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REACH verstehen

Das neue EU-Chemikalienrecht REACH ist kompliziert und belegt Firmen mit allerhand Pflichten. Noch bevor die neuen Regeln die letzten bürokratischen Hürden in Brüssel genommen haben, starten deutsche Behörden Informationsangebote.

Von Ralph Ahrens | 04.12.2006
    "Guten Tag, Sie sind verbunden mit dem HelpDesk von REACH."

    "Guten Tag. Ich habe ein paar Fragen zu REACH. Bin ich bei Ihnen richtig?"

    "Jawohl, da sind Sie bei uns richtig."

    "Mir geht es um Lacke, die ich in meiner Fabrik herstelle. Ich habe da Benzol und Toluol drin. Muss ich diese Stoffe registrieren lassen?"

    "Das ist eine Frage, die kann ich Ihnen jetzt direkt am Telefon nicht beantworten. Ich würde die Frage für Sie aufnehmen und in unser System eingeben und innerhalb von zwei, drei Tagen bekommen Sie die Antwort aus unserem Expertensystem zurück."

    So oder ähnlich könnte ein Telefongespräch mit Klaus Nolting beginnen, einem Fachmann vom nordrhein-westfälischem REACH-Net. Dieser letzte Woche neu eingerichtete Service ist sowohl für Chemiefabriken gedacht als auch für Firmen, die chemische Mischungen wie Farben, Lacke, Klebstoffe oder auch Schmieröle herstellen oder anwenden. Viele dieser Betriebe sind klein und damit überfordert, die mehr als 1000 Seiten der REACH-Verordnung zu verstehen, meint Michael Deilmann aus dem nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium:

    "Der Mittelständler, der nun hier ganz konkret etwas tun muss, auf den neue Pflichten zukommen, der ist schlicht und einfach völlig überfordert mit diesem - in Anführungsstrichen - Moloch von Verordnung. Und es geht darum, wirklich dem Mittelstand, insbesondere den kleinen und mittleren Betrieben, ganz pragmatische Hilfestellung zu geben, damit sie ihren Pflichten nachkommen können."

    Der REACH-Net-Service ist umsonst und besteht aus zwei Teilen. Einfache Fragen, etwa, wie funktioniert REACH eigentlich, lassen sich auf einer Webseiteklären oder durch einen Anruf in einem Call Center. Aber schon die Frage eines Lackherstellers, ob er diese oder jene Chemikalie weiterhin in geringen Mengen seinem Lack zumischen darf, kann schwierig zu beantworten sein. Solche Fragen werden an Fachleute weitergeleitet:

    "Und wir werden dann den Fragesteller nicht mit irgendwelchem Expertenkauderwelsch überwerfen, sondern wir werden die Antwort so aufbereiten, dass er es auch versteht und dass er genau weiß, für meine ganz spezielle Situation muss ich das und das befolgen, um dann wirklich die REACH-Verordnung umsetzen zu können."

    Dies Angebot ist das zweite dieser Art in Deutschland. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizinmit Sitz in Dortmund bietet einen ähnlichen Service an. Auch hier wird kostenlos beraten. Ein Unterschied: Die Bundesanstalt mit ihrer langjährigen Erfahrung beim Anmelden von Chemikalien greift auf Experten aus Bundesbehörden zurück, die nordrhein-westfälische Auskunftsstelle arbeitet hingegen mit Fachleuten aus der Industrie zusammen. Das Besondere am nordrhein-westfälischen Service sei, ergänzt Michael Deilmann, dass es als lernendes System ausgelegt ist:

    "Jede Antwort auf irgendeine Frage, die an REACH-Net gestellt wird, wird aufbereitet und dann wiederum jedem, der sich dafür interessiert, im Internet zur Verfügung gestellt. Wir laden also unsere Kunden, die REACH-Net-Kunden ein, schau doch erst einmal in unsere Internetdatenbank gibt, ob es dort vielleicht schon eine Antwort gibt. Und wenn Du dort fündig wirst, für Dich prima. Und wenn nicht, nun gut, stell uns einfach Deine abweichende Frage."

    Und die Antwort auf diese Frage wird wiederum im Internet nachzulesen sein. Das Wissen wird also ständig zunehmen, der Service immer besser. Und weil jede Antwort von mindestens zwei Fachleuten geprüft wird, spricht Michael Deilmann von einer Beratung zum Nulltarif mit Qualitätssicherung, die sich zudem nicht auf das Bundesland beschränkt:

    "Das Internet kennt sowieso keine Grenzen. Also, wenn uns jemand von außerhalb Nordrhein-Westfalens eine Frage stellt, wir werden ihn nicht von der Bettkante stoßen, sondern wir werden ihn genauso kundenorientiert bedienen wollen wie alle anderen auch."

    Solche Hilfsangebote werden es Betrieben erleichtern, die neuen Regeln einzuhalten. Und das wiederum kann dazu führen, dass gefährliche Chemikalien sicherer eingesetzt oder durch sicherere Stoffe ersetzt werden, zum Schutz von Mensch und Umwelt. Mit anderen Worten: REACH ist machbar.