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Recht auf saubere Luft

Die Deutsche Umwelthilfe rechnet nach dem Feinstaub-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit baldigen Schutzmaßnahmen durch die Kommunen. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sprach sich dafür aus, gefährdete Bereiche für Fahrzeuge mit hohen Emissionen zu sperren. Laut Weltgesundheitsorganisation stürben pro Jahr 65.000 Menschen in Deutschland aufgrund von erhöhter Belastung durch Feinstaub.

Moderation: Susanne Kuhlmann | 28.09.2007
    Susanne Kuhlmann: Städte müssen dafür sorgen, dass ihre Bürger saubere Luft atmen können. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern in letzter Instanz bestätigt. Anwohner besonders belasteter Kreuzungen und Straßenabschnitte können die Verwaltung zum Beispiel dazu zwingen, Lastwagen und Busse umzuleiten. Seit Anfang 2005 schreibt eine EU-Richtlinie zum Feinstaub vor, dass der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft höchstens an 35 Tagen im Jahr überschritten werden darf.

    Ich bin mit Jürgen Resch verbunden, dem Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Herr Resch, bedeutet das Urteil von gestern eitel Freude für Sie?

    Jürgen Resch: Ja, wir sind wunschlos glücklich, wir haben zweieinhalb Jahre für dieses Urteil gekämpft und sehr viel Geld ausgegeben und haben nun vom Bundesverwaltungsgericht genau das bestätigt bekommen, was wir immer gesagt haben: Der Bürger hat nicht nur ein Recht auf saubere Luft, er kann es, und das seit gestern auch mit höchstrichterlicher Bestätigung, er kann es auch vor Gericht einklagen. Und das wird einfach jetzt dazu führen, dass viele Gemeinden ihre Placebo-Pläne, manchmal bestehen die nicht einmal, sehr schnell umsetzen müssen, denn ansonsten werden sie sich vor Gericht wiederfinden und sich dort genauso eine blutige Nase holen, wie es gestern die Stadt München in Leipzig erfahren hat.

    Susanne Kuhlmann: Wie kam es denn überhaupt zu diesem Gerichtsverfahren? Hätten Bundes- und Landesregierung die Feinstaubrichtlinie der EU nicht längst umsetzen müssen?

    Resch: Da kann ich nur gestern aus der Verhandlung zitieren, in der auch einer der fünf Richter den Vertreter des Freistaates Bayern relativ fassungslos fragte, erzählen Sie mir doch mal, warum Sie seit 2005 Ihrer Verpflichtung nicht nachkommen und entsprechende Aktionspläne vorlegen. Sie sind vom Gesetz her verpflichtet, dies zu tun. Und wir haben einfach ein Problem in Deutschland: Wenn der Staat Gesetze nicht einhält, wenn Länder oder Gemeinden gegen Gesetze verstoßen, dann kann ein Bürger, dann konnte ein Bürger bis jetzt dagegen nicht aufbegehren. Anders ist das in Italien, da schreitet die Staatsanwaltschaft ein, und deswegen hatten wir dann sofort im Jahr 2005 Fahrverbote in Mailand, in Rom oder in Südtirol.

    Kuhlmann: Wie viel der Staubbelastung in den Innenstädten stammt denn eigentlich von Lastwagen und Bussen? Und könnten die mit den Partikelfiltern, die es ja längst gibt, nicht schon viel sauberer unterwegs sein?

    Resch: Ja, wir haben seit Jahren leider eine Verzögerung bei der Einführung von Partikelfiltern, da hat sich die Automobilindustrie und auch die Bundesregierung nicht mit Ruhm bekleckert, man hat sich zu lange an Lobbyinteressen der, ja, Autohersteller orientiert. Es ist so, dass an den stark befahrenen Straßenschluchten der Anteil der verkehrsbedingten Feinstäube 50 bis 60 Prozent ausmachen kann. Es wird gerne mit Durchschnittswerten gearbeitet, aber die Probleme treten nur an ganz wenigen Stellen richtig massiv auf, dort leben aber Hunderttausende von Menschen. Und die Weltgesundheitsorganisation spricht davon, dass in Deutschland pro Jahr 65.000 Menschen vorzeitig sterben durch diese ultrafeinen Partikel, die aus Verbrennungsvorgängen hervorgehen. Und deswegen müssen wir gerade für diese Stellen eine Schutzmaßnahme ergreifen. Das heißt, wir brauchen innerhalb dieser, einer innerstädtischen Schutzzone Regelungen, die alle Emittenten mit hohen Partikelemissionen, also Pkws und Nutzfahrzeuge ohne Partikelfilter, langfristig raushalten.

    Kuhlmann: Es gibt ja Beispiele in Europa für Fahrverbote zur Luftreinhaltung, das haben Sie gerade schon kurz angesprochen. Wie ist denn die bisherige Bilanz zum Beispiel in Italien?

    Resch: Also, sehr beeindruckend finde ich beispielsweise die Ergebnisse in Südtirol, hier haben Meran und Bozen gleich Anfang 2005 entsprechende Zonen eingerichtet und haben auch zu unterschiedlichen Zeiten Fahrverbote ausgesprochen. Man hat dann nach wenigen Monaten Zwischenbilanz gezogen, hat festgestellt, es funktioniert, die Bevölkerung macht mit, und beschlossen, die Verbote sogar noch zu verschärfen. Es führt einfach dazu, dass man relativ schnell auch Veränderungen des Fahrzeugparks bekommt oder eben auch Nachrüstungen dann initiiert werden. Im Moment haben wir eine Situation, dass in Deutschland bis gestern diskutiert wurde, ach, die Umweltzonen kommen ja eigentlich nicht und ich kann mit meinem alten Dieselstinker noch Jahre weiterfahren. Das ist seit gestern anders. Jetzt wissen wir, dass voraussichtlich schon im nächsten Jahr Fahrzeuge ohne Partikelfilter an vielen Tagen in der Garage stehen bleiben werden.

    Kuhlmann: Vielleicht ganz kurz noch: Andere Städte, Stockholm, London, haben auch Erfahrungen mit Feinstaubemissionsbeschränkungen. Wie ist da die Bilanz?

    Resch: Also, in Stockholm gab es vor Kurzem eine Erfolgsbefragung, wie steht der Bürger zu den entsprechenden Bestimmungen, und überraschenderweise hat eine breite Mehrheit sich dafür ausgesprochen, das fortbestehen zu lassen. Das heißt, der Bürger akzeptiert selbst Beschränkungen, wenn er einfach sieht, dass er auf der anderen Seite saubere Luft dafür eintauschen kann. Und wir bekommen ja Tausende von Zuschriften von Bürgern, die an solchen Straßen wohnen und die uns zum Teil sehr ergreifende Schicksale mitteilen, dass sie eben, seitdem sie diesem Feinstaub und dem starken Verkehr ausgesetzt sind, mit ihren Kindern fortlaufende Erkrankungen haben, dass die Kinder chronischen Husten haben und ...

    Kuhlmann: Dankeschön, Herr Resch, wir müssen an dieser Stelle aufhören. Ich danke Ihnen, das war die Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe zum Urteil des Verwaltungsgerichts zum Feinstaub. Dankeschön, Herr Resch.

    Resch: Gern geschehen.