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Reaktorunglück von Fukushima
Ex-Chef von Tepco steht vor Gericht

Bereits mehrere Gerichte haben festgestellt: Die japanische Regierung und der Energiekonzern Tepco sind für das Reaktorunglück in Fukushima 2011 mitverantwortlich. Doch welche Verantwortung liegt beim Management des Konzerns? Darüber wird in Tokio verhandelt.

Von Kathrin Erdmann | 30.10.2018
    Luftbild des Atomkraftwerks Fukushima.
    Der Tepco-Konzern betreibt das Atomkraftwerk im japanischen Fukushima, im dem es durch ein Erdbeben mit Tsunami 2011 zu drei Kernschmelzen kam (picture alliance / dpa / Motoya Taguchi)
    Bisher hat Tsunehisa Katsumata, damaliger Chef von Tepco, die Verantwortung für das Unglück stets von sich gewiesen. Der Konzern betreibt das Atomkraftwerk, im dem es durch ein Erdbeben mit Tsunami 2011 zu drei Kernschmelzen kam.
    "Ich denke, unsere Firmenpolitik war immer, dass wir dann Maßnahmen ergreifen, wenn sie wirklich notwendig sind. Egal, was sie kosten. Ich entschuldige mich trotzdem für die Folgen des Unglücks", sagte der frühere Tepco Chef 2012 vor einem Untersuchungsausschuss. Heute entschuldigte er sich kurz, ohne jedoch eine Mitschuld einzugestehen.
    Wollte Katsumata Geld sparen?
    Anders hatte es Juichi Kaido auch nicht erwartet. Der Anwalt kämpft seit Jahren den Energiekonzern: "Schon 2002 hat eine unabhängige Expertengruppe der Regierung auf die Gefahr eines Erdbebens mit Tsunami an der Küste von Fukushima hingewiesen. Wenn Tepco entsprechend reagiert hätte, hätte die Katastrophe verhindert werden können. Darauf basiert auch die Anklage. "
    Der Energiekonzern hatte zwar zunächst geplant, präventiv eine Flutmauer zu bauen, dann aber, so die Sicht von Anwalt Kaido, einen Rückzieher gemacht, um erstens nicht nach außen zu signalisieren, das Atomkraftwerk könnte gefährdet sein und zweitens um Geld zu sparen. Neben dem ehemaligen Tepco- Vorsitzenden sind zwei weitere Manager angeklagt.
    Klägerverband von 15.000 Menschen
    "Wir verlangen, dass die drei Männer der fahrlässigen Tötung für schuldig gesprochen werden. Dann müsste jeder bis zu fünf Jahre ins Gefängnis." Juichi Kaido der früher Direktor von Greenpeace Japan war, ist ein erfahrener Jurist. Er vertritt einen Klägerverband von 15.000 Menschen aus Fukushima. Ein Dutzend von ihnen ist heute zum Bezirksgericht in Tokyo gekommen. Gemeinsam stimmen sie ein Lied an:Der Tusnami war vorher bekannt, das Unglück vermeidbar gewesen, heißt es. Ruiko Mutoh ist die Verbandssprecherin.
    "Es kann natürlich sein, dass sich Herr Katsumata wieder rausredet, aber es gibt viele Zeugen, die aussagen werden, dass er bewusst die Katastrophe in Kauf genommen hat. Wie er darauf reagiert, interessiert mich schon sehr."
    Masako Sawai macht vor dem Gerichtsgebäude lautstark auf das Versagen von Tepco aufmerksam – doch viele Menschen gehen desinteressiert an der Protestgruppe vorbei. "Das liegt auch daran, dass die Japaner wenig Vertrauen in ihr Justizsystem haben und sie haben keine Lust, enttäuscht zu werden." Vielleicht erleben dieses Mal alle eine Überraschung. Mit einem Urteil wird im kommenden Frühjahr gerechnet.