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Rechen-Power aus unterbeschäftigten PCs

Aus chronischer Finanznot geboren machte ein neues Supercomputermodell zur Jagd nach außerirdischen Radiosendungen vor Jahren Furore: Man nehme einen freien Rechner irgendwo auf der Welt, verschalte ihn übers Internet mit anderen freien Rechnern und fertig ist der so genannte Grid-Computer. Zwar galt diese Methode zunächst eher als akademisches Projekt, doch immer mehr Projekte setzen jetzt auf die Kraft unterbeschäftigter Hochleistungs-Spielemaschinen oder Drucker-Server in heimischen Kellern. Selbst Universitäten können mit dem vernetzten Superrechner untereinander Rechenkapazitäten organisieren. Mit neuen Standards und Technologien wird die Verteilung von Rechenressourcen im Netz noch besser geregelt. Auf der Grid-Konferenz des britischen Industrieministeriums in der vergangenen Woche in London wurde sogar vom Hausanschluss fürs Grid gesprochen.

Peter Welchering |
    Schon sehr früh hatte die frühere Internetministerin und heutige Industrieministerin Großbritanniens, Patricia Hewitt, auf eine landesweite Datenautobahn gesetzt. So sind in Vereinigten Königreich heute sämtliche Hochschulen, drei Viertel aller Schulen und sogar Kindergärten sowie viele Bürgerzentren und neu eingerichtete Telearbeitszentren an das Internet angeschlossen. Dabei machten die Initiatoren die Erfahrung, dass bei dem regen Datenverkehr schnell Kapazitätsengpässe auftraten. Quasi in Nachbarschaftshilfe versorgten sich dann etwa Bürgerzentren gegenseitig mit verfügbarer Rechenkapazität. Die findige Ministerin erkannte schnell, dass daraus doch ein Standard erwachsen könnte, der überdies auch noch abgerechnet werden könnte. Mit dem so genannten "Globus-Toolkit" wurde jetzt ein solches System verabschiedet. Damit werden nicht nur die Ressourcen im Internet verteilt, sondern auch eine Schnittstelle für Abrechnungssoftware bereit gestellt. Auf der Basis dieses Standards können jetzt Entwickler und Dienstleister konkrete Anwendungen erstellen, in denen die Nutznießer für die Nutzung von Fremdrechnern angemessen bezahlen. Damit liegen aber erste Abrechnungssystem noch in weiter Ferne.

    Anbieter von herkömmlichen Prozessüberwachungssystemen in Rechenzentren und Hersteller von Überwachungs- und Abrechungssoftware für IT-Abteilungen erkannten indes bereits, dass es sich bei Grid-Computing um nichts anderes handele als um verteilte Anwendungen, die in Großunternehmen lange Gang und Gäbe sind. "Voraussetzung für Abrechnungsprogramme in Grid-Systemen ist, dass die verwendete Anwendung registriert wird, sowie welcher authentifizierte Benutzer darauf zugegriffen hat. Daraus erstellen wir die Benutzungsdaten für eine Abrechnung und können überdies die Auslastung der Systeme ermitteln", erläutert Frank Pfeiffer von der Nicetec GmbH die Grundlagen von Abrechnungsverfahren für das Grid-Computing.

    Die Erfassung der jeweiligen Arbeit, die die einzelne digitale "Ameise" in diesem Wust von Rechnern leistet und dies schließlich auch vergütet bekommen möchte, ermitteln sogenannte Kollektoren - autonome Agenten-Programme, die die aufgezeichneten "Stundenzettel" über die Nutzungsdaten der einzelnen Computer auslesen. Daneben werde derzeit aber auch ein Servermodell entwickelt, berichtet der Abrechnungsspezialist: "Einzelne Kollektoren sammeln die Daten aus den anderen Systemen nach einem bestimmten System nacheinander aus und liefern sie an eine Zentraleinheit, die dann die Auswertung vornimmt." Dass dies bereits sogar in Echtzeit geschehen könne, belegen Experimente der Universität Oxford, die auf dem Londoner Treffen vorgestellt wurden.