Das Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit ist seit jeher angespannt. Beide behaupten in der Regel, sie kämen prima ohne die andere klar. Doch was wäre das Theater ohne Bezug zur Realität, und was wäre andersherum das Leben ohne die Kunst?
In den letzten Jahren hat sich in der Kunst des Theaters das Verhältnis etwas zugunsten der Realität verschoben. Dafür stehen Gruppen wie Rimini Protokoll, die ihre "Experten des Alltags" und keine Schauspieler auf die Bühne bringen, oder "Signa", die den Zuschauer zu einem Teil ihrer Performances machen. Dafür stehen auch Autoren wie Kathrin Röggla, Lutz Hübner oder Andres Veiel, deren Texte auf realen Ereignissen basieren.
Die Choreographin und Regisseurin Helena Waldmann beobachtet, dass das Reale seinen Platz auf den deutschen Bühnen weiter behauptet:
"Und zwar weil wir uns immer mehr auch interessieren an der Biographie von Personen, dass man wirklich nach dem Leben einer Person fragt und daran arbeitet und daran arbeitet oder in meinem Fall Biographien von Leuten auf die Bühne bringt, die in verschiedenen Kulturen oder in Ländern leben, die uns sehr fremd sind. Insofern glaube ich schon, dass man sagen kann, die Tendenz ist in den letzten Jahren eindeutig in diese Richtung gegangen. Und ich denke auch, dass es weitergeht, weil wir alle ein bisschen müde sind über dieses "Ich bin Hamlet" und es glaubt sowieso kein Mensch. "
Samuel Weber von der Northwestern University of Chicago dagegen prognostizierte dem Trend zum Dokumentarischen eine kurze Halbwertzeit:
"Ich glaube, man geht ins Theater [ ... ], um Meisterwerke virtuos aufgeführt zu sehen und nicht so sehr, um Realität zu finden, sondern Realität hinter sich zu lassen. Man will illusioniert werden. Es gibt so viele Institutionen, die besser als das Theater die sogenannte Realität wiedergeben. "
Der Autor und Kunsttheorie-Professor Klaus Theweleit interessiert sich erklärtermaßen nicht fürs zeitgenössische Theater. Er sprach also über den Film-Regisseur Jean-Luc Godard. Aber der, so Theweleit, könne durchaus Vorbild sein, denn er und andere haben das Realität-Kunst-Problem so gelöst, ...
"dass sie einen Unterschied zwischen so genannten Dokumentationen und Fiktion prinzipiell nicht machen, sondern Bilder, so genannte dokumentarische, fiktive, gleich behandeln. So wie sie auch im Kopf als gleiche vorliegen. Unser Kopf macht da auch keinen Unterschied."
Das Forum Freies Theater zeigte zwei Inszenierungen, die exemplarisch für den zeitgemäßen Umgang mit dem Realitäts-Kunst-Problem stehen sollten. Frank Raddatz kam mit der Uraufführung von "Brechts Lab". Das Stück wollte die Aktualität von Brechts epischem Theater überprüfen, blieb allerdings sehr spröde und didaktisch. Interessanter waren die Gäste aus dem Libanon: Rabih Mroué und Lina Saneh zeigten "Who's afraid of representation?", eine sehr karge, hochartifizielle und doch spielerische Reflexion über Gewalt, Krieg und Kunst.
Und Lina Saneh berichtete, dass das libanesische Theater zwar nach wie vor sehr traditionell arbeite. Aber in vielen anderen Kunstsparten gäbe es gerade genau diesen Diskurs über Realität und Fiktion, der Thema des Symposiums war. Auch in ihrer Arbeit beschäftigen Saneh und Mroué sich damit:
"Für uns gibt es keine Trennung zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Wir spielen damit, wir bringen die Ebenen durcheinander. Wir arbeiten zum Beispiel so mit Dokumenten, dass man sich fragt: Ist das nun ein echtes Dokument oder Fiktion? Auf diese Weise zeigen wir, dass jedes Dokument fiktive Anteile hat, anders ist es nicht möglich. Und manchmal verwenden wir persönliche Geschichten und verdrehen sie ins Fiktive. Wir versuchen also, diese undurchlässige Trennlinie zu verwischen."
So konnte man am Wochenende etwas über das Verhältnis von Kunst und Leben erfahren - vor allem aber darüber, dass der Kunstdiskurs längst so global ist, wie man es sich von dem über Religion wünschen würde.
Helena Waldmann hingegen hält die selbstreflexiven Arbeiten der libanesischen Künstler nicht für repräsentativ für die islamische Welt. Sie hat in den vergangenen Jahren viel im Iran und in Afghanistan gearbeitet. Und Waldmann hat die Beobachtung gemacht, dass dort das Theater benötigt wird, um Dinge auszusprechen, die man anderswo nicht sagen kann. Dinge aus dem Leben:
"In Afghanistan ist es so: ich hab gemerkt, dass alle Stücke, die jetzt auf diesem 5. nationalen Theaterfestival in Kabul gespielt worden sind, ganz viel mit dem realen Leben zu tun haben. Also es ist wirklich ein Abbild davon, wo das Leiden oder wo das Problem sitzt. Sie wollen ihre Bevölkerung mit dem Theater aufklären. "
In den letzten Jahren hat sich in der Kunst des Theaters das Verhältnis etwas zugunsten der Realität verschoben. Dafür stehen Gruppen wie Rimini Protokoll, die ihre "Experten des Alltags" und keine Schauspieler auf die Bühne bringen, oder "Signa", die den Zuschauer zu einem Teil ihrer Performances machen. Dafür stehen auch Autoren wie Kathrin Röggla, Lutz Hübner oder Andres Veiel, deren Texte auf realen Ereignissen basieren.
Die Choreographin und Regisseurin Helena Waldmann beobachtet, dass das Reale seinen Platz auf den deutschen Bühnen weiter behauptet:
"Und zwar weil wir uns immer mehr auch interessieren an der Biographie von Personen, dass man wirklich nach dem Leben einer Person fragt und daran arbeitet und daran arbeitet oder in meinem Fall Biographien von Leuten auf die Bühne bringt, die in verschiedenen Kulturen oder in Ländern leben, die uns sehr fremd sind. Insofern glaube ich schon, dass man sagen kann, die Tendenz ist in den letzten Jahren eindeutig in diese Richtung gegangen. Und ich denke auch, dass es weitergeht, weil wir alle ein bisschen müde sind über dieses "Ich bin Hamlet" und es glaubt sowieso kein Mensch. "
Samuel Weber von der Northwestern University of Chicago dagegen prognostizierte dem Trend zum Dokumentarischen eine kurze Halbwertzeit:
"Ich glaube, man geht ins Theater [ ... ], um Meisterwerke virtuos aufgeführt zu sehen und nicht so sehr, um Realität zu finden, sondern Realität hinter sich zu lassen. Man will illusioniert werden. Es gibt so viele Institutionen, die besser als das Theater die sogenannte Realität wiedergeben. "
Der Autor und Kunsttheorie-Professor Klaus Theweleit interessiert sich erklärtermaßen nicht fürs zeitgenössische Theater. Er sprach also über den Film-Regisseur Jean-Luc Godard. Aber der, so Theweleit, könne durchaus Vorbild sein, denn er und andere haben das Realität-Kunst-Problem so gelöst, ...
"dass sie einen Unterschied zwischen so genannten Dokumentationen und Fiktion prinzipiell nicht machen, sondern Bilder, so genannte dokumentarische, fiktive, gleich behandeln. So wie sie auch im Kopf als gleiche vorliegen. Unser Kopf macht da auch keinen Unterschied."
Das Forum Freies Theater zeigte zwei Inszenierungen, die exemplarisch für den zeitgemäßen Umgang mit dem Realitäts-Kunst-Problem stehen sollten. Frank Raddatz kam mit der Uraufführung von "Brechts Lab". Das Stück wollte die Aktualität von Brechts epischem Theater überprüfen, blieb allerdings sehr spröde und didaktisch. Interessanter waren die Gäste aus dem Libanon: Rabih Mroué und Lina Saneh zeigten "Who's afraid of representation?", eine sehr karge, hochartifizielle und doch spielerische Reflexion über Gewalt, Krieg und Kunst.
Und Lina Saneh berichtete, dass das libanesische Theater zwar nach wie vor sehr traditionell arbeite. Aber in vielen anderen Kunstsparten gäbe es gerade genau diesen Diskurs über Realität und Fiktion, der Thema des Symposiums war. Auch in ihrer Arbeit beschäftigen Saneh und Mroué sich damit:
"Für uns gibt es keine Trennung zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Wir spielen damit, wir bringen die Ebenen durcheinander. Wir arbeiten zum Beispiel so mit Dokumenten, dass man sich fragt: Ist das nun ein echtes Dokument oder Fiktion? Auf diese Weise zeigen wir, dass jedes Dokument fiktive Anteile hat, anders ist es nicht möglich. Und manchmal verwenden wir persönliche Geschichten und verdrehen sie ins Fiktive. Wir versuchen also, diese undurchlässige Trennlinie zu verwischen."
So konnte man am Wochenende etwas über das Verhältnis von Kunst und Leben erfahren - vor allem aber darüber, dass der Kunstdiskurs längst so global ist, wie man es sich von dem über Religion wünschen würde.
Helena Waldmann hingegen hält die selbstreflexiven Arbeiten der libanesischen Künstler nicht für repräsentativ für die islamische Welt. Sie hat in den vergangenen Jahren viel im Iran und in Afghanistan gearbeitet. Und Waldmann hat die Beobachtung gemacht, dass dort das Theater benötigt wird, um Dinge auszusprechen, die man anderswo nicht sagen kann. Dinge aus dem Leben:
"In Afghanistan ist es so: ich hab gemerkt, dass alle Stücke, die jetzt auf diesem 5. nationalen Theaterfestival in Kabul gespielt worden sind, ganz viel mit dem realen Leben zu tun haben. Also es ist wirklich ein Abbild davon, wo das Leiden oder wo das Problem sitzt. Sie wollen ihre Bevölkerung mit dem Theater aufklären. "