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Reaktor-Ruinen von Fukushima noch immer außer Kontrolle

Rund 80 Prozent der Japaner sind inzwischen gegen die Atomenergie, das ergab eine Zeitungsumfrage. Dennoch will die Regierung zur Inspektion stillgelegte Reaktoren wieder hochfahren. In den Ruinen von Fukushima gibt es unterdessen neue Probleme.

Von Peter Kujath | 20.06.2011
    Kaum geht es einen Schritt vorwärts, entwickeln sich schon die nächsten Probleme. Nur fünf Stunden war die Filteranlage in Betrieb, die unter anderem hoch radioaktives Cäsium aus dem Kühlwasser heraus sieben kann. Dann meldete ein Filter, dass der Strahlen-Grenzwert erreicht sei. In den japanischen Hauptnachrichten wurde der Sprecher von Tepco nur mehr mit den Worten zitiert:

    "Bisher lief es nicht so, wie wir erwartet haben." Das kann man fast als Überschrift für die gesamte Katastrophe um das havarierte AKW Fukushima 1 stehen lassen. Die jüngste Veröffentlichung des Energiekonzerns zeigt, dass in den ersten Stunden die verbliebenen Arbeiter zwar mit großem Einsatz und unkonventionellen Ideen vieles versuchten, aber die Vorbereitung auf einen Tsunami oder den Ausfall der kompletten Stromversorgung einfach mangelhaft war.

    Das schließt den Verkehrsstau mit ein, in dem die Fahrzeuge mit den Notstromgeneratoren feststeckten. Die japanische Regierung hat deshalb die Energiekonzerne angewiesen, die Atomkraftwerke des Landes besser vorzubereiten. Derzeit sind 35 der 54 Reaktorblöcke nicht am Netz wegen des Erdbebens vom 11. März oder wegen regulärer Inspektionen.

    "Unsere Überprüfungen vor Ort haben ergeben, dass die angeordneten Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit ordnungsgemäß durchgeführt worden sind."

    Der japanische Industrieminister, Banri Kaieda, will deshalb persönlich in die betroffenen Gemeinden fahren, um für die Wieder-Inbetriebnahme zu werben. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz in Japan, dass ohne die Zustimmung der Bürger vor Ort die Atomkraftwerke nicht betrieben werden dürfen. Solange die Situation in Fukushima 1 aber nicht unter Kontrolle gebracht wurde, bleiben die Menschen skeptisch.

    "Es ist selbstverständlich, dass wir die gesetzlichen Grenzwerte in Sachen radioaktive Belastung einhalten. Wir führen Gesundheitscheckups durch und haben gleichzeitig berechnet, wie viele Arbeiter wir zusätzlich brauchen, um die Arbeiten fortsetzen zu können",

    so Sakai Muto, Vize-Präsident von Tepco. Diejenigen, die einer Strahlung von mehr als 100 Millisievert ausgesetzt waren, dürfen nicht mehr vor Ort arbeiten, obwohl die Regierung die maximale Belastung unmittelbar nach der Krise auf 250 Millisievert hochgesetzt hatte. Seit dem 11. März waren insgesamt mehr als 4000 Arbeiter auf der Anlage beschäftigt.

    Neben der Frage, wohin mit dem hoch radioaktiven Kühlwasser, ist derzeit eine dringende Aufgabe, Stickstoff in die Reaktorblöcke 2 und 3 einzuführen. Auf diese Weise soll eine erneute Wasserstoff-Explosion verhindert werden. Hohe Strahlungswerte und extrem schwierige Arbeitsbedingungen mit über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit haben das bisher nicht zugelassen. Am Sonntagabend begann Tepco die Türen im Reaktorgebäude 2 zu öffnen, um Luft entweichen zu lassen. Zuvor waren über Tage hinweg radioaktive Partikel in dem Gebäude herausgefiltert worden. Nach Angaben des Energiekonzerns heute verlief immerhin diese Aktion planmäßig.

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