FRIEDERIKE HARMGARTH: Die Buch AG hat damit zwei strategische Ziele verfolgt. Zum einen wollten wir das Kerngeschäft von Bertelsmann, das Buch, stärken, und außerdem unsere Position im amerikanischen Markt ausbauen.
SCHECK: Zur Random House-Gruppe gehören eine ganze Reihe sehr renommierter amerikanischer Autoren - ich nenne etwa Norman Mailer, Toni Morrison, John Updike und Cormack McCarthy. Wenn man sich diese Liste genauer ansieht, dann bemerkt man, daß der deutsche Rowohlt Verlag, der nun seinerseits wiederum zum Holtzbrinck-Konzern gehört, also Ihrem direkten Konkurrenten, eine ganze Menge dieser Autoren in Deutschland verlegt hat. Was hat denn das für Konsequenzen bei der Lizenzvergabe? Werden nun zu Bertelsmann gehörende Verlage wie Goldmann oder Knaus oder C. Bertelsmann bevorzugt den Zuschlag bei Autorenrechten erhalten?
HARMGARTH: Nein, davon kann keine Rede sein. Ganz wichtig bei der Übernahme von Random House war für beide Partner, also sowohl für Random House und die Newhouse-Familie als auch für Bantam Doubleday Dell und Bertelsmann im Hintergrund, daß die Philosophien der beiden Häuser zusammenpassen. Beiden Häusern geht es um publizistische Vielfalt und um die verlegerische Autonomie der Verlage. Das ist ganz wichtig. In der Praxis bedeutet dies, daß jeder Verleger, also der Verleger bei Crown, bei Knopf, bei Ballantine und bei Bantam und bei Doubleday und bei Dell, selbst entscheidet, welches Buch er oder sie veröffentlichen will, und dann auch natürlich, wohin die Rechte verkauft werden.
SCHECK: Sie führen diese Verlage also als unabhängige profit center. Aber ist es denn wirklich realistisch anzunehmen, daß der deutsche Verleger von Goldmann es sich gefallen läßt, wenn er sozusagen konzernintern ausgeboten wird von einem zur Bertelsmann-Gruppe gehörenden Verleger?
HARMGARTH: Das ist in der Vergangenheit schon passiert. Es gibt berühmte Namen, John Grisham etwa, der in Amerika im Hardcover bei Bantam Doubleday Dell und in Deutschland von Hofmann & Campe verlegt wird. Stephen Hawking ist mit seiner "Kurzen Geschichte der Zeit" und den folgenden Büchern in Amerika auch bei Bantam Doubleday Dell gewesen, in Deutschland ist er bei Rowohlt. Es gilt für andere Autoren wie Maeve Binchy, Margaret Atwood und sogar den Nobelpreisträger Nagib Machfus, die alle in Amerika bei einem Bertelsmann-Verlag veröffentlicht werden und in Deutschland nicht.
SCHECK: Welche Konsequenzen hat der deutsche Buchkäufer von dieser Übernahme zu erwarten? Wird nun noch mehr Literatur aus Amerika importiert werden?
HARMGARTH: Ich kann da nur darauf verweisen, daß dies wirklich eine Angelegenheit der Verleger selber ist - wie sie ihr Programm zusammenstellen, welche Rechte sie haben möchte und welche Rechte sie dann bekommen. Sie wissen ja, daß das ganze Geschäft sehr stark über Literaturagenten läuft, und das wird auch in diesem Fall nicht anders sein.
SCHECK: Dann lassen Sie mich umgekehrt fragen: Könnte diese Übernahme des größten aller amerikanischen Verlage durch einen deutschen Medienkonzern nun vielleicht dazu führen, daß ein besseres Forum für die deutsche Gegenwartsliteratur in den USA entsteht? Es wird ja ganz, ganz wenig aus Deutschland übersetzt ...
HARMGARTH: Darüber würden wir uns natürlich sehr freuen, das wäre eigentlich sehr schön. Auch da ist Random House eine ganz tolle Adresse, denn traditionell werden da schon eine ganze Menge europäischer Autoren verlegt. Random House hat gleich am Anfang seiner Geschichte einen berühmten Fall gehabt, als sie James Joyces "Ulysses" verlegten und erst einen Prozeß gewinnen mußten, um diesen Roman verlegen zu können. Später sind Michel Foucault dazu gekommen, Marguerite Duras, Albert Camus, Thomas Mann und so weiter. Es gibt bei Random House also eine starke Tradition, europäischer Autoren zu verlegen, und ich kann mir gut vorstellen, daß dadurch, daß man sich dann einfach besser kennenlernt, wenn man zum selben Haus gehört, auch Kontakte geknüpft werden, die diesen Trend oder diese Linie noch stärken.
SCHECK: Herzlichen Dank, Friederike Harmgarth von der Bertelsmann Buch AG. Unserem Gespräch zugehört hat Arnulf Conradi, Leiter des Berlin Verlags. Der Berlin Verlag gehört keinem der großen Medienkonzerne an, welche Konsequenzen sehen denn Sie durch diese Übernahme von Random House auf sich zukommen?
ARNULF CONRADI: Uns wird das nicht allzu sehr berühren. Das ist eine amerikanische Geschichte, und wie die Kollegin Harmgarth von Bertelsmann schon gesagt hat, die Auslandsrechte laufen zu 90 Prozent über Agenten. Das heißt, der Agent gibt in Amerika ein großes Recht, nehmen wir mal als Beispiel David Guterson, an einen großen amerikanischen Konzern, behält sich aber die europäischen Rechte in der Regel vor. Ganz selten werden die Weltrechte direkt verkauft, sagen wir an Knopf, so daß Knopf, das ein Teil von Random House ist, dann selbst verfügen kann, wo, in welchen Verlagen die europäischen Übersetzungen landen. Das heißt also, wir verhandeln in der Regel mit den Agenten, die einerseits die amerikanischen, andererseits die deutschen Rechte unabhängig voneinander vergeben. Diese Unabhängigkeit der Agenten schützt davor, daß Bertelsmann sozusagen den amerikanischen Literaturmarkt - um etwas ganz Utopisches zu sagen - monopolisiert, so daß also die großen Rechte in Amerika bei Knopf landen oder Random House oder Doubleday, was ja auch schon zu Bertelsmann gehört, und in Deutschland bei den Bertelsmann-Verlagen. Das ist nicht möglich, weil die Agenten sich diese Rechte vorbehalten. Deshalb wird uns diese Elefantenhochzeit in New York nicht allzu sehr betreffen.
SCHECK: Nun sind Sie ein intimer Kenner der amerikanischen Literaturszene. Ich fühle mich durch diese Meldung ein wenig erinnert an die 80er Jahre, als sich die Japaner stark in Hollywood engagierten. Wenige Jahre zuvor hat der Holtzbrinck-Konzern den literarisch sehr renommierten Verlag Farrar, Straus & Giroux teilweise übernommen, nun geht der größte aller amerikanischen Verlage in deutsche Hände über. Die Devise in New York heißt: die Krauts kommen. Muß man denn nicht auch mit Ressentiments rechnen durch dieses starke Engagement der Deutschen?
CONRADI: Das glaube ich nicht. In Amerika sind sowohl Bertelsmann als auch Holtzbrinck wegen ihrer liberalen Verlagspolitik recht beliebt. Sie müssen sehen, daß diese großen globalen Konzerne, vor allen Dingen Bertelsmann, Holtzbrinck ist ja nicht gar so groß, in dem Sinne gar nicht mehr als deutsche Firmen gesehen werden. Also ich kann mir nicht vorstellen, daß es da Ressentiments gibt.
SCHECK: Durch den Zukauf von Random House wird der Bertelsmann-Konzern genau so hohe Erträge aus Amerika beziehen wie aus Deutschland - das spricht ja für diese Internationalisierung der Konzerne, die Sie ansprachen. Aber welche Konsequenzen hat das für einen kleinen Verlag wie den Ihren, ein mittelständisches Unternehmen? Fühlen Sie sich da nicht mehr und mehr an die Wand gedrängt?
CONRADI: Das ist richtig. Aber da würde ich die Kritik auf deutschen Markt beschränken, wo es natürlich auch durch die Macht Bertelsmanns und Holtzbrincks, die ja weit auch in die anderen Druckmedien hineinreicht, für einen mittelständischen, kleineren Verlag immer schwerer wird. Wenn Sie alleine sehen, daß durch die verbundene Macht so eines Konzerns wie Bertelsmann natürlich dann die Werbekosten in den großen Zeitungen bis auf 50 Prozent sinken, während wir die vollen Kosten zahlen müssen, dann merken Sie, daß wir da zunehmend in eine schwierigere Situation geraten, überhaupt mit diesen großen Verlagsverbindungen konkurrieren zu können. Andererseits muß ich sagen, daß ich ziemlich unverdrossen bin, weil die kleineren Verlage dann doch vielleicht ein bißchen einen Vorteil haben in der Wendigkeit, in der Schnelligkeit der Entscheidung, auch in persönlichen Kontakten, in der Beliebtheit beim Buchhandel. Das kompensiert die anderen Vorteile noch, würde ich sagen. Wie lange das gutgeht, weiß ich nicht.
SCHECK: Das ist ja Ihr Kapital - diese Schnelligkeit, diese Findigkeit, daß man eben auch die Nase im Wind hat und vielleich als erster von einem spektakulären Buchprojekt erfährt. Aber verhindern denn nicht gerade diese Übernahmen der amerikanischen Verlage durch die deutschen Konzerne - Holtzbrinck gehört ja auch der sehr großen Henry Holt Verlag in den USA -, daß man da noch als kleinerer Verleger als erster an Informationen kommt?
CONRADI: Nein, da würde ich auf mein Anfangsargument zurückkommen, daß der Einkauf von Rechten in den USA zu 90 Prozent über Agenten läuft. Das heißt also, wir sind von den Verlagen nicht direkt abhängig. Ich habe von meiner Freundin Carol Janeaway bei Knopf schon das eine oder andere Buch gekauft, an dem Knopf die Weltrechte hat. Jetzt haben wir gerade einen ziemlich spektakulären Fotoband über Shackletons Antarktis-Expedition gekauft, ganz schnell, das könnte in Zukunft schwieriger werden. Aber das ist die Ausnahme. Die Regel ist, daß der Agent sich die deutschen Rechte vorbehält, und der hat gar keinen Grund, sagen wir, das Buch in Amerika zu Bertelsmann zu geben und in Deutschland ebenso. Da kann man immer noch mit persönlicher Kenntnis, mit Beziehungen und mit Schnelligkeit dieselbe Wirkung erzielen wie bisher. Daran ändert sich ja nichts.
SCHECK: Ich höre mit Vergnügen einen deutschen Verleger das Hohlied auf das Agentenwesen singen. Die Agenten werden dann ja im Grunde die Garanten der verlegerischen, der literarischen Freiheit. Ansonsten sind Agenten ja nicht sehr beliebt wegen der explodierenden Vorschüsse, die gerade amerikanische Autoren für ihre Lizenzen in Deutschland erzielen.
CONRADI: Da haben Sie völlig recht. Es gibt die gute Seite der Agenten, das ist diese Unabhängigkeit von den großen Konzernen, und es gibt die düstere Seite der Agenten, wo eben ihr Blutdurst ins Spiel kommt. Die Agenten sind natürlich außerordentlich daran interessiert, die Verlage auszuquetschen bis zum Letzten und die möglichst höchsten Vorschußzahlungen zu bekommen. Das bringt die Verlage auch wiederum in Schwierigkeiten. Es gibt also beide Seiten bei den Agenten, wie bei den meisten Menschen - die gute wie die böse.
Link: Kommentar zu Bertelsmanns Milliardencoup
SCHECK: Zur Random House-Gruppe gehören eine ganze Reihe sehr renommierter amerikanischer Autoren - ich nenne etwa Norman Mailer, Toni Morrison, John Updike und Cormack McCarthy. Wenn man sich diese Liste genauer ansieht, dann bemerkt man, daß der deutsche Rowohlt Verlag, der nun seinerseits wiederum zum Holtzbrinck-Konzern gehört, also Ihrem direkten Konkurrenten, eine ganze Menge dieser Autoren in Deutschland verlegt hat. Was hat denn das für Konsequenzen bei der Lizenzvergabe? Werden nun zu Bertelsmann gehörende Verlage wie Goldmann oder Knaus oder C. Bertelsmann bevorzugt den Zuschlag bei Autorenrechten erhalten?
HARMGARTH: Nein, davon kann keine Rede sein. Ganz wichtig bei der Übernahme von Random House war für beide Partner, also sowohl für Random House und die Newhouse-Familie als auch für Bantam Doubleday Dell und Bertelsmann im Hintergrund, daß die Philosophien der beiden Häuser zusammenpassen. Beiden Häusern geht es um publizistische Vielfalt und um die verlegerische Autonomie der Verlage. Das ist ganz wichtig. In der Praxis bedeutet dies, daß jeder Verleger, also der Verleger bei Crown, bei Knopf, bei Ballantine und bei Bantam und bei Doubleday und bei Dell, selbst entscheidet, welches Buch er oder sie veröffentlichen will, und dann auch natürlich, wohin die Rechte verkauft werden.
SCHECK: Sie führen diese Verlage also als unabhängige profit center. Aber ist es denn wirklich realistisch anzunehmen, daß der deutsche Verleger von Goldmann es sich gefallen läßt, wenn er sozusagen konzernintern ausgeboten wird von einem zur Bertelsmann-Gruppe gehörenden Verleger?
HARMGARTH: Das ist in der Vergangenheit schon passiert. Es gibt berühmte Namen, John Grisham etwa, der in Amerika im Hardcover bei Bantam Doubleday Dell und in Deutschland von Hofmann & Campe verlegt wird. Stephen Hawking ist mit seiner "Kurzen Geschichte der Zeit" und den folgenden Büchern in Amerika auch bei Bantam Doubleday Dell gewesen, in Deutschland ist er bei Rowohlt. Es gilt für andere Autoren wie Maeve Binchy, Margaret Atwood und sogar den Nobelpreisträger Nagib Machfus, die alle in Amerika bei einem Bertelsmann-Verlag veröffentlicht werden und in Deutschland nicht.
SCHECK: Welche Konsequenzen hat der deutsche Buchkäufer von dieser Übernahme zu erwarten? Wird nun noch mehr Literatur aus Amerika importiert werden?
HARMGARTH: Ich kann da nur darauf verweisen, daß dies wirklich eine Angelegenheit der Verleger selber ist - wie sie ihr Programm zusammenstellen, welche Rechte sie haben möchte und welche Rechte sie dann bekommen. Sie wissen ja, daß das ganze Geschäft sehr stark über Literaturagenten läuft, und das wird auch in diesem Fall nicht anders sein.
SCHECK: Dann lassen Sie mich umgekehrt fragen: Könnte diese Übernahme des größten aller amerikanischen Verlage durch einen deutschen Medienkonzern nun vielleicht dazu führen, daß ein besseres Forum für die deutsche Gegenwartsliteratur in den USA entsteht? Es wird ja ganz, ganz wenig aus Deutschland übersetzt ...
HARMGARTH: Darüber würden wir uns natürlich sehr freuen, das wäre eigentlich sehr schön. Auch da ist Random House eine ganz tolle Adresse, denn traditionell werden da schon eine ganze Menge europäischer Autoren verlegt. Random House hat gleich am Anfang seiner Geschichte einen berühmten Fall gehabt, als sie James Joyces "Ulysses" verlegten und erst einen Prozeß gewinnen mußten, um diesen Roman verlegen zu können. Später sind Michel Foucault dazu gekommen, Marguerite Duras, Albert Camus, Thomas Mann und so weiter. Es gibt bei Random House also eine starke Tradition, europäischer Autoren zu verlegen, und ich kann mir gut vorstellen, daß dadurch, daß man sich dann einfach besser kennenlernt, wenn man zum selben Haus gehört, auch Kontakte geknüpft werden, die diesen Trend oder diese Linie noch stärken.
SCHECK: Herzlichen Dank, Friederike Harmgarth von der Bertelsmann Buch AG. Unserem Gespräch zugehört hat Arnulf Conradi, Leiter des Berlin Verlags. Der Berlin Verlag gehört keinem der großen Medienkonzerne an, welche Konsequenzen sehen denn Sie durch diese Übernahme von Random House auf sich zukommen?
ARNULF CONRADI: Uns wird das nicht allzu sehr berühren. Das ist eine amerikanische Geschichte, und wie die Kollegin Harmgarth von Bertelsmann schon gesagt hat, die Auslandsrechte laufen zu 90 Prozent über Agenten. Das heißt, der Agent gibt in Amerika ein großes Recht, nehmen wir mal als Beispiel David Guterson, an einen großen amerikanischen Konzern, behält sich aber die europäischen Rechte in der Regel vor. Ganz selten werden die Weltrechte direkt verkauft, sagen wir an Knopf, so daß Knopf, das ein Teil von Random House ist, dann selbst verfügen kann, wo, in welchen Verlagen die europäischen Übersetzungen landen. Das heißt also, wir verhandeln in der Regel mit den Agenten, die einerseits die amerikanischen, andererseits die deutschen Rechte unabhängig voneinander vergeben. Diese Unabhängigkeit der Agenten schützt davor, daß Bertelsmann sozusagen den amerikanischen Literaturmarkt - um etwas ganz Utopisches zu sagen - monopolisiert, so daß also die großen Rechte in Amerika bei Knopf landen oder Random House oder Doubleday, was ja auch schon zu Bertelsmann gehört, und in Deutschland bei den Bertelsmann-Verlagen. Das ist nicht möglich, weil die Agenten sich diese Rechte vorbehalten. Deshalb wird uns diese Elefantenhochzeit in New York nicht allzu sehr betreffen.
SCHECK: Nun sind Sie ein intimer Kenner der amerikanischen Literaturszene. Ich fühle mich durch diese Meldung ein wenig erinnert an die 80er Jahre, als sich die Japaner stark in Hollywood engagierten. Wenige Jahre zuvor hat der Holtzbrinck-Konzern den literarisch sehr renommierten Verlag Farrar, Straus & Giroux teilweise übernommen, nun geht der größte aller amerikanischen Verlage in deutsche Hände über. Die Devise in New York heißt: die Krauts kommen. Muß man denn nicht auch mit Ressentiments rechnen durch dieses starke Engagement der Deutschen?
CONRADI: Das glaube ich nicht. In Amerika sind sowohl Bertelsmann als auch Holtzbrinck wegen ihrer liberalen Verlagspolitik recht beliebt. Sie müssen sehen, daß diese großen globalen Konzerne, vor allen Dingen Bertelsmann, Holtzbrinck ist ja nicht gar so groß, in dem Sinne gar nicht mehr als deutsche Firmen gesehen werden. Also ich kann mir nicht vorstellen, daß es da Ressentiments gibt.
SCHECK: Durch den Zukauf von Random House wird der Bertelsmann-Konzern genau so hohe Erträge aus Amerika beziehen wie aus Deutschland - das spricht ja für diese Internationalisierung der Konzerne, die Sie ansprachen. Aber welche Konsequenzen hat das für einen kleinen Verlag wie den Ihren, ein mittelständisches Unternehmen? Fühlen Sie sich da nicht mehr und mehr an die Wand gedrängt?
CONRADI: Das ist richtig. Aber da würde ich die Kritik auf deutschen Markt beschränken, wo es natürlich auch durch die Macht Bertelsmanns und Holtzbrincks, die ja weit auch in die anderen Druckmedien hineinreicht, für einen mittelständischen, kleineren Verlag immer schwerer wird. Wenn Sie alleine sehen, daß durch die verbundene Macht so eines Konzerns wie Bertelsmann natürlich dann die Werbekosten in den großen Zeitungen bis auf 50 Prozent sinken, während wir die vollen Kosten zahlen müssen, dann merken Sie, daß wir da zunehmend in eine schwierigere Situation geraten, überhaupt mit diesen großen Verlagsverbindungen konkurrieren zu können. Andererseits muß ich sagen, daß ich ziemlich unverdrossen bin, weil die kleineren Verlage dann doch vielleicht ein bißchen einen Vorteil haben in der Wendigkeit, in der Schnelligkeit der Entscheidung, auch in persönlichen Kontakten, in der Beliebtheit beim Buchhandel. Das kompensiert die anderen Vorteile noch, würde ich sagen. Wie lange das gutgeht, weiß ich nicht.
SCHECK: Das ist ja Ihr Kapital - diese Schnelligkeit, diese Findigkeit, daß man eben auch die Nase im Wind hat und vielleich als erster von einem spektakulären Buchprojekt erfährt. Aber verhindern denn nicht gerade diese Übernahmen der amerikanischen Verlage durch die deutschen Konzerne - Holtzbrinck gehört ja auch der sehr großen Henry Holt Verlag in den USA -, daß man da noch als kleinerer Verleger als erster an Informationen kommt?
CONRADI: Nein, da würde ich auf mein Anfangsargument zurückkommen, daß der Einkauf von Rechten in den USA zu 90 Prozent über Agenten läuft. Das heißt also, wir sind von den Verlagen nicht direkt abhängig. Ich habe von meiner Freundin Carol Janeaway bei Knopf schon das eine oder andere Buch gekauft, an dem Knopf die Weltrechte hat. Jetzt haben wir gerade einen ziemlich spektakulären Fotoband über Shackletons Antarktis-Expedition gekauft, ganz schnell, das könnte in Zukunft schwieriger werden. Aber das ist die Ausnahme. Die Regel ist, daß der Agent sich die deutschen Rechte vorbehält, und der hat gar keinen Grund, sagen wir, das Buch in Amerika zu Bertelsmann zu geben und in Deutschland ebenso. Da kann man immer noch mit persönlicher Kenntnis, mit Beziehungen und mit Schnelligkeit dieselbe Wirkung erzielen wie bisher. Daran ändert sich ja nichts.
SCHECK: Ich höre mit Vergnügen einen deutschen Verleger das Hohlied auf das Agentenwesen singen. Die Agenten werden dann ja im Grunde die Garanten der verlegerischen, der literarischen Freiheit. Ansonsten sind Agenten ja nicht sehr beliebt wegen der explodierenden Vorschüsse, die gerade amerikanische Autoren für ihre Lizenzen in Deutschland erzielen.
CONRADI: Da haben Sie völlig recht. Es gibt die gute Seite der Agenten, das ist diese Unabhängigkeit von den großen Konzernen, und es gibt die düstere Seite der Agenten, wo eben ihr Blutdurst ins Spiel kommt. Die Agenten sind natürlich außerordentlich daran interessiert, die Verlage auszuquetschen bis zum Letzten und die möglichst höchsten Vorschußzahlungen zu bekommen. Das bringt die Verlage auch wiederum in Schwierigkeiten. Es gibt also beide Seiten bei den Agenten, wie bei den meisten Menschen - die gute wie die böse.
Link: Kommentar zu Bertelsmanns Milliardencoup