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Reaktionsschnelle Roboter

Robotik. - In Bremen trifft sich derzeit die Weltelite der Roboterforschung: Teams aus rund 40 Ländern wollen bis Sonntag ermitteln, welche ihrer Maschinen das pfiffigste Konzept besitzt, um das Runde ins Eckige zu kriegen. Fußball ist hier mehr als Unterhaltung. Das Kicken wird als Standardaufgabe benutzt, an dem sich Ergebnisse aus den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen direkt vergleichen lassen.

Von Folkert Lenz | 14.06.2006
    " Wir haben eine Vision: 2050 wollen wir so weit sein, mit humanoiden Robotern gegen den echten Weltmeister draußen auf dem grünen Rasen zu bestehen."

    Die Ziele bei der Roboter-Weltmeisterschaft in Bremen sind hoch gesteckt. Doch während RoboCup-Organisator Ubbo Visser schon in die Zukunft blickt, schlagen sich Informatiker, Maschinenbauer und Programmierer noch mit ganz banalen Problemen am Spielfeldrand herum. Zum Beispiel: "Lara": Der erste weibliche Humanoidroboter der Welt hat gerade alle Hüllen fallen lassen. Metallskelett und Muskeln - viel mehr ist nicht dran. Ein Kurzschluss hat Laras WM-Einsatz unsicher gemacht. Und doch zählt sie zu der nächsten Generation von Maschinenmenschen, sagt Robert Kratz von der Technischen Universität Darmstadt:

    " Bisher werden humanoide Roboter von Servo-Motoren angetrieben, die den Nachteil haben, dass sie verhältnismäßig schwer sind. Dieses Problem lässt sich durch den Einsatz von künstlichen Muskeln lösen. Ein Muskel besteht aus 20 einzelnen Fasern. Und jede Faser hat einen Durchmesser von 100 Mikrometer. Und die Fasern bestehen aus einer Nickel-Titan-Legierung."

    Die Maschinenfrau hat zwei Beine und ist mit ein Meter zwanzig so groß wie ein Jugendlicher. Die Sprinterqualitäten eines echten WM-Fußballers fehlen ihr allerdings noch: Gerade mal 20 Zentimeter schafft sie in der Sekunde. Doch das ist in der Liga der Menschenähnlichen schon verdammt fix.

    Ein feines Geflecht von dünnen Drähten spannt sich über die Gelenke von Laras Extremitäten. Die neuartigen Kunstmuskeln: Sie funktionieren mit Strom. Robert Kratz:

    " Die künstlichen Muskeln bestehen aus parallel geschalteten Memory-Metall-Drähten. Das sind Materialien, die zwei Zustände haben. Der Übergang von einem Zustand in den nächsten erfolgt bei verschiedenen Temperaturen. Und das Erhitzen der Drähte lösen wir durch einen Strom, der durch die Drähte fließt. Und über die Stromstärke können wir die Zwischenpositionen einregeln."

    In der Fußballarena ist Lara vorerst Einzelkämpferin. Viel mehr als Elfmeterschießen oder einen Wettlauf hat sie nicht drauf. Doch das Konzept der "Darmstadt Dribblers" gilt als zukunftsweisend.

    Um Teamqualitäten geht's dagegen ein paar Spielfelder weiter. Fünf beräderte Blechbüchsen versuchen hier, einen kleinen signalorangen Ball in den gegnerischen Kasten zu treiben. Wadenhoch sind die herumflitzenden Maschinchen auf dem grünen Filz. Oben drauf sind bunte Punkte geklebt. Der Informatiker Dennis Pachur vom B-Smart-Team der Universität Bremen nimmt gerade das letzte Feintuning bei der Programmierung vor.

    " Das ist die Small-Size-League. Das sind kleine Roboter. Prinzipiell darf man darin alles verbauen. Aber es hat sich erwiesen in den letzten Jahren, dass ein omnidirektionaler Antrieb über vier Räder, ein Schussmechanismus und ein Dribbler die Standardkomponenten sind, die man haben sollte."

    Denn hier geht es vor allem um den virtuellen Mannschaftsgeist. Das kooperative Spielen: Für die Forscher ist es immer noch eine echte Herausforderung, weil die Abläufe sehr komplex sind, so Dennis Pachur:

    " Unsere Liga zeichnet sich ja dadurch aus, dass wir Kameras über dem Spielfeld haben und die Verarbeitung extern läuft. Das heißt, die Roboter an sich denken nicht. Sondern die Computer, die daneben stehen, machen das und übertragen nur an die Roboter, wo sie hinfahren sollen und was sie gerade tun sollen."

    Da ist man in der Vierbein-Liga schon weiter. Die hoppelnden Plastikhunde namens Aibo sind Standard-Roboter, die man kaufen kann. Sie agieren autonom. Die Kunst steckt hier im Programmieren: Torschuss, Dribbeln, Lageerkennung sowie die Absprache mit den Kollegen müssen stimmen. Und wurde bei früheren Turnieren noch jeder Ballbesitz mit Applaus quittiert, müssen heutzutage schon Tore her, damit die Robo-Fans aus dem Häuschen geraten.

    Ein Favorit in dieser Klasse: Die Hellhounds der Universität Dortmund. Mit ihrer Software können sie Weltmeister werden, glaubt Teamchef Matthias Hebbel:

    " Zum Beispiel laufen wir ein bisschen schneller als die meisten Teams. Wir haben eine sehr gute Lokalisierung: Unsere Roboter stehen genau da, wo sie stehen sollen. Vielleicht mit einer Abweichung von drei, vier Zentimetern. Und ich glaube auch, dass wir ein ziemlich gutes Ballhandling haben. Wir greifen den Ball, drehen uns zum Tor, und dann ist er auch schon fast drin."

    Doch letztlich geht's beim Robo-Cup nicht um den Kicker-Ruhm, sondern darum, die Roboterforschung voranzutreiben. Deswegen werden bei einem zweitägigen Kongress nach dem Turnier auch alle Software- und Hardwarelösungen offengelegt und von den 2500 Experten in einem großen Trainerrat diskutiert.