Archiv


Recht auf Auskunft

Journalisten brauchen einen freien Zugang zu Informationen von Ministerien, Behörden, Verwaltungen. Und eigentlich sollte jeder Bürger erfahren können, was die Volksvertreter an seiner Stelle entscheiden. Aber hier hakt es in Deutschland noch. Ein prominentes Beispiel ist Toll Collect: Journalisten wird Einsicht in die Verträge verweigert. Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen Ministerien und Parteien liegt nun ein Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vor, das der Geheimhaltungseinstellung von öffentlichen Behörden ein Ende bereiten soll. Die vier Bundesländer Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfahlen haben ein solches Gesetz schon in ihrem Landesrecht verankert. Es betrifft in diesem Fall: Ministerien und Verwaltungen des Bundes.

Von Eleni Klotsikas |
    Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland wirklich ernsthaften investigativen Journalismus haben, der mit dem vergleichbar wäre, was in den USA gemacht wird oder auch in anderen Ländern gemacht wird. Ich versuche mich im recherchierenden Journalismus, mal mit Erfolg mal mit weniger Erfolg.

    Das meint Hans Leyendecker, Leiter der politischen Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Als Bittsteller mächtigen Behörden gegenüberzutreten, auf Fragen oftmals keine befriedigende Antwort zu erhalten - das ist kein Einzelfall. In vielen deutschen Verwaltungen herrscht das Prinzip der Amtsverschwiegenheit. Die Öffentlichkeit wird von wichtigen Informationen ausgeschlossen. Greenpeace-Rechercheur Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche kennt das:

    Wir stellen immer wieder fest, dass leider bei deutschen Behörden eine Blockadehaltung herrscht. Man kommt nicht so leicht an Informationen ran, insbesondere, wenn es sich um konfliktreiche Vorgänge handelt.

    Ändern soll sich das mit dem Informationsfreiheitsgesetz, das am Freitag in erster Lesung durch das Plenum ging. Das Gesetz nimmt Behörden in die Auskunftspflicht. Prinzipiell sollen nun jedem Bürger Unterlagen zugänglich gemacht werden. Eine persönliche Betroffenheit oder eine Antragsbegründung sind nicht erforderlich. Seit 18 Jahren setzen sich die Grünen für ein solches Gesetz ein. Warum hat das so lange gedauert. Grietje Bettin, Bündnis 90/Die Grünen:

    Es bedeutet eine Systemumkehr. Wir haben jetzt endlich geschafft, dass eine umgekehrte Philosophie Einzug erhalten soll. Da haben sich die Behörden natürlich gegen gewehrt. Bei uns ist der Grundansatz, dass die Bürger einen Anspruch auf Informationen haben und dass die Behörden im Einzelfall begründen müssen, warum dem Bürger dieses Recht nicht gewährt wird.

    Der Bürger kann dann gerichtlich dagegen vorgehen. In anderen Ländern ist das Informationsfreiheitsgesetz längst eingeführt. Deutschland und Luxemburg bilden in Europa die Ausnahmen. Obwohl es hierzulande in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben war, geriet es fast in Vergessenheit. Ein Anstoß musste von außen kommen. Manfred Redelfs, Netzwerk Recherche:

    Daraufhin haben wir als deutsche Journalistenorganisation als Akt demokratischer Notwehr aus der Zivilgesellschaft heraus einen eigenen Gesetzesentwurf präsentiert. Wir haben uns mit der Deutschen Journalistenunion, mit dem Deutschen Journalistenverband, Transparancy International und der humanistischen Union zusammengetan, haben das an Bundestagspräsident Thierse übergeben und an alle Abgeordneten geschickt.

    Nach langwierigen Verhandlungen steht der Entwurf, 44 Seiten lang. Wirtschafts-, Finanz- und Verteidigungsministerium haben sich besonders gegen das Gesetz gewehrt. Zu hohe Aufwandskosten war eines der Hauptabwehrargumente. Parlamentarier haben sich gegenüber den Ministerien durchgesetzt. Jörg Tauss, SPD:

    Wir wollten ganz deutlich machen, dass das Informationsbegehren des Bürgers so sein muss, dass er sich auch leisten kann, das heißt, dass hier keine unangemessenen Gebühren fällig werden, sondern beispielsweise ein Aufwand erstattet wird. Das wird sich von der Situation her unterscheiden. Grundsätzlich ist der Zugang kostenfrei.

    Auch von der Auskunftspflicht ausgenommen sind- anders als gefordert - nicht ganze Ministerien, sondern nur bestimmte Bereiche, wie beispielsweise die nationale Sicherheit. Lange Gespräche mit Verteidigungsminister Struck brachten einen Kompromiss, Jörg Tauss, SPD-Fraktion:

    Wir müssen darauf achten, dass Sicherheitsbelange - und das ist ein ganz wichtiger Bereich- im Bereich der Polizei, im Bereich des Militärs und der Bereich der Geheimdienste geschützt sind. Es kann nicht sein, dass ein gegnerischer Geheimdienst durch normale Akteneinsicht feststellt, wo sind irgendwelche Agenten vom Bundesnachrichtendienst tätig.

    Im Normalfall müssen Behörden innerhalb von vier Wochen die angefragten Informationen bereit stellen. Für den tagesaktuellen Journalismus kann das zu spät sein. In vielen Fällen wird es wohl nicht Stunden oder Tage dauern, sondern Wochen bis man die gewünschten Informationen bekommt.

    Trotzdem ist es für den Journalismus ein wichtiges Gesetz, denn investigative Geschichten, die widmen sich ja prinzipiell immer langfristigen Problemen. Sie spüren beispielsweise Korruptionsfällen nach, die nicht unbedingt auf den tagesaktuellen Journalismus angewiesen sind.

    Das Informationsfreiheitsgesetz ist auf den Weg gebracht. Im Frühjahr 2005 wird es voraussichtlich verabschiedet. Jetzt sind die Behörden gefragt. Offenheit statt Geheimhaltung lautet das neue Prinzip Vor allem erfordert das Umdenken und das wird sicherlich auch wieder ein langwieriger Prozess.