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Rechte im Natur- und Umweltschutz
Nicht jeder Öko ist links und grün

Dass Natur- und Umweltschützer politisch den Grünen und den Linken nahe stehen, ist eine verbreitete Annahme - die allerdings nicht stimmt. Naturschutz, Bio-Landbau, Erhalt alter Arten sind Themen, die sich auch Rechtspopulisten und Rechtsextreme gezielt zunutze machen.

Von Wolf-Sören Treusch | 29.11.2019
Eine Malerei an einer Hauswand in Jamel (Mecklenburg-Vorpommern). Hier sollen viele Menschen mit rechter Gesinnung leben.
Eine Malerei an einer Hauswand in Jamel in Mecklenburg-Vorpommern: Der Ort gilt als Hochburg völkischer Siedler (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
"Natur und Umwelt sind zentrale Elemente des rechtsextremen Weltbildes. Naturschutz ist Heimatschutz ist Volksschutz", erläutert Lukas Nicolaisen von der Naturfreundejugend Deutschland und findet damit deutliche Worte. Er arbeitet in der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz und sieht die braunen Tendenzen in Natur- und Umweltschutzszene als Teil der Kulturrevolution, die die Rechten anstreben.
"Das bedeutet, dass sie auch mehr in diesem vorpolitischen Raum wirken wollen. Also in Verbänden, in Kirchen, so was, und da ist natürlich, sind der Umweltschutz und Naturschutz, die Verbände sehr attraktiv, weil die sehr viele Mitglieder haben, sind sehr breit aufgestellt, sind nicht nur in den Großstädten, sondern auch in den Regionen und Kommunen vertreten, also ein guter Angriffspunkt."
Autor Speit: "völkische Landnahme"
Viele Anhänger des Rechtspopulismus verstehen sich aber auch tatsächlich selbst als Umwelt- und Naturschützer: Sie züchten beispielsweise alte, vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen, schlagen einen Bogen vom Naturschutz zum Heimatschutz, engagieren sich bei der Freiwilligen Feuerwehr und im Gemeinderat. "Völkische Landnahme" nennt das Buchautor und Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit.
"Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos" von Andrea Röpke und Andreas Speit
Autor Andreas Speit über die "Völkische Landnahme"
Speziell in Mecklenburg-Vorpommern verwaisen ganze Landstriche. Dort lassen sich Anhänger der rechten "Völkischen Landnahme" nieder – um die Dörfer zu infiltrieren.
"Wir haben feststellen müssen, dass in der Lüneburger Heide, also in Westdeutschland, schon sehr lange völkische Siedler, Familien aktiv sind, die aber erst in den letzten Jahren mehr und mehr, wahrscheinlich wegen der Wahlerfolge der AfD sich jetzt auch trauen, mehr in die Gemeinden hineinzugehen, mehr in die Vereine hineinwirken wollen. Dann haben wir aber auch beispielsweise Projekte im Raum Güstrow, wo Menschen sich aus der Logik der Artamanen, das ist eine völkische Bewegung der 20er Jahre gewesen, die wieder versuchen, diese Gedanken dort neu auszuleben, da haben wir übrigens erfahren bei den Recherchen, dass immer wieder die Anwohner und Nachbarn dachten, die sehen so aus wie Ökos, das sind bestimmt Linke, und waren dann ganz überrascht, dass die dann rechtes Gedankengut gehabt haben."
Doch auch Nazis, so die gar nicht neue Erkenntnis, schützen Natur und Umwelt. Sie siedeln sich an im ländlichen Raum, oft kinderreiche Familien, gern in Gegenden in Ostdeutschland, die ausbluten und in denen deshalb viele Immobilien leer stehen und preiswert zu haben sind. Sie betreiben kleine Handwerksbetriebe und Manufakturen und produzieren Bioware. Und das nicht als reine Öko-Fassade.
Naturschutz ist traditionell ein "rechtes" Thema
"Ich glaube, dass wir alle so einem Trugschluss unterliegen, als wenn die Rechten jetzt gerade auf Bio machen würden und auf Nachhaltigkeit, in Wirklichkeit ist es ein ureigenes Thema der gesamten Rechten, schon in der völkischen Bewegung um 1870 finden wir Personen, die sich für Tierschutz, Naturschutz, Lebensschutz und Volksschutz einsetzen, und genau an diesem Vierklang erkennt man meist auch die rechtsextremen, ökologisch bewegten Menschen."
Eine Reichsflagge hängt im Hof des "Braunen Haus" in Jena, aufgenommen am Mittwoch (16.11.2011).
Rechtsextreme Siedler: Völkische Gesinnung im Wendland
Die Lüneburger Heide und das Wendland sind bekannt als Aktions- oder Rückzugsorte rechtsextremistischer Gruppierungen wie die "völkischen Siedler". Diese sind oft schon seit Generationen aktiv.
Was tun, lautet nun die Frage. Wie kann die Zivilgesellschaft die völkische Landnahme verhindern und die Heimat eben nicht den Rechtsextremen überlassen? Buchautor Andreas Speit ist vorsichtig optimistisch. Er erkennt in einzelnen Gemeinden Widerstandspotenzial.
"Damit ist gemeint, dass beispielsweise Menschen sich auch wehren in den Regionen, dass auf einmal rechte Personen versuchen, in den pädagogischen Plan der Kindergärten einzugreifen, dass sie versuchen, im Gemeindeleben politische Mandate zu erlangen, da merkt man eben: Offensichtlich fühlen sie sich durch die Wahlerfolge der AfD ermutigt, und gleichzeitig wächst dann aber auch der Widerstand gegen sie, was erfreulich ist."
Auch der Boykott von Waren kann ein Weg sein, findet er. Vor kurzem nahmen Bio-Supermärkte Produkte der Marke Spreewälder Hirsemühle aus dem Sortiment. Begründung: Der Betreiber leugne den menschengemachten Klimawandel und sei zudem AfD-Mitglied.
Strategien gegen rechts suchen
Lukas Nicolaisen setzt auf Bildung gegen rechts. Seit 2018 gibt es die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz bei der Naturfreundejugend Deutschland. Ihr Hauptanliegen ist es aufzuklären, sagt Nicolaisen:
"Tatsächlich ist es ja nach wie vor, dass wenn man Natur- und Umweltschutz sagt, die Assoziationskette ist: 68er, Studentenbewegung, Anti-AKW, links-alternativ, und dass dann nicht so sehr das Wort Rechtsextremismus auftaucht. Das heißt in unserer Arbeit geht es erst mal ganz banal darum zu sagen, Leute, nur weil jemand die gleichen Forderungen hat wie ihr, heißt es nicht, dass ihr politisch unbedingt auf der gleichen Seite steht. Also, schaut euch die Motive an, guckt, was die Beweggründe sind und guckt, ob auch die Beweggründe die gleichen sind wie eure. Und dann überlegt euch Strategien, wie ihr Leute ausschließen könnt, wenn ihr sie nicht in euren Reihen haben wollt."
Abgrenzung nach Rechtsaußen: Das kann also auch bedeuten, so Lukas Nicolaisen, dass Toleranz kein Weg ist: "Ja, tatsächlich ist es manchmal so. Ja."