Es begann ganz harmlos. Als der 21-jährige Eric an die Universität kam, schenkten seine Eltern ihm einen Computer. Eric begann erst zu chatten, dann entdeckte er die Spiele. Er lud eines nach dem anderen runter. Die Sucht schlich sich ein. Eric kämpfte in lnternetspielen gegen böse Mächte, blutrünstige Kriegsherren und Monster. Irgendwann verriegelte er seine Tür:
"Ich habe mich einmal für sieben Tage im Computerraum eingeschlossen. Ich bin nur raus, um zur Toilette zu gehen oder um mir etwas zu essen zu holen - einfach nur, um meinen Magen zu füllen."
Eric ist computerspielsüchtig - ein Schicksal, das er mit vielen anderen teilt. 140 Millionen Chinesen nutzen das Internet, laut Schätzungen sind 10 Millionen davon krankhaft vom Computer abhängig. Die meisten sind Jugendliche. Entweder chatten sie den ganzen Tag, surfen im Netz oder spielen wie Eric Spiele. Im vergangenen Jahr sorgte der Tod eines Jungen für Schlagzeilen. Er spielte stundenlang immer das gleiche Spiel, bei dem es fliegende Gladiatoren gab. Am Abend stieg der Junge aufs Dach eines Hochhauses und stürzte sich hinunter. Für ihn war das Spiel zur Realität geworden. Er dachte, er sei ein Held, und könne fliegen, so der Suchtexperte Tao Ran:
"Viele Kinder haben zwei Persönlichkeiten. Die eine ist real und die andere irrreal. Das irreale Selbst ist sehr mächtig. Es kann ein König sein oder ein anderer Herrscher, der niemals bekämpft werden kann. Das Internet an sich ist sehr irreal. Du kannst völlig, ohne deine Identität preiszugeben, deine Gefühle und deine Ideen äußern, soviel du willst. Und es ist in China weit verbreitet. Jede Familie kann Zugang zum Internet finden. Und dann kann man per Internet und vor allem durch Internetspiele mit anderen Jugendlichen kommunizieren und das Internet kann dir Anerkennung geben."
So war es auch bei Eric. Seine Leidenschaft waren Kriegspiele:
"Weißt du, stell dir vor, du bist der Spieler. Dann kannst du Jagd auf Monster machen. Dieses Monster wird von einer anderen Person kontrolliert. Wenn du das Monster tötest, bedeutet das, dass du besser bist als der, der das Monster kontrolliert. Du tötest und das bedeutet, dass du besser bist. Wenn du mehr tötest, bist du der Beste in der Welt."
Eric lacht. Die Erinnerung an Computerspiele weckt bei ihm immer noch schöne Erinnerungen. Doch die sollen ihm nun endgültig genommen werden. Vor zwei Wochen wurde Eric in Pekings Internetsuchtentzugsanstalt zwangseingewiesen:
Die Internetsuchtentzugsanstalt gehört zum Pekinger
Militärkrankenhaus. Sie ist am Rande der Stadt auf einem Kasernenareal untergebracht. Der Toreingang wird von Soldaten bewacht. 50 Computersüchtige leben hier zurzeit. Sie alle sind zwischen 14 und 22 Jahre alt, 90 Prozent von ihnen sind männlich. Ein lang gestreckter Kasernenbau wurde zur Klinik umfunktioniert. Die Patientenzimmer sind schlicht eingerichtet - mit lindgrün-gestrichenen Wänden, zwei Hochbetten pro Zimmer und einem Tisch. Alles ist blitzblank geputzt. Die Jugendlichen werden hier von Psychologen, Ärzten, Krankenschwestern und Soldaten betreut. Vor den Fenstern sind Gitter angebracht. Ein bis drei Monate dauert ein Entzug. Während dieser Zeit darf keiner das Militärgelände verlassen.
Draußen auf dem Hof trainieren Soldaten mit einigen jugendlichen Patienten den Stechschritt. Die Soldaten tragen Uniform, die Jugendlichen sind leger gekleidet. Ein l4-Jähriger ist dabei, mit zerzausten Haaren, schlabberiger Jeans und bunt-bedrucktem T-Shirt, dann ein l6-jähriger ernst blickender Typ mit Brille.
Suchtexperte Tao Ran erklärt den Versuch der Pekinger Klinik die Jugendlichen mit einer Mischung aus medizinischer Therapie und Militärdrill von ihrer Internet- und Computersucht zu entwöhnen:
"Warum wir das militärische Training anbieten? Weil alle Kinder und Jugendlichen, die hierher kommen. nicht in der Lage sind alleine ihr Bett zu machen, ihre Kleider zu waschen oder etwas zu kochen. Sie können nichts. Sie sind faul, schwafeln viel und sind dilettantisch. Durch das Militärtraining versuchen wir ihnen beizubringen wie normale Menschen zu reagieren."
Darüber hinaus gibt es eine Therapie, in der die Jugendlichen lernen, sich selbst zu akzeptieren, und ein umfangreiches Beschäftigungsangebot. Computer sind in der Klinik tabu. Stattdessen können die Jugendlichen malen oder entspannende Musik hören-
Eric ist hypernervös. Seine Augen wandern unruhig hin und her. Das Zuhören fällt ihm schwer. Er rollt einen Stift in der Hand, legt ihn hin und nimmt ihn gleich wieder hoch. Eric vermisst immer noch seinen Computer. Als sein Vater ihn zwangseinliefern ließ, wollte er sich das Leben nehmen.
"Ich war so wütend. Ich wollte keinen Tag länger leben. Ich habe versucht. mir die Pulsadern aufzuschneiden. Ich wollte meinem Leben ein Ende setzen. Die Ärzte haben aber die Blutungen gestoppt. Sie haben mich gerettet. Danach wollte ich das Treppengeländer runterspringen. Es gab keine Spiele zum spielen, keinen Computer, nichts. Also wollte ich mich umbringen."
In der Pekinger Entzugsanstalt wurden seit ihrer Öffnung im Jahr 2003 bisher mehr als 1000 Jugendliche therapiert. 20 davon bezeichnet Suchtexperte Tao Ran als sehr ernsthafte Fälle:
"Der schlimmste Fall war ein Junge, der umgerechnet 1000 Euro gestohlen hatte. Er nahm sie seinen Eltern weg, dann ging er mit einem dicken Mantel angezogen in ein lnternetcafé.. Als er dort wieder herauskam, war es bereits Frühling. Der Junge hatte sich für fast ein halbes Jahr im lnternetcafé eingemietet. Er aß dort und schlief dort. Er magerte von 50 auf 35 Kilogramm ab."
Dass die Eltern ein halbes Jahr nicht bemerkten, dass ihr 16-jähriger Sohn nicht mehr nach Hause kam, ist sicher ein Extremfall. Dennoch: Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der Ein-Kind-Politik verändern sich Chinas Familienstrukturen dramatisch. Während früher Großfamilien alltäglich waren, leben vor allem die Städter heute nur noch zu dritt, so Suchtexperte Tao Ran:
" Wir haben herausgefunden, dass der Hauptgrund für die lnternetabhängigkeit bei der Familie zu finden ist. Alle Familien, die ein internetabhängiges Kind haben, sind krank. Da gibt es die verschiedensten Typen: zerbrochene Familien, Familien, die sich nicht kümmern, Familien in denen Gewalt auf der Tagesordnung steht und Familien, die ihre Kinder zu sehr behüten."
Erics Familie gehört zur letzten Kategorie. Ihr einziger Sohn sollte Karriere machen. Die Eltern schickten Eric zunächst auf die beste Schule in seiner Heimat im Süden Chinas und danach auf die Eliteuniversität in Peking. Eric musste ständig lernen, Zeit für Freunde fand er kaum. Eric hielt dem Druck und der inneren Vereinsamung nicht stand. Er suchte Zuflucht bei Kriegsspielen:
Nach zwei Wochen in der straff militärisch durchorganisierten Entzugsklinik am Stadtrand von Peking kann sich Eric ein Leben ohne Computerspiele vorstellen. Doch suchtgefährdet ist er noch immer. So intensiv, wie er sich einst kriegerischen Internetspielen widmete, arbeitet er nun auf eine Soldatenkarriere hin:
"Wenn ich hier rauskomme, will ich keine Computerspiele mehr anrühren. Ich will ein guter Student werden und dann will ich für zwei Jahre in die Armee."
"Ich habe mich einmal für sieben Tage im Computerraum eingeschlossen. Ich bin nur raus, um zur Toilette zu gehen oder um mir etwas zu essen zu holen - einfach nur, um meinen Magen zu füllen."
Eric ist computerspielsüchtig - ein Schicksal, das er mit vielen anderen teilt. 140 Millionen Chinesen nutzen das Internet, laut Schätzungen sind 10 Millionen davon krankhaft vom Computer abhängig. Die meisten sind Jugendliche. Entweder chatten sie den ganzen Tag, surfen im Netz oder spielen wie Eric Spiele. Im vergangenen Jahr sorgte der Tod eines Jungen für Schlagzeilen. Er spielte stundenlang immer das gleiche Spiel, bei dem es fliegende Gladiatoren gab. Am Abend stieg der Junge aufs Dach eines Hochhauses und stürzte sich hinunter. Für ihn war das Spiel zur Realität geworden. Er dachte, er sei ein Held, und könne fliegen, so der Suchtexperte Tao Ran:
"Viele Kinder haben zwei Persönlichkeiten. Die eine ist real und die andere irrreal. Das irreale Selbst ist sehr mächtig. Es kann ein König sein oder ein anderer Herrscher, der niemals bekämpft werden kann. Das Internet an sich ist sehr irreal. Du kannst völlig, ohne deine Identität preiszugeben, deine Gefühle und deine Ideen äußern, soviel du willst. Und es ist in China weit verbreitet. Jede Familie kann Zugang zum Internet finden. Und dann kann man per Internet und vor allem durch Internetspiele mit anderen Jugendlichen kommunizieren und das Internet kann dir Anerkennung geben."
So war es auch bei Eric. Seine Leidenschaft waren Kriegspiele:
"Weißt du, stell dir vor, du bist der Spieler. Dann kannst du Jagd auf Monster machen. Dieses Monster wird von einer anderen Person kontrolliert. Wenn du das Monster tötest, bedeutet das, dass du besser bist als der, der das Monster kontrolliert. Du tötest und das bedeutet, dass du besser bist. Wenn du mehr tötest, bist du der Beste in der Welt."
Eric lacht. Die Erinnerung an Computerspiele weckt bei ihm immer noch schöne Erinnerungen. Doch die sollen ihm nun endgültig genommen werden. Vor zwei Wochen wurde Eric in Pekings Internetsuchtentzugsanstalt zwangseingewiesen:
Die Internetsuchtentzugsanstalt gehört zum Pekinger
Militärkrankenhaus. Sie ist am Rande der Stadt auf einem Kasernenareal untergebracht. Der Toreingang wird von Soldaten bewacht. 50 Computersüchtige leben hier zurzeit. Sie alle sind zwischen 14 und 22 Jahre alt, 90 Prozent von ihnen sind männlich. Ein lang gestreckter Kasernenbau wurde zur Klinik umfunktioniert. Die Patientenzimmer sind schlicht eingerichtet - mit lindgrün-gestrichenen Wänden, zwei Hochbetten pro Zimmer und einem Tisch. Alles ist blitzblank geputzt. Die Jugendlichen werden hier von Psychologen, Ärzten, Krankenschwestern und Soldaten betreut. Vor den Fenstern sind Gitter angebracht. Ein bis drei Monate dauert ein Entzug. Während dieser Zeit darf keiner das Militärgelände verlassen.
Draußen auf dem Hof trainieren Soldaten mit einigen jugendlichen Patienten den Stechschritt. Die Soldaten tragen Uniform, die Jugendlichen sind leger gekleidet. Ein l4-Jähriger ist dabei, mit zerzausten Haaren, schlabberiger Jeans und bunt-bedrucktem T-Shirt, dann ein l6-jähriger ernst blickender Typ mit Brille.
Suchtexperte Tao Ran erklärt den Versuch der Pekinger Klinik die Jugendlichen mit einer Mischung aus medizinischer Therapie und Militärdrill von ihrer Internet- und Computersucht zu entwöhnen:
"Warum wir das militärische Training anbieten? Weil alle Kinder und Jugendlichen, die hierher kommen. nicht in der Lage sind alleine ihr Bett zu machen, ihre Kleider zu waschen oder etwas zu kochen. Sie können nichts. Sie sind faul, schwafeln viel und sind dilettantisch. Durch das Militärtraining versuchen wir ihnen beizubringen wie normale Menschen zu reagieren."
Darüber hinaus gibt es eine Therapie, in der die Jugendlichen lernen, sich selbst zu akzeptieren, und ein umfangreiches Beschäftigungsangebot. Computer sind in der Klinik tabu. Stattdessen können die Jugendlichen malen oder entspannende Musik hören-
Eric ist hypernervös. Seine Augen wandern unruhig hin und her. Das Zuhören fällt ihm schwer. Er rollt einen Stift in der Hand, legt ihn hin und nimmt ihn gleich wieder hoch. Eric vermisst immer noch seinen Computer. Als sein Vater ihn zwangseinliefern ließ, wollte er sich das Leben nehmen.
"Ich war so wütend. Ich wollte keinen Tag länger leben. Ich habe versucht. mir die Pulsadern aufzuschneiden. Ich wollte meinem Leben ein Ende setzen. Die Ärzte haben aber die Blutungen gestoppt. Sie haben mich gerettet. Danach wollte ich das Treppengeländer runterspringen. Es gab keine Spiele zum spielen, keinen Computer, nichts. Also wollte ich mich umbringen."
In der Pekinger Entzugsanstalt wurden seit ihrer Öffnung im Jahr 2003 bisher mehr als 1000 Jugendliche therapiert. 20 davon bezeichnet Suchtexperte Tao Ran als sehr ernsthafte Fälle:
"Der schlimmste Fall war ein Junge, der umgerechnet 1000 Euro gestohlen hatte. Er nahm sie seinen Eltern weg, dann ging er mit einem dicken Mantel angezogen in ein lnternetcafé.. Als er dort wieder herauskam, war es bereits Frühling. Der Junge hatte sich für fast ein halbes Jahr im lnternetcafé eingemietet. Er aß dort und schlief dort. Er magerte von 50 auf 35 Kilogramm ab."
Dass die Eltern ein halbes Jahr nicht bemerkten, dass ihr 16-jähriger Sohn nicht mehr nach Hause kam, ist sicher ein Extremfall. Dennoch: Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der Ein-Kind-Politik verändern sich Chinas Familienstrukturen dramatisch. Während früher Großfamilien alltäglich waren, leben vor allem die Städter heute nur noch zu dritt, so Suchtexperte Tao Ran:
" Wir haben herausgefunden, dass der Hauptgrund für die lnternetabhängigkeit bei der Familie zu finden ist. Alle Familien, die ein internetabhängiges Kind haben, sind krank. Da gibt es die verschiedensten Typen: zerbrochene Familien, Familien, die sich nicht kümmern, Familien in denen Gewalt auf der Tagesordnung steht und Familien, die ihre Kinder zu sehr behüten."
Erics Familie gehört zur letzten Kategorie. Ihr einziger Sohn sollte Karriere machen. Die Eltern schickten Eric zunächst auf die beste Schule in seiner Heimat im Süden Chinas und danach auf die Eliteuniversität in Peking. Eric musste ständig lernen, Zeit für Freunde fand er kaum. Eric hielt dem Druck und der inneren Vereinsamung nicht stand. Er suchte Zuflucht bei Kriegsspielen:
Nach zwei Wochen in der straff militärisch durchorganisierten Entzugsklinik am Stadtrand von Peking kann sich Eric ein Leben ohne Computerspiele vorstellen. Doch suchtgefährdet ist er noch immer. So intensiv, wie er sich einst kriegerischen Internetspielen widmete, arbeitet er nun auf eine Soldatenkarriere hin:
"Wenn ich hier rauskomme, will ich keine Computerspiele mehr anrühren. Ich will ein guter Student werden und dann will ich für zwei Jahre in die Armee."