb bestimmte Energiesparmodi nicht eingesetzt werden können. Wissenschaftler haben jetzt einen Weg gefunden, die Störanfälligkeit zu verringern: durch künstliches Rauschen.

Von David Globig | 10.07.2009
    Ein paar Computerarbeitsplätze, drei große Geräteschränke, viele farbige Kabel, Messtechnik - und über allem liegt ein permanentes Lüftergeräusch. Der Raum, in dem Dr. Erik Oswald steht, dürfte zu den ungemütlicheren gehören in der Fraunhofer-Einrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik. Auf wenigen Quadratmetern ist ein Großteil dessen aufgebaut, was man braucht, um einen Breitband-Zugang zum Internet zu simulieren. Oswald:

    "Im Prinzip können wir mit diesem DSL-Labor die komplette Strecke nachbilden vom Teilnehmer bis hin zum Dienstserver. Und können auch an verschiedenen Punkten eingreifen in die Übertragung, Signale auswerten, analysieren, physikalische Parameter abrufen. Aber auch ganz einfache Dienste uns anschauen und gucken beispielsweise, wie wirkt sich eine physikalische Störung auf die Bildqualität bei einer Videoübertragung aus."

    Erik Oswald und seine Kollegen hatten dabei in letzter Zeit besonders solche Störungen im Blick, die von der DSL-Übertragung selbst herrühren.

    "Üblicherweise werden Kabelbündel verwendet, um DSL-Signale zu übertragen. Hier gibt es viele Doppeladern, die in einem Bündel zusammengefasst sind. Und da kommt es dann zu einem elektromagnetischen Übersprechen. So dass sich unterschiedliche Systeme gegenseitig stören."

    In benachbarten Leitungen können schwache "Geistersignale" entstehen. Bei DSL ist das normalerweise kein Problem. Wird eine Verbindung aufgebaut, "horcht" die Elektronik der Vermittlungsstelle sozusagen erst einmal in die Leitung hinein: wie die Übertragungsbedingungen aussehen und wie stark zum Beispiel Störsignale sind. Abhängig davon legt das System dann die Datenrate für diese Verbindung fest. Genau das sorgt aber für Schwierigkeiten, wenn die Netzbetreiber Strom sparen wollen. Etwa, indem sie bei Verbindungen, über die gerade keine Daten laufen, die Sendeleistung reduzieren, sie also in einen Ruhemodus versetzen. Im Kabelbündel treten dadurch weniger Störungen auf. Geht ein Internetnutzer in diesem Moment online, stellt sich die Elektronik für seine Verbindung deshalb auf einen niedrigen Störpegel ein. Doch der kann sich schlagartig ändern, erläutert Günter Hildebrandt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Münchner Fraunhofer-Einrichtung.

    "Sollte ein benachbartes System aus dem Ruhemodus aufwachen, wird das andere System sehr stark gestört dadurch. Hierdurch kann es zu einem Verbindungsabbruch kommen, wodurch sich das System neu einmessen muss. Und das dauert circa 30 Sekunden. In diesen 30 Sekunden hat der Teilnehmer kein Internet."

    Aus diesem Grund verzichten die Netzanbieter auf den Einsatz des Energiesparmodus. Dabei ist die notwendige Technik längst in DSL-Systeme eingebaut und könnte den Stromverbrauch um fast ein Drittel senken. Die Fraunhofer-Forscher haben deshalb nach einem Weg gesucht, wie man die Breitband-Verbindungen so weit stabilisieren kann, dass sich diese Energiesparoption, der so genannte L2-Modus, endlich nutzen lässt. Ihre Lösung ist verblüffend einfach: Wenn sich das System einmisst, gaukelt man ihm schlicht ein bestimmtes Maß an Störungen vor. Dazu gibt man künstliches Rauschen auf die Leitung, erklärt Erik Oswald.

    "Die Rauschleistung des eingespeisten, künstlichen Rauschens wird vorher berechnet. Und hier wird zugrundegelegt, wie denn der worst case auf der Leitung aussehen würde. Es fließen die Informationen ein, wie viele Systeme beispielsweise im Kabelbündel betrieben werden, wie sie betrieben werden, mit welchen Sendeleistungen sie arbeiten. Und daraus kann man ableiten, welche Störungen zu erwarten sind."

    In ihrem Labor haben die Forscher ausgiebig getestet, wie sich DSL-Verbindungen verhalten, die sozusagen auf die maximal zu erwartenden Störungen "geeicht" wurden. Günter Hildebrandt:

    "Wir hatten hier zum Beispiel einen Versuch mit fünf Systemen in einem Bündel. Davon wurde eins betrachtet, ob es abbricht oder nicht. Ohne künstliches Rauschen brach es in 87 von 100 Fällen die Verbindung ab. Und mit eingespeistem künstlichen Rauschen lief es die ganze Zeit stabil."

    Damit wäre eigentlich der Weg frei für die Netzanbieter, endlich den Energiesparmodus zu aktivieren. Doch offenbar scheuen sie den Aufwand, ihre Geräte für das künstliche Rauschen anzupassen. Oswald:

    "Bis jetzt hat sich noch niemand an uns gewandt."