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Rechte Umtriebe an der Bundeswehruni?

Der Chefredakteur der Unizeitschrift an der Bundeswehrhochschule München steht in der Kritik: Martin Böcker ist auch Autor der rechtskonservativen Berliner Wochenzeitung "Jungen Freiheit". Grund genug für eine Demission - findet die Uni-Präsidentin Merith Niehuss.

Von Michael Watzke | 20.07.2011
    Peter Paul Gantzer ist Honorarprofessor an der Bundeswehr-Universität München:

    "Nach über 30-jähriger Lehrtätigkeit an der Universität kann ich sagen: Wir haben ganz tolle Studenten und Studentinnen, die wirklich ganz demokratisch geimpft sind. Wir haben lange am guten Ruf der Uni BW gearbeitet. Und so eine Sache schadet uns natürlich."

    Mit so einer Sache meint der SPD-Landtagsabgeordnete Gantzer den neuen Chefredakteur der Unizeitschrift "Campus": Martin Böcker. Oberleutnant der Bundeswehr. Und Autor der "Jungen Freiheit", einer rechtskonservativen Berliner Wochenzeitung.

    "Nun hat dieser Chefredakteur ja einen bestimmten Hintergrund. Er sagt zwar: 'Ich bin nicht rechtsextremistisch', aber er gibt zu, ein konservativer Rechter zu sein. Und die Grenzen sind da immer fließend. Und deshalb gehen die jetzt herum als Wölfe im Schafspelz."

    Als ein Reporter des Bayerischen Rundfunks auf Böckers Mitarbeit bei der "Jungen Freiheit" hinwies, forderte die Präsidentin der Bundeswehr-Universität, Prof. Merith Niehuss, sofort Böckers Demission. Peter Gantzer will Bundesverteidigungsminister de Maiziere einschalten:

    "Es muss auf jeden Fall ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden, wo auch dieser Chefredakteur mit seinen Äußerungen - und die sind ja nun alle nachweisbar - nämlich: Er will die Pressefreiheit bis zu den Grenzen ausnutzen. Das klingt schon mal negativ. Aber noch viel schlimmer ist, dass er diesen frauenfeindlichen Artikel zugelassen hat, der sich damit beschäftigt, ob Frauen überhaupt geeignet sind, in der Bundeswehr Dienst zu tun. Und das ist frauenfeindlich, Verstoß gegen das Grundgesetz."

    Verstoß gegen das Grundgesetz? Carlo Masala sieht das anders. Er ist Politikprofessor an der Bundeswehr-Universität und hat die bisher einzige Campusausgabe des neuen Chefredakteurs Böcker gelesen. In der behandeln verschiedene Autoren auch das Thema "Frauen in der Bundeswehr". Überwiegend pro Soldatinnen.

    "Dass es daneben halt diese Kolumne gibt, die gegen die Integration von Frauen in die Streitkräfte argumentiert beziehungsweise sie als gescheitert ansieht, ist eine, wie ich finde, legitime Position. Mit der muss man sich inhaltlich auseinandersetzen."

    Prof. Masala und sein Kollege Michael Wolffsohn sind gegen disziplinarische Maßnahmen gegen Martin Böcker. Auch wenn sie die Meinungen des jungen Studenten nicht teilen. Man müsse sich argumentativ damit auseinandersetzen:

    "Die Grenzen liegen für mich eindeutig in Fragen des Rassismus, in jeder Insinuierung, dass ein Volk besser sei als das andere, dass man Völker in ihrer Reinheit schützen müsse, in der Propagierung von Gewalt als legitimen Weg und in jeglichen geschichtsrevisionistischen Tendenzen."

    Oberleutnant Martin Böcker selbst würde gern mit Hochschulpräsidentin Niehuss persönlich sprechen. Sie habe reagiert, ohne ihn anzuhören.

    "Ich hätte ihr versichern können, dass ich nicht rechtsextrem bin. Dass ich innerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. Und dass die Quellen, auf die sie sich berufen hat, vielleicht nicht ganz seriös sind. Oder zumindest tendenziös."

    Damit spricht Böcker einen der Autoren des Bayerischen Rundfunks an, auf dessen Reportage die Präsidentin reagierte. Der Reporter arbeitet für a.i.d.a. - ein antifaschistisches Archiv, das die bayerischen Verfassungsschützer als linksextremistisch einstufen. Böcker verweist darauf, dass der Verfassungsschutz bisher keine der Publikationen als verfassungsfeindlich einstuft, für die er geschrieben hat. "Das Grundgesetz ist ein hervorragendes Regelwerk", sagt er. Befragt man ihn allerdings nach geschichtsrevisionistischen Thesen, sagt er:

    "Also ich weiß ehrlich gesagt nicht so genau, was Geschichtsrevisionismus sein soll."

    Geschichtsrevisionismus, so definiert es der Verfassungsschutz, ist das Bestreben, den Nationalsozialismus zu rechtfertigen. Ein Student der Bundeswehr-Hochschule sollte diese Definition kennen. Man lernt sie zum Beispiel in Seminaren von Professor Masala:

    "Hier ist eine klare Grenze zu ziehen. Und diese Positionen müssen ausgegrenzt werden. Weil sie im demokratischen Spektrum der Bundeswehr überhaupt nichts zu suchen haben."

    Nun muss der Bundesverteidigungsminister entscheiden, ob Oberleutnant Martin Böcker noch zum demokratischen Spektrum gehört oder nicht.