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Rechte Angriffe gegen linke Politiker

Im Stadtzentrum von Hoyerswerda hat eine Bundestagsabgeordnete der Linken ihr Büro. Schon mehrfach wurde sie Ziel von Angriffen rechtsextremer Jugendlicher. Die Polizei ermittelt.

Von Claudia Altmann | 01.11.2012
    Mitten im Stadtzentrum von Hoyerswerda, in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße, hat die Bundestagsabgeordnete der Linken, Caren Lay, ihr Bürgerbüro. In der Ladenzeile am Fuße eines zehnstöckigen Wohnblocks zwischen einem Sonnenstudio und einem Immobilienunternehmen. Plakate und Flyer hängen in den Schaufenstern, die großzügig den Blick in den Innenraum des Büros gestatten.

    Anfang 2010 ist die 39-Jährige mit ihrem Wahlkreisbüro in diesen Teil der Stadt mit ihren knapp 40.000 Einwohnern gezogen. Aber richtig sicher fühlt sie sich hier nicht.

    "Das ist offenbar durch ein richtiges Wurfgeschoss verursacht worden. Das muss also wirklich ein ganz gezielter Angriff gewesen sein. Und das hat sich leider gehäuft. Seitdem es mein Büro gibt, mussten wir vier Mal schon die Fensterscheiben ersetzen."

    Die stattliche blonde Frau zeigt auf ein Loch in der äußeren Schicht des Sicherheitsglases, in Augenhöhe links neben der Eingangstür. Ein Mitarbeiter hatte es vor wenigen Tagen morgens entdeckt.

    "Ich bin sehr sicher, dass es einen rechten Hintergrund hat, denn wir hatten hier im Sommer mal zwei Wochen, wo jeden Tag Hakenkreuzschmierereien und Neonaziaufkleber an den Fensterscheiben waren."

    Das, so sagt sie, sei ja schon fast an der Tagesordnung. Schlimm aber ist eine andere Erinnerung:

    "Wir hatten im Mai hier eine Beratung mit einer lokalen Unternehmerinitiative. Da sind rechte Jugendliche – die erkennt man an den T-Shirts, die sie tragen und an den Sprüchen, die sie machen – sind also mehrfach hier am Büro vorbeigelaufen und haben rumgepöbelt und unanständige Gesten gemacht. Und zu guter Letzt wollten sie dann das Büro stürmen."

    Lay wendet sich kurz um und deutet mit der linken Hand auf den wenige Schritte entfernten Ehrenhain für gefallene sowjetische, polnische und jugoslawische Soldaten.

    "Die kamen aus diesem Park, sind dann entschlossen im strammen Marschschritt auf das Büro zugegangen – die Tür stand offen. Mein Mitarbeiter hat sich dem mutig in den Weg gestellt und es kam zu einer kleinen Rangelei im Eingangsbereich des Büros. Es ist meinem Mitarbeiter gelungen, die Tür noch rechtzeitig zuzumachen und abzuschließen. Daraufhin haben sie die Fensterscheibe eingetreten und den Hitlergruß gezeigt und Sprüche gemacht wie: 'Linkes Pack. Wir brauchen hier keine Linken. Die Linken können ersticken.'"

    Angriffe gibt es immer wieder auf Einrichtungen der Partei Die Linke in Sachsen, sagt Landesgeschäftsführerin Antje Feiks. In den vergangenen sechs Jahren wurden 40 Übergriffe auf Büros und Geschäftsstellen registriert. Meist werden die Scheiben eingeschlagen. 60.000 Euro Sachschaden ist entstanden, vor allem in mittelgroßen Städten wie Görlitz, Löbau, Zittau, Burgstädt.

    "Wahrscheinlich, weil die Abgeordneten und Akteure vor Ort da auch relativ klar Position beziehen, wenn irgendwie Naziaufmärsche und so weiter geplant sind. Ich weiß, dass es hin und wieder auch andere Parteien trifft. Aber ich denke in dem Ausmaß, wie es jetzt gerade wieder der Fall ist, ist es schon eine Sonderstellung, die wir da einnehmen. Und dass es in der Häufigkeit also so mehrfach hintereinander weg, das ist auch neu beziehungsweise, dass Personen betroffen sind. Also, wir hatten das sonst nur bei Plakatierungsaktionen, dass mal ein paar Leute angegriffen worden sind. Das ist zwei, drei Mal in den letzten paar Jahren vorgekommen. Aber ansonsten ist das tatsächlich eine neue Qualität."

    Das sieht offenbar auch die Polizei in Hoyerswerda so. Anfang der Woche besuchte deshalb Revierleiter Peter Reginka Caren Lay im Bürgerbüro. Man habe es hier mit Einzelfällen zu tun, sagt der Polizeihauptkommissar. Aber diese nehme man ernst.

    "Wir haben zumindest sämtliche Einsatzkräfte des Polizeireviers Hoyerswerda in diese Richtung sensibilisiert. Wir werden also im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unregelmäßigen Zeiten das Büro verstärkt bestreifen, beziehungsweise haben uns auch Gedanken gemacht, wie können wir insgesamt derartige Sachverhalte, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, dann verhindern."

    Das Gesprächsangebot der Polizei hat die Bundestagsabgeordnete gern angenommen, denn ihrer Meinung nach liegt im Freistaat einiges im Argen beim Thema Rechtsextremismus.

    "Diejenigen, die es ansprechen, werden gerne als Nestbeschmutzer gesehen. Und man denkt, man wird das Problem dadurch los, indem man möglichst wenig darüber spricht. Aber gerade die Ereignisse im Zusammenhang mit NSU und der Terrorzelle haben ja gezeigt, dass das der falsche Weg ist, dass die rechte Gefahr verharmlost wurde."

    Von einer Verharmlosung will der Pressesprecher der zuständigen Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien, Thomas Knaup, nichts hören. Auch, dass die Zahl der Überfälle auf das Wahlkreisbüro der Linken auffallend hoch ist, sieht der Polizeikommissar anders.

    "Da liegen sie völlig falsch an dieser Stelle. Wir haben hier von fünf Straftaten in zwei Jahren also etwa in 700 Tagen gesprochen. Das ist keine Häufung. Das ist auch kein Kriminalitätsschwerpunkt. Ich denke, wenn sie in andere Städte gehen mit etwa dem gleichen Einwohnerpotenzial auch in anderen Bundesländern, die Wahlkampfbüros von solchen Parteien, die im Fokus stehen wie zum Beispiel die Linke, dort betrachten, dann haben sie ab und zu solche Angriffe. Ich denke, fünf Angriffe in zwei Jahren ist keine Häufung, sondern es ist eine Zahl, die im Mittelfeld sicher zu betrachten ist."

    Derzeit ermitteln in Hoyerswerda Polizei und Staatsschutz noch gegen mehrere mutmaßliche Täter wegen Sachbeschädigung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Gegen einen Mann wurde Anklage erhoben. Caren Lay hofft, dass die Beamten jetzt aufmerksamer mit dem Problem umgehen und genauer hinschauen.

    "Veranstaltungen beispielsweise 20 Jahre Pogrom gegen die Asylbewerber und Asylbewerberinnen in Hoyerswerda oder zum NSU-Untersuchungsausschuss, dann kann ich die hier gar nicht mehr machen, ohne dass dann einige Polizisten im Grunde auch zum Schutz hier vor der Tür stehen."